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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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zen, bis er in völlige Bewußtlosigkeit versinke.
Aus diesem Zustande bleibe ihm ein dumpfer Kopf¬
schmerz, und eine Abspannung, als habe er ge¬
schwelgt im Liebesgenuß, zurück. Nie ließ er sich
über die näheren Verhältnisse aus, in denen er viel¬
leicht mit jenem Frauenzimmer stand. Die Trup¬
pen sollten aufbrechen, gepackt stand der Wagen des
Obristen vor der Thüre, er frühstückte, aber in
dem Augenblicke, als er ein Glas Madera zum
Munde führen wollte, stürzte er mit einem dum¬
pfen Schrei vom Stuhle herab. Er war todt.
Die Aerzte fanden ihn vom Nervenschlag getroffen.
Einige Wochen nachher wurde ein an den Obristen
adressirter Brief bey mir abgegeben. Ich hatte gar
kein Bedenken ihn zu öffnen, um vielleicht ein Näheres
von den Verwandten des Obristen zu erfahren, und
ihnen Nachricht von seinem plötzlichen Tode geben
zu können. Der Brief kam von Pisa und enthielt
ohne Unterschrift die wenigen Worte: Unglückse¬
liger! Heute, am 7. -- um zwölf Uhr Mittag
sank Antonia, dein trügerisches Abbild mit lieben¬

zen, bis er in voͤllige Bewußtloſigkeit verſinke.
Aus dieſem Zuſtande bleibe ihm ein dumpfer Kopf¬
ſchmerz, und eine Abſpannung, als habe er ge¬
ſchwelgt im Liebesgenuß, zuruͤck. Nie ließ er ſich
uͤber die naͤheren Verhaͤltniſſe aus, in denen er viel¬
leicht mit jenem Frauenzimmer ſtand. Die Trup¬
pen ſollten aufbrechen, gepackt ſtand der Wagen des
Obriſten vor der Thuͤre, er fruͤhſtuͤckte, aber in
dem Augenblicke, als er ein Glas Madera zum
Munde fuͤhren wollte, ſtuͤrzte er mit einem dum¬
pfen Schrei vom Stuhle herab. Er war todt.
Die Aerzte fanden ihn vom Nervenſchlag getroffen.
Einige Wochen nachher wurde ein an den Obriſten
adreſſirter Brief bey mir abgegeben. Ich hatte gar
kein Bedenken ihn zu oͤffnen, um vielleicht ein Naͤheres
von den Verwandten des Obriſten zu erfahren, und
ihnen Nachricht von ſeinem ploͤtzlichen Tode geben
zu koͤnnen. Der Brief kam von Piſa und enthielt
ohne Unterſchrift die wenigen Worte: Ungluͤckſe¬
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[52/0060] zen, bis er in voͤllige Bewußtloſigkeit verſinke. Aus dieſem Zuſtande bleibe ihm ein dumpfer Kopf¬ ſchmerz, und eine Abſpannung, als habe er ge¬ ſchwelgt im Liebesgenuß, zuruͤck. Nie ließ er ſich uͤber die naͤheren Verhaͤltniſſe aus, in denen er viel¬ leicht mit jenem Frauenzimmer ſtand. Die Trup¬ pen ſollten aufbrechen, gepackt ſtand der Wagen des Obriſten vor der Thuͤre, er fruͤhſtuͤckte, aber in dem Augenblicke, als er ein Glas Madera zum Munde fuͤhren wollte, ſtuͤrzte er mit einem dum¬ pfen Schrei vom Stuhle herab. Er war todt. Die Aerzte fanden ihn vom Nervenſchlag getroffen. Einige Wochen nachher wurde ein an den Obriſten adreſſirter Brief bey mir abgegeben. Ich hatte gar kein Bedenken ihn zu oͤffnen, um vielleicht ein Naͤheres von den Verwandten des Obriſten zu erfahren, und ihnen Nachricht von ſeinem ploͤtzlichen Tode geben zu koͤnnen. Der Brief kam von Piſa und enthielt ohne Unterſchrift die wenigen Worte: Ungluͤckſe¬ liger! Heute, am 7. — um zwoͤlf Uhr Mittag ſank Antonia, dein truͤgeriſches Abbild mit lieben¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/60>, abgerufen am 22.05.2024.