Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

irgend einen Saal im Hauptgebäude schnell einrich¬
ten zum Gerichtstage?" "Dieses ist auch bereits
Alles geschehen," sprach der Alte, indem er freund¬
lich nach der Treppe wies und sofort hinauf zu steigen
begann. "Nun seht mir doch den wunderlichen
Kauz," rief der Onkel, indem wir dem Alten
nachschritten. Es ging fort durch lange hochgewölbte
Corridore, Franzens flackerndes Licht warf einen
wunderlichen Schein in die dicke Finsterniß. Säu¬
len, Capitäler und bunte Bogen zeigten sich oft wie
in den Lüften schwebend, riesengroß schritten unsere
Schatten neben uns her und die seltsamen Gebilde
an den Wänden, über die sie wegschlüpften, schie¬
nen zu zittern und zu schwanken, und ihre Stim¬
men wisperten in den dröhnenden Nachhall unserer
Tritte hinein: Weckt uns nicht, weckt uns nicht,
uns tolles Zaubervolk, das hier in den alten Stei¬
nen schläft! -- Endlich öffnete Franz, nachdem
wir eine Reihe kalter, finstrer Gemächer durchgan¬
gen, einen Saal, in dem ein hellaufloderndes Ka¬
minfeuer uns mit seinem lustigen Knistern wie mit

irgend einen Saal im Hauptgebaͤude ſchnell einrich¬
ten zum Gerichtstage?“ „Dieſes iſt auch bereits
Alles geſchehen,“ ſprach der Alte, indem er freund¬
lich nach der Treppe wies und ſofort hinauf zu ſteigen
begann. „Nun ſeht mir doch den wunderlichen
Kauz,“ rief der Onkel, indem wir dem Alten
nachſchritten. Es ging fort durch lange hochgewoͤlbte
Corridore, Franzens flackerndes Licht warf einen
wunderlichen Schein in die dicke Finſterniß. Saͤu¬
len, Capitaͤler und bunte Bogen zeigten ſich oft wie
in den Luͤften ſchwebend, rieſengroß ſchritten unſere
Schatten neben uns her und die ſeltſamen Gebilde
an den Waͤnden, uͤber die ſie wegſchluͤpften, ſchie¬
nen zu zittern und zu ſchwanken, und ihre Stim¬
men wiſperten in den droͤhnenden Nachhall unſerer
Tritte hinein: Weckt uns nicht, weckt uns nicht,
uns tolles Zaubervolk, das hier in den alten Stei¬
nen ſchlaͤft! — Endlich oͤffnete Franz, nachdem
wir eine Reihe kalter, finſtrer Gemaͤcher durchgan¬
gen, einen Saal, in dem ein hellaufloderndes Ka¬
minfeuer uns mit ſeinem luſtigen Kniſtern wie mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0096" n="88"/>
irgend einen Saal im Hauptgeba&#x0364;ude &#x017F;chnell einrich¬<lb/>
ten zum Gerichtstage?&#x201C; &#x201E;Die&#x017F;es i&#x017F;t auch bereits<lb/>
Alles ge&#x017F;chehen,&#x201C; &#x017F;prach der Alte, indem er freund¬<lb/>
lich nach der Treppe wies und &#x017F;ofort hinauf zu &#x017F;teigen<lb/>
begann. &#x201E;Nun &#x017F;eht mir doch den wunderlichen<lb/>
Kauz,&#x201C; rief der Onkel, indem wir dem Alten<lb/>
nach&#x017F;chritten. Es ging fort durch lange hochgewo&#x0364;lbte<lb/>
Corridore, Franzens flackerndes Licht warf einen<lb/>
wunderlichen Schein in die dicke Fin&#x017F;terniß. Sa&#x0364;<lb/>
len, Capita&#x0364;ler und bunte Bogen zeigten &#x017F;ich oft wie<lb/>
in den Lu&#x0364;ften &#x017F;chwebend, rie&#x017F;engroß &#x017F;chritten un&#x017F;ere<lb/>
Schatten neben uns her und die &#x017F;elt&#x017F;amen Gebilde<lb/>
an den Wa&#x0364;nden, u&#x0364;ber die &#x017F;ie weg&#x017F;chlu&#x0364;pften, &#x017F;chie¬<lb/>
nen zu zittern und zu &#x017F;chwanken, und ihre Stim¬<lb/>
men wi&#x017F;perten in den dro&#x0364;hnenden Nachhall un&#x017F;erer<lb/>
Tritte hinein: Weckt uns nicht, weckt uns nicht,<lb/>
uns tolles Zaubervolk, das hier in den alten Stei¬<lb/>
nen &#x017F;chla&#x0364;ft! &#x2014; Endlich o&#x0364;ffnete Franz, nachdem<lb/>
wir eine Reihe kalter, fin&#x017F;trer Gema&#x0364;cher durchgan¬<lb/>
gen, einen Saal, in dem ein hellaufloderndes Ka¬<lb/>
minfeuer uns mit &#x017F;einem lu&#x017F;tigen Kni&#x017F;tern wie mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0096] irgend einen Saal im Hauptgebaͤude ſchnell einrich¬ ten zum Gerichtstage?“ „Dieſes iſt auch bereits Alles geſchehen,“ ſprach der Alte, indem er freund¬ lich nach der Treppe wies und ſofort hinauf zu ſteigen begann. „Nun ſeht mir doch den wunderlichen Kauz,“ rief der Onkel, indem wir dem Alten nachſchritten. Es ging fort durch lange hochgewoͤlbte Corridore, Franzens flackerndes Licht warf einen wunderlichen Schein in die dicke Finſterniß. Saͤu¬ len, Capitaͤler und bunte Bogen zeigten ſich oft wie in den Luͤften ſchwebend, rieſengroß ſchritten unſere Schatten neben uns her und die ſeltſamen Gebilde an den Waͤnden, uͤber die ſie wegſchluͤpften, ſchie¬ nen zu zittern und zu ſchwanken, und ihre Stim¬ men wiſperten in den droͤhnenden Nachhall unſerer Tritte hinein: Weckt uns nicht, weckt uns nicht, uns tolles Zaubervolk, das hier in den alten Stei¬ nen ſchlaͤft! — Endlich oͤffnete Franz, nachdem wir eine Reihe kalter, finſtrer Gemaͤcher durchgan¬ gen, einen Saal, in dem ein hellaufloderndes Ka¬ minfeuer uns mit ſeinem luſtigen Kniſtern wie mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/96
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/96>, abgerufen am 21.11.2024.