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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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blickten, gucke ein fremdes, garstiges Gesicht her¬
aus, und der Kinder Augen blieben dann erstarrt
stehen. Mir war das ganz entsetzlich graulich,
aber in vollem Grausen konnt' ich doch oft nicht
unterlassen, wenigstens nach dem Spiegel hin zu
blinzeln, weil ich neugierig war auf das fremde
Gesicht. Einmahl glaubt' ich ein paar gräßliche
glühende Augen aus dem Spiegel fürchterlich her¬
ausfunkeln zu sehen, ich schrie auf und stürzte dann
ohnmächtig nieder. In diesem Zufall brach eine
langwierige Krankheit aus, aber noch jetzt ist es
mir, als hätten jene Augen mich wirklich angefun¬
kelt. -- Kurz alles dieses tolle Zeug aus meiner
frühen Kindheit fiel mir ein, Eiskälte bebte durch
meine Adern -- ich wollte den Spiegel von mir
schleudern -- ich vermocht' es nicht -- nun blick¬
ten mich die Himmelsaugen der holden Gestalt an
-- ja ihr Blick war auf mich gerichtet und strahlte
bis ins Herz hinein. Jenes Grausen, das mich
plötzlich ergriffen, ließ von mir ab und gab Raum
dem wonnigen Schmerz süßer Sehnsucht, die mich

mit

blickten, gucke ein fremdes, garſtiges Geſicht her¬
aus, und der Kinder Augen blieben dann erſtarrt
ſtehen. Mir war das ganz entſetzlich graulich,
aber in vollem Grauſen konnt' ich doch oft nicht
unterlaſſen, wenigſtens nach dem Spiegel hin zu
blinzeln, weil ich neugierig war auf das fremde
Geſicht. Einmahl glaubt' ich ein paar graͤßliche
gluͤhende Augen aus dem Spiegel fuͤrchterlich her¬
ausfunkeln zu ſehen, ich ſchrie auf und ſtuͤrzte dann
ohnmaͤchtig nieder. In dieſem Zufall brach eine
langwierige Krankheit aus, aber noch jetzt iſt es
mir, als haͤtten jene Augen mich wirklich angefun¬
kelt. — Kurz alles dieſes tolle Zeug aus meiner
fruͤhen Kindheit fiel mir ein, Eiskaͤlte bebte durch
meine Adern — ich wollte den Spiegel von mir
ſchleudern — ich vermocht' es nicht — nun blick¬
ten mich die Himmelsaugen der holden Geſtalt an
— ja ihr Blick war auf mich gerichtet und ſtrahlte
bis ins Herz hinein. Jenes Grauſen, das mich
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dem wonnigen Schmerz ſuͤßer Sehnſucht, die mich

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[32/0040] blickten, gucke ein fremdes, garſtiges Geſicht her¬ aus, und der Kinder Augen blieben dann erſtarrt ſtehen. Mir war das ganz entſetzlich graulich, aber in vollem Grauſen konnt' ich doch oft nicht unterlaſſen, wenigſtens nach dem Spiegel hin zu blinzeln, weil ich neugierig war auf das fremde Geſicht. Einmahl glaubt' ich ein paar graͤßliche gluͤhende Augen aus dem Spiegel fuͤrchterlich her¬ ausfunkeln zu ſehen, ich ſchrie auf und ſtuͤrzte dann ohnmaͤchtig nieder. In dieſem Zufall brach eine langwierige Krankheit aus, aber noch jetzt iſt es mir, als haͤtten jene Augen mich wirklich angefun¬ kelt. — Kurz alles dieſes tolle Zeug aus meiner fruͤhen Kindheit fiel mir ein, Eiskaͤlte bebte durch meine Adern — ich wollte den Spiegel von mir ſchleudern — ich vermocht' es nicht — nun blick¬ ten mich die Himmelsaugen der holden Geſtalt an — ja ihr Blick war auf mich gerichtet und ſtrahlte bis ins Herz hinein. Jenes Grauſen, das mich ploͤtzlich ergriffen, ließ von mir ab und gab Raum dem wonnigen Schmerz ſuͤßer Sehnſucht, die mich mit

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/40>, abgerufen am 03.12.2024.