Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

dem bedroht ich mich glaubte. Er hörte mich sehr
ruhig an, doch bemerkte ich wohl in seinem Blick
tiefes Erstaunen. "Noch," fing er an, "noch ist
die Gefahr keinesweges so nahe als Sie glauben
und ich kann mit Gewißheit behaupten, daß ich sie
ganz abzuwenden vermag. Daß Sie auf unerhörte
Weise psychisch angegriffen sind, leidet gar keinen
Zweifel, aber die völlige klare Erkenntniß dieses
Angriffs irgend eines bösen Prinzips giebt Ihnen
selbst die Waffen in die Hand, sich dagegen zu
wehren. Lassen Sie mir Ihren Taschenspiegel,
zwingen Sie sich zu irgend einer Arbeit, die Ihre
Geisteskräfte in Anspruch nimmt, meiden Sie die
Allee, arbeiten Sie von der Frühe an, so lange
Sie es nur auszuhalten vermögen, dann aber,
nach einem tüchtigen Spaziergange, fort in die Ge¬
sellschaft Ihrer Freunde, die Sie so lange vermißt.
Essen Sie nahrhafte Speisen, trinken Sie starken
kräftigen Wein. Sie sehen, daß ich blos die fixe
Idee, das heißt, die Erscheinung des Sie bethören¬
den Antlitzes im Fenster des öden Hauses und im

dem bedroht ich mich glaubte. Er hoͤrte mich ſehr
ruhig an, doch bemerkte ich wohl in ſeinem Blick
tiefes Erſtaunen. „Noch,“ fing er an, „noch iſt
die Gefahr keinesweges ſo nahe als Sie glauben
und ich kann mit Gewißheit behaupten, daß ich ſie
ganz abzuwenden vermag. Daß Sie auf unerhoͤrte
Weiſe pſychiſch angegriffen ſind, leidet gar keinen
Zweifel, aber die voͤllige klare Erkenntniß dieſes
Angriffs irgend eines boͤſen Prinzips giebt Ihnen
ſelbſt die Waffen in die Hand, ſich dagegen zu
wehren. Laſſen Sie mir Ihren Taſchenſpiegel,
zwingen Sie ſich zu irgend einer Arbeit, die Ihre
Geiſteskraͤfte in Anſpruch nimmt, meiden Sie die
Allee, arbeiten Sie von der Fruͤhe an, ſo lange
Sie es nur auszuhalten vermoͤgen, dann aber,
nach einem tuͤchtigen Spaziergange, fort in die Ge¬
ſellſchaft Ihrer Freunde, die Sie ſo lange vermißt.
Eſſen Sie nahrhafte Speiſen, trinken Sie ſtarken
kraͤftigen Wein. Sie ſehen, daß ich blos die fixe
Idee, das heißt, die Erſcheinung des Sie bethoͤren¬
den Antlitzes im Fenſter des oͤden Hauſes und im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="41"/>
dem bedroht ich mich glaubte. Er ho&#x0364;rte mich &#x017F;ehr<lb/>
ruhig an, doch bemerkte ich wohl in &#x017F;einem Blick<lb/>
tiefes Er&#x017F;taunen. &#x201E;Noch,&#x201C; fing er an, &#x201E;noch i&#x017F;t<lb/>
die Gefahr keinesweges &#x017F;o nahe als Sie glauben<lb/>
und ich kann mit Gewißheit behaupten, daß ich &#x017F;ie<lb/>
ganz abzuwenden vermag. Daß Sie auf unerho&#x0364;rte<lb/>
Wei&#x017F;e p&#x017F;ychi&#x017F;ch angegriffen &#x017F;ind, leidet gar keinen<lb/>
Zweifel, aber die vo&#x0364;llige klare Erkenntniß die&#x017F;es<lb/>
Angriffs irgend eines bo&#x0364;&#x017F;en Prinzips giebt Ihnen<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t die Waffen in die Hand, &#x017F;ich dagegen zu<lb/>
wehren. La&#x017F;&#x017F;en Sie mir Ihren Ta&#x017F;chen&#x017F;piegel,<lb/>
zwingen Sie &#x017F;ich zu irgend einer Arbeit, die Ihre<lb/>
Gei&#x017F;teskra&#x0364;fte in An&#x017F;pruch nimmt, meiden Sie die<lb/>
Allee, arbeiten Sie von der Fru&#x0364;he an, &#x017F;o lange<lb/>
Sie es nur auszuhalten vermo&#x0364;gen, dann aber,<lb/>
nach einem tu&#x0364;chtigen Spaziergange, fort in die Ge¬<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft Ihrer Freunde, die Sie &#x017F;o lange vermißt.<lb/>
E&#x017F;&#x017F;en Sie nahrhafte Spei&#x017F;en, trinken Sie &#x017F;tarken<lb/>
kra&#x0364;ftigen Wein. Sie &#x017F;ehen, daß ich blos die fixe<lb/>
Idee, das heißt, die Er&#x017F;cheinung des Sie betho&#x0364;ren¬<lb/>
den Antlitzes im Fen&#x017F;ter des o&#x0364;den Hau&#x017F;es und im<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0049] dem bedroht ich mich glaubte. Er hoͤrte mich ſehr ruhig an, doch bemerkte ich wohl in ſeinem Blick tiefes Erſtaunen. „Noch,“ fing er an, „noch iſt die Gefahr keinesweges ſo nahe als Sie glauben und ich kann mit Gewißheit behaupten, daß ich ſie ganz abzuwenden vermag. Daß Sie auf unerhoͤrte Weiſe pſychiſch angegriffen ſind, leidet gar keinen Zweifel, aber die voͤllige klare Erkenntniß dieſes Angriffs irgend eines boͤſen Prinzips giebt Ihnen ſelbſt die Waffen in die Hand, ſich dagegen zu wehren. Laſſen Sie mir Ihren Taſchenſpiegel, zwingen Sie ſich zu irgend einer Arbeit, die Ihre Geiſteskraͤfte in Anſpruch nimmt, meiden Sie die Allee, arbeiten Sie von der Fruͤhe an, ſo lange Sie es nur auszuhalten vermoͤgen, dann aber, nach einem tuͤchtigen Spaziergange, fort in die Ge¬ ſellſchaft Ihrer Freunde, die Sie ſo lange vermißt. Eſſen Sie nahrhafte Speiſen, trinken Sie ſtarken kraͤftigen Wein. Sie ſehen, daß ich blos die fixe Idee, das heißt, die Erſcheinung des Sie bethoͤren¬ den Antlitzes im Fenſter des oͤden Hauſes und im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/49
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/49>, abgerufen am 03.12.2024.