"der Arzt oder die weise Frau entscheiden und entweder das vielleicht voreilige Urtheil der Für¬ stin vernichtet oder unsere Schande bestätiget wer¬ de." Mehrere Tage schwankten Beide von Ent¬ schluß zu Entschluß. Beiden wurden Hermenegil¬ da's Formen verdächtig, die Fürstin sollte entschei¬ den was jetzt zu thun. Sie verwarf die Ein¬ mischung eines vielleicht plauderhaften Arztes und meinte, daß andere Hülfe wohl erst in fünf Mo¬ nathen nöthig seyn würde. "Welche Hülfe?" schrie Graf Nepomuk entsetzt. "Ja," fuhr die Fürstin mit erhöhter Stimme fort, "es ist nun gar kein Zweifel mehr, Hermenegilda ist entweder die verruchteste Heuchlerin, die jemahls gebohren, oder es waltet ein unerforschliches Geheimniß -- genug, sie ist guter Hoffnung!" -- Ganz erstarrt vor Schreck fand Graf Nepomuk keine Worte; end¬ lich sich mühsam ermannend beschwor er die Fürstin, koste es was es wolle, von Hermenegilda selbst zu erforschen, wer der Unglückselige sey, der die unaus¬ löschliche Schmach über sein Haus gebracht.
„der Arzt oder die weiſe Frau entſcheiden und entweder das vielleicht voreilige Urtheil der Fuͤr¬ ſtin vernichtet oder unſere Schande beſtaͤtiget wer¬ de.“ Mehrere Tage ſchwankten Beide von Ent¬ ſchluß zu Entſchluß. Beiden wurden Hermenegil¬ da's Formen verdaͤchtig, die Fuͤrſtin ſollte entſchei¬ den was jetzt zu thun. Sie verwarf die Ein¬ miſchung eines vielleicht plauderhaften Arztes und meinte, daß andere Huͤlfe wohl erſt in fuͤnf Mo¬ nathen noͤthig ſeyn wuͤrde. „Welche Huͤlfe?“ ſchrie Graf Nepomuk entſetzt. „Ja,“ fuhr die Fuͤrſtin mit erhoͤhter Stimme fort, „es iſt nun gar kein Zweifel mehr, Hermenegilda iſt entweder die verruchteſte Heuchlerin, die jemahls gebohren, oder es waltet ein unerforſchliches Geheimniß — genug, ſie iſt guter Hoffnung!“ — Ganz erſtarrt vor Schreck fand Graf Nepomuk keine Worte; end¬ lich ſich muͤhſam ermannend beſchwor er die Fuͤrſtin, koſte es was es wolle, von Hermenegilda ſelbſt zu erforſchen, wer der Ungluͤckſelige ſey, der die unaus¬ loͤſchliche Schmach uͤber ſein Haus gebracht.
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„der Arzt oder die weiſe Frau entſcheiden und
entweder das vielleicht voreilige Urtheil der Fuͤr¬
ſtin vernichtet oder unſere Schande beſtaͤtiget wer¬
de.“ Mehrere Tage ſchwankten Beide von Ent¬
ſchluß zu Entſchluß. Beiden wurden Hermenegil¬
da's Formen verdaͤchtig, die Fuͤrſtin ſollte entſchei¬
den was jetzt zu thun. Sie verwarf die Ein¬
miſchung eines vielleicht plauderhaften Arztes und
meinte, daß andere Huͤlfe wohl erſt in fuͤnf Mo¬
nathen noͤthig ſeyn wuͤrde. „Welche Huͤlfe?“
ſchrie Graf Nepomuk entſetzt. „Ja,“ fuhr die
Fuͤrſtin mit erhoͤhter Stimme fort, „es iſt nun
gar kein Zweifel mehr, Hermenegilda iſt entweder
die verruchteſte Heuchlerin, die jemahls gebohren,
oder es waltet ein unerforſchliches Geheimniß —
genug, ſie iſt guter Hoffnung!“ — Ganz erſtarrt
vor Schreck fand Graf Nepomuk keine Worte; end¬
lich ſich muͤhſam ermannend beſchwor er die Fuͤrſtin,
koſte es was es wolle, von Hermenegilda ſelbſt zu
erforſchen, wer der Ungluͤckſelige ſey, der die unaus¬
loͤſchliche Schmach uͤber ſein Haus gebracht.
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/312>, abgerufen am 22.11.2024.
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