Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

sah, es der Welt, deren Hohn ihm das Bitterste
war, zu verbergen, und der Fürst urtheilte sehr
richtig, daß bei der seltsamen Lage der Dinge, bei
Hermenegilda's unerheucheltem Gemüthszustande
freilich gar nichts anders zu thun sey, als die Auf¬
lösung des wunderbaren Räthsels der Zeit zu über¬
lassen. Eben wollte man nach geschlossener Bera¬
thung auseinander gehen, als die plötzliche Ankunft
des Grafen Xaver von R. über alle neue Verle¬
genheit neue Kümmerniß brachte. Erhitzt von
dem scharfen Ritt, über und über mit Staub be¬
deckt, mit der Hast eines von wilder Leidenschaft
getriebenen stürzte er ins Zimmer und rief, ohne
Gruß, alle Sitte nicht beachtend, mit starker Stim¬
me: "Er ist todt, Graf Stanislaus! -- nicht in
Gefangenschaft gerieth er -- nein -- er wurde
niedergehauen von den Feinden -- hier sind die
Beweise!" -- Damit steckte er mehrere Briefe,
die er schnell hervorgerissen, dem Grafen Nepomuk
in die Hände. Dieser fing ganz bestürzt an zu
lesen. Die Fürstin sah in die Blätter hinein, kaum

ſah, es der Welt, deren Hohn ihm das Bitterſte
war, zu verbergen, und der Fuͤrſt urtheilte ſehr
richtig, daß bei der ſeltſamen Lage der Dinge, bei
Hermenegilda's unerheucheltem Gemuͤthszuſtande
freilich gar nichts anders zu thun ſey, als die Auf¬
loͤſung des wunderbaren Raͤthſels der Zeit zu uͤber¬
laſſen. Eben wollte man nach geſchloſſener Bera¬
thung auseinander gehen, als die ploͤtzliche Ankunft
des Grafen Xaver von R. uͤber alle neue Verle¬
genheit neue Kuͤmmerniß brachte. Erhitzt von
dem ſcharfen Ritt, uͤber und uͤber mit Staub be¬
deckt, mit der Haſt eines von wilder Leidenſchaft
getriebenen ſtuͤrzte er ins Zimmer und rief, ohne
Gruß, alle Sitte nicht beachtend, mit ſtarker Stim¬
me: „Er iſt todt, Graf Stanislaus! — nicht in
Gefangenſchaft gerieth er — nein — er wurde
niedergehauen von den Feinden — hier ſind die
Beweiſe!“ — Damit ſteckte er mehrere Briefe,
die er ſchnell hervorgeriſſen, dem Grafen Nepomuk
in die Haͤnde. Dieſer fing ganz beſtuͤrzt an zu
leſen. Die Fuͤrſtin ſah in die Blaͤtter hinein, kaum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0318" n="310"/>
&#x017F;ah, es der Welt, deren Hohn ihm das Bitter&#x017F;te<lb/>
war, zu verbergen, und der Fu&#x0364;r&#x017F;t urtheilte &#x017F;ehr<lb/>
richtig, daß bei der &#x017F;elt&#x017F;amen Lage der Dinge, bei<lb/>
Hermenegilda's unerheucheltem Gemu&#x0364;thszu&#x017F;tande<lb/>
freilich gar nichts anders zu thun &#x017F;ey, als die Auf¬<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;ung des wunderbaren Ra&#x0364;th&#x017F;els der Zeit zu u&#x0364;ber¬<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Eben wollte man nach ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ener Bera¬<lb/>
thung auseinander gehen, als die plo&#x0364;tzliche Ankunft<lb/>
des Grafen Xaver von R. u&#x0364;ber alle neue Verle¬<lb/>
genheit neue Ku&#x0364;mmerniß brachte. Erhitzt von<lb/>
dem &#x017F;charfen Ritt, u&#x0364;ber und u&#x0364;ber mit Staub be¬<lb/>
deckt, mit der Ha&#x017F;t eines von wilder Leiden&#x017F;chaft<lb/>
getriebenen &#x017F;tu&#x0364;rzte er ins Zimmer und rief, ohne<lb/>
Gruß, alle Sitte nicht beachtend, mit &#x017F;tarker Stim¬<lb/>
me: &#x201E;Er i&#x017F;t todt, Graf Stanislaus! &#x2014; nicht in<lb/>
Gefangen&#x017F;chaft gerieth er &#x2014; nein &#x2014; er wurde<lb/>
niedergehauen von den Feinden &#x2014; hier &#x017F;ind die<lb/>
Bewei&#x017F;e!&#x201C; &#x2014; Damit &#x017F;teckte er mehrere Briefe,<lb/>
die er &#x017F;chnell hervorgeri&#x017F;&#x017F;en, dem Grafen Nepomuk<lb/>
in die Ha&#x0364;nde. Die&#x017F;er fing ganz be&#x017F;tu&#x0364;rzt an zu<lb/>
le&#x017F;en. Die Fu&#x0364;r&#x017F;tin &#x017F;ah in die Bla&#x0364;tter hinein, kaum<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0318] ſah, es der Welt, deren Hohn ihm das Bitterſte war, zu verbergen, und der Fuͤrſt urtheilte ſehr richtig, daß bei der ſeltſamen Lage der Dinge, bei Hermenegilda's unerheucheltem Gemuͤthszuſtande freilich gar nichts anders zu thun ſey, als die Auf¬ loͤſung des wunderbaren Raͤthſels der Zeit zu uͤber¬ laſſen. Eben wollte man nach geſchloſſener Bera¬ thung auseinander gehen, als die ploͤtzliche Ankunft des Grafen Xaver von R. uͤber alle neue Verle¬ genheit neue Kuͤmmerniß brachte. Erhitzt von dem ſcharfen Ritt, uͤber und uͤber mit Staub be¬ deckt, mit der Haſt eines von wilder Leidenſchaft getriebenen ſtuͤrzte er ins Zimmer und rief, ohne Gruß, alle Sitte nicht beachtend, mit ſtarker Stim¬ me: „Er iſt todt, Graf Stanislaus! — nicht in Gefangenſchaft gerieth er — nein — er wurde niedergehauen von den Feinden — hier ſind die Beweiſe!“ — Damit ſteckte er mehrere Briefe, die er ſchnell hervorgeriſſen, dem Grafen Nepomuk in die Haͤnde. Dieſer fing ganz beſtuͤrzt an zu leſen. Die Fuͤrſtin ſah in die Blaͤtter hinein, kaum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/318
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/318>, abgerufen am 22.11.2024.