Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

Unmöglichkeit, daß sie sich vergangen haben könn¬
te, so würde ich überzeugt seyn, daß sie sich in
guter Hoffnung befinde." Damit stand sie auf
und verließ das Zimmer. Wie vom Blitz getrof¬
fen starrten sich Graf Nepomuk und der Fürst
an. Dieser, zuerst das Wort aufnehmend, mein¬
te, "daß seine Frau auch zuweilen von den son¬
derbarsten Visionen heimgesucht werde." Graf Ne¬
pomuk sprach aber sehr ernst: "Die Fürstin hat
darin recht, daß ein Vergehen der Art von Seiten
Hermenegildas durchaus im Reich der Unmöglichkeit
liegt, wenn ich dir aber sage, daß, als Hermene¬
gilda gestern vor mir herging, mir es selbst wie
ein närrischer Gedanke durch den Sinn fuhr: nun
seht einmahl, die junge Witwe ist ja guter Hoff¬
nung; daß dieser Gedanke offenbar nur durch das
Betrachten ihrer Gestalt erzeugt werden konnte,
wenn ich dir das alles sage, so wirst du es na¬
türlich finden, wie die Worte der Fürstin mich
mit trüber Besorgniß, ja mit der peinlichsten
Angst erfüllen." "So muß," erwiederte der Fürst,

Unmoͤglichkeit, daß ſie ſich vergangen haben koͤnn¬
te, ſo wuͤrde ich uͤberzeugt ſeyn, daß ſie ſich in
guter Hoffnung befinde.“ Damit ſtand ſie auf
und verließ das Zimmer. Wie vom Blitz getrof¬
fen ſtarrten ſich Graf Nepomuk und der Fuͤrſt
an. Dieſer, zuerſt das Wort aufnehmend, mein¬
te, „daß ſeine Frau auch zuweilen von den ſon¬
derbarſten Viſionen heimgeſucht werde.“ Graf Ne¬
pomuk ſprach aber ſehr ernſt: „Die Fuͤrſtin hat
darin recht, daß ein Vergehen der Art von Seiten
Hermenegildas durchaus im Reich der Unmoͤglichkeit
liegt, wenn ich dir aber ſage, daß, als Hermene¬
gilda geſtern vor mir herging, mir es ſelbſt wie
ein naͤrriſcher Gedanke durch den Sinn fuhr: nun
ſeht einmahl, die junge Witwe iſt ja guter Hoff¬
nung; daß dieſer Gedanke offenbar nur durch das
Betrachten ihrer Geſtalt erzeugt werden konnte,
wenn ich dir das alles ſage, ſo wirſt du es na¬
tuͤrlich finden, wie die Worte der Fuͤrſtin mich
mit truͤber Beſorgniß, ja mit der peinlichſten
Angſt erfuͤllen.“ „So muß,“ erwiederte der Fuͤrſt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0311" n="303"/>
Unmo&#x0364;glichkeit, daß &#x017F;ie &#x017F;ich vergangen haben ko&#x0364;nn¬<lb/>
te, &#x017F;o wu&#x0364;rde ich u&#x0364;berzeugt &#x017F;eyn, daß &#x017F;ie &#x017F;ich in<lb/>
guter Hoffnung befinde.&#x201C; Damit &#x017F;tand &#x017F;ie auf<lb/>
und verließ das Zimmer. Wie vom Blitz getrof¬<lb/>
fen &#x017F;tarrten &#x017F;ich Graf Nepomuk und der Fu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
an. Die&#x017F;er, zuer&#x017F;t das Wort aufnehmend, mein¬<lb/>
te, &#x201E;daß &#x017F;eine Frau auch zuweilen von den &#x017F;on¬<lb/>
derbar&#x017F;ten Vi&#x017F;ionen heimge&#x017F;ucht werde.&#x201C; Graf Ne¬<lb/>
pomuk &#x017F;prach aber &#x017F;ehr ern&#x017F;t: &#x201E;Die Fu&#x0364;r&#x017F;tin hat<lb/>
darin recht, daß ein Vergehen der Art von Seiten<lb/>
Hermenegildas durchaus im Reich der Unmo&#x0364;glichkeit<lb/>
liegt, wenn ich dir aber &#x017F;age, daß, als Hermene¬<lb/>
gilda ge&#x017F;tern vor mir herging, mir es &#x017F;elb&#x017F;t wie<lb/>
ein na&#x0364;rri&#x017F;cher Gedanke durch den Sinn fuhr: nun<lb/>
&#x017F;eht einmahl, die junge Witwe i&#x017F;t ja guter Hoff¬<lb/>
nung; daß die&#x017F;er Gedanke offenbar nur durch das<lb/>
Betrachten ihrer Ge&#x017F;talt erzeugt werden konnte,<lb/>
wenn ich dir das alles &#x017F;age, &#x017F;o wir&#x017F;t du es na¬<lb/>
tu&#x0364;rlich finden, wie die Worte der Fu&#x0364;r&#x017F;tin mich<lb/>
mit tru&#x0364;ber Be&#x017F;orgniß, ja mit der peinlich&#x017F;ten<lb/>
Ang&#x017F;t erfu&#x0364;llen.&#x201C; &#x201E;So muß,&#x201C; erwiederte der Fu&#x0364;r&#x017F;t,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0311] Unmoͤglichkeit, daß ſie ſich vergangen haben koͤnn¬ te, ſo wuͤrde ich uͤberzeugt ſeyn, daß ſie ſich in guter Hoffnung befinde.“ Damit ſtand ſie auf und verließ das Zimmer. Wie vom Blitz getrof¬ fen ſtarrten ſich Graf Nepomuk und der Fuͤrſt an. Dieſer, zuerſt das Wort aufnehmend, mein¬ te, „daß ſeine Frau auch zuweilen von den ſon¬ derbarſten Viſionen heimgeſucht werde.“ Graf Ne¬ pomuk ſprach aber ſehr ernſt: „Die Fuͤrſtin hat darin recht, daß ein Vergehen der Art von Seiten Hermenegildas durchaus im Reich der Unmoͤglichkeit liegt, wenn ich dir aber ſage, daß, als Hermene¬ gilda geſtern vor mir herging, mir es ſelbſt wie ein naͤrriſcher Gedanke durch den Sinn fuhr: nun ſeht einmahl, die junge Witwe iſt ja guter Hoff¬ nung; daß dieſer Gedanke offenbar nur durch das Betrachten ihrer Geſtalt erzeugt werden konnte, wenn ich dir das alles ſage, ſo wirſt du es na¬ tuͤrlich finden, wie die Worte der Fuͤrſtin mich mit truͤber Beſorgniß, ja mit der peinlichſten Angſt erfuͤllen.“ „So muß,“ erwiederte der Fuͤrſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/311
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/311>, abgerufen am 21.11.2024.