Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.
Auff die verzweiffelung kam schmertz und ungedult/ Und sprach: gesetzet auch/ daß dich der himmel liebet/ Daß du wie Hiob nicht die ruthen hast verschuldt/ Daß dir der glaube trost/ das ende hoffnung giebet: Wie aber wilstu wohl die grosse last bestehn? Dein elend kan vielleicht noch 50. jahre währen: Inzwischen must du dich gleich wie ein wurm verzehren/ Und täglich seuffzend auff- und weinend niedergehn. Drum segne GOtt und stirb! denn solche schwulst und beulen Muß wie den kalten brand/ nur stahl und messer heilen. So schwatzte fleisch und blut; jedoch ihr treuer geist Rieff allemahl zugleich: Schweig! liebe Leonore: Denn wer im leben hier die strasse Sodoms reist/ Trifft selten/ wenn er stirbt/ den weg zu Salems thore. Ein iedes element/ der himmel und die welt/ Sind ihrer ordnung nach mit der natur zu frieden. Der blinde mensch allein will neue lehren schmieden/ Und tadelt/ was ihm GOtt zur regel fürgestellt. Bald ist ihm sonnenschein/ bald schnee und wind zu wider/ Bald wirfft ihn seine pracht/ bald der verlust danieder. Ach aber! fuhr er fort/ ihr klagt/ und wisset nicht/ Verkehrte sterblichen/ was eurer wohlfahrt dienet: Die beste salbe wird von schlangen zugericht/ Und keine rebe nutzt/ die ohne thränen grünet. So muß ein frommer auch durch sorgen und durch pein/ Wie rostiges metall/ im feuer sich verklären: Beym glücke muß er nichts als zweiffel nur gebähren/ Im creutze voller trost und voller hoffnung seyn. Denn einen Moses kan nicht sturm und welle schwächen/ Ein Eli seinen halß auch auff dem stuhle brechen. Durch dieses ward ihr hertz so wie ein mandel-baum Von thau und warmer lufft mit neuer krafft erfüllet: Drum hielt sie schmertz und leid vor einen blossen traum/ Der/ wenn die nacht vergeht/ auch allen kummer stillet; Doch
Auff die verzweiffelung kam ſchmertz und ungedult/ Und ſprach: geſetzet auch/ daß dich der himmel liebet/ Daß du wie Hiob nicht die ruthen haſt verſchuldt/ Daß dir der glaube troſt/ das ende hoffnung giebet: Wie aber wilſtu wohl die groſſe laſt beſtehn? Dein elend kan vielleicht noch 50. jahre waͤhren: Inzwiſchen muſt du dich gleich wie ein wurm verzehren/ Und taͤglich ſeuffzend auff- und weinend niedergehn. Drum ſegne GOtt und ſtirb! denn ſolche ſchwulſt und beulen Muß wie den kalten brand/ nur ſtahl und meſſer heilen. So ſchwatzte fleiſch und blut; jedoch ihr treuer geiſt Rieff allemahl zugleich: Schweig! liebe Leonore: Denn wer im leben hier die ſtraſſe Sodoms reiſt/ Trifft ſelten/ wenn er ſtirbt/ den weg zu Salems thore. Ein iedes element/ der himmel und die welt/ Sind ihrer ordnung nach mit der natur zu frieden. Der blinde menſch allein will neue lehren ſchmieden/ Und tadelt/ was ihm GOtt zur regel fuͤrgeſtellt. Bald iſt ihm ſonnenſchein/ bald ſchnee und wind zu wider/ Bald wirfft ihn ſeine pracht/ bald der verluſt danieder. Ach aber! fuhr er fort/ ihr klagt/ und wiſſet nicht/ Verkehrte ſterblichen/ was eurer wohlfahrt dienet: Die beſte ſalbe wird von ſchlangen zugericht/ Und keine rebe nutzt/ die ohne thraͤnen gruͤnet. So muß ein frommer auch durch ſorgen und durch pein/ Wie roſtiges metall/ im feuer ſich verklaͤren: Beym gluͤcke muß er nichts als zweiffel nur gebaͤhren/ Im creutze voller troſt und voller hoffnung ſeyn. Denn einen Moſes kan nicht ſturm und welle ſchwaͤchen/ Ein Eli ſeinen halß auch auff dem ſtuhle brechen. Durch dieſes ward ihr hertz ſo wie ein mandel-baum Von thau und warmer lufft mit neuer krafft erfuͤllet: Drum hielt ſie ſchmertz und leid vor einen bloſſen traum/ Der/ wenn die nacht vergeht/ auch allen kummer ſtillet; Doch
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Begraͤbniß-Gedichte.
Denn GOtt erhoͤrte ja die ſeinen in der noth/
Er truge ſelber ſie wie kinder auff den haͤnden:
Das gute wuͤſt’ er zu-das uͤbel abzuwenden/
Und keiner fiele hier durch ſuͤnden in den todt/
Den nicht ſein ſtrenger zorn/ eh noch die that geſchehen/
Schon haͤtte laͤngſt vorher zur hoͤllen auserſehen.
Auff die verzweiffelung kam ſchmertz und ungedult/
Und ſprach: geſetzet auch/ daß dich der himmel liebet/
Daß du wie Hiob nicht die ruthen haſt verſchuldt/
Daß dir der glaube troſt/ das ende hoffnung giebet:
Wie aber wilſtu wohl die groſſe laſt beſtehn?
Dein elend kan vielleicht noch 50. jahre waͤhren:
Inzwiſchen muſt du dich gleich wie ein wurm verzehren/
Und taͤglich ſeuffzend auff- und weinend niedergehn.
Drum ſegne GOtt und ſtirb! denn ſolche ſchwulſt und beulen
Muß wie den kalten brand/ nur ſtahl und meſſer heilen.
So ſchwatzte fleiſch und blut; jedoch ihr treuer geiſt
Rieff allemahl zugleich: Schweig! liebe Leonore:
Denn wer im leben hier die ſtraſſe Sodoms reiſt/
Trifft ſelten/ wenn er ſtirbt/ den weg zu Salems thore.
Ein iedes element/ der himmel und die welt/
Sind ihrer ordnung nach mit der natur zu frieden.
Der blinde menſch allein will neue lehren ſchmieden/
Und tadelt/ was ihm GOtt zur regel fuͤrgeſtellt.
Bald iſt ihm ſonnenſchein/ bald ſchnee und wind zu wider/
Bald wirfft ihn ſeine pracht/ bald der verluſt danieder.
Ach aber! fuhr er fort/ ihr klagt/ und wiſſet nicht/
Verkehrte ſterblichen/ was eurer wohlfahrt dienet:
Die beſte ſalbe wird von ſchlangen zugericht/
Und keine rebe nutzt/ die ohne thraͤnen gruͤnet.
So muß ein frommer auch durch ſorgen und durch pein/
Wie roſtiges metall/ im feuer ſich verklaͤren:
Beym gluͤcke muß er nichts als zweiffel nur gebaͤhren/
Im creutze voller troſt und voller hoffnung ſeyn.
Denn einen Moſes kan nicht ſturm und welle ſchwaͤchen/
Ein Eli ſeinen halß auch auff dem ſtuhle brechen.
Durch dieſes ward ihr hertz ſo wie ein mandel-baum
Von thau und warmer lufft mit neuer krafft erfuͤllet:
Drum hielt ſie ſchmertz und leid vor einen bloſſen traum/
Der/ wenn die nacht vergeht/ auch allen kummer ſtillet;
Doch
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