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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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hatte sie wenige Zeilen erhascht, als sie mit zum
Himmel emporgerichteten Blick die Hände zusam¬
menschlug und schmerzlich ausrief: "Hermenegil¬
da! -- armes Kind! -- welches unerforschliche
Geheimniß!" -- Sie hatte gefunden, daß Sta¬
nislaus Todestag gerade mit Hermenegilda's An¬
gabe zusammentraf, daß sich alles so begeben, wie
sie es in dem verhängnißvollen Augenblick geschaut
hatte. "Er ist todt," sprach nun Xaver rasch und
feurig, "Hermenegilda ist frei, mir, der ich sie
liebe wie mein Leben, steht nichts mehr entgegen,
ich bitte um ihre Hand!" -- Graf Nepomuk ver¬
mochte nicht zu antworten, der Fürst nahm das
Wort und erklärte, daß gewisse Umstände es ganz
unmöglich machten, jetzt auf seinen Antrag einzuge¬
hen, daß er in diesem Augenblick nicht einmal Her¬
menegilda sehen könne, daß es also das Beste sey,
sich wieder schnell zu entfernen, wie er gekommen.
Xaver entgegnete, daß er Hermenegilda's zerrütte¬
ten Gemüthszustand, von dem wahrscheinlich die
Rede sey, recht gut kenne, daß er dies aber um so

hatte ſie wenige Zeilen erhaſcht, als ſie mit zum
Himmel emporgerichteten Blick die Haͤnde zuſam¬
menſchlug und ſchmerzlich ausrief: „Hermenegil¬
da! — armes Kind! — welches unerforſchliche
Geheimniß!“ — Sie hatte gefunden, daß Sta¬
nislaus Todestag gerade mit Hermenegilda's An¬
gabe zuſammentraf, daß ſich alles ſo begeben, wie
ſie es in dem verhaͤngnißvollen Augenblick geſchaut
hatte. „Er iſt todt,“ ſprach nun Xaver raſch und
feurig, „Hermenegilda iſt frei, mir, der ich ſie
liebe wie mein Leben, ſteht nichts mehr entgegen,
ich bitte um ihre Hand!“ — Graf Nepomuk ver¬
mochte nicht zu antworten, der Fuͤrſt nahm das
Wort und erklaͤrte, daß gewiſſe Umſtaͤnde es ganz
unmoͤglich machten, jetzt auf ſeinen Antrag einzuge¬
hen, daß er in dieſem Augenblick nicht einmal Her¬
menegilda ſehen koͤnne, daß es alſo das Beſte ſey,
ſich wieder ſchnell zu entfernen, wie er gekommen.
Xaver entgegnete, daß er Hermenegilda's zerruͤtte¬
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[311/0319] hatte ſie wenige Zeilen erhaſcht, als ſie mit zum Himmel emporgerichteten Blick die Haͤnde zuſam¬ menſchlug und ſchmerzlich ausrief: „Hermenegil¬ da! — armes Kind! — welches unerforſchliche Geheimniß!“ — Sie hatte gefunden, daß Sta¬ nislaus Todestag gerade mit Hermenegilda's An¬ gabe zuſammentraf, daß ſich alles ſo begeben, wie ſie es in dem verhaͤngnißvollen Augenblick geſchaut hatte. „Er iſt todt,“ ſprach nun Xaver raſch und feurig, „Hermenegilda iſt frei, mir, der ich ſie liebe wie mein Leben, ſteht nichts mehr entgegen, ich bitte um ihre Hand!“ — Graf Nepomuk ver¬ mochte nicht zu antworten, der Fuͤrſt nahm das Wort und erklaͤrte, daß gewiſſe Umſtaͤnde es ganz unmoͤglich machten, jetzt auf ſeinen Antrag einzuge¬ hen, daß er in dieſem Augenblick nicht einmal Her¬ menegilda ſehen koͤnne, daß es alſo das Beſte ſey, ſich wieder ſchnell zu entfernen, wie er gekommen. Xaver entgegnete, daß er Hermenegilda's zerruͤtte¬ ten Gemuͤthszuſtand, von dem wahrſcheinlich die Rede ſey, recht gut kenne, daß er dies aber um ſo

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/319>, abgerufen am 22.11.2024.