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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Begräbniß-Gedichte.
Die unter dem namen der Sylvia
verstorbene und beklagte Jungfer
Schultzin.
DIe muntre Sylvia/ ein spiegel seltner tugend/
Ein auszug der natur/ und bildniß frischer jugend/
Die noch vor kurtzer zeit in unsrer Nymphen schaar
Ein prächtiger begriff der schönsten anmuth war.
Ach unsre Sylvia! die wir zu früh vermissen/
Wird durch des todes arm ins kalte grab gerissen/
Und die/ als sonne/ sich erst auffzuklären schien/
Muß ihrer strahlen gold schon unter wolcken ziehn.
Sie stirbet: aber wie? im morgen ihrer jahre;
Ihr braut-bett wird verkehrt in eine todten-bahre/
Die krone wandelt sich in einen leichen-krantz/
Das zimmer in den sarg; der hochzeitliche glantz
In eine dunckle nacht; der schmuck in sterbekittel/
Das frohe lust-geschrey in lauter klage-tittel;
Das lachen in ein ach/ das jauchzen in geheul/
Und bey gemeiner noth trägt iederman sein theil.
Verworffener aprill! du anfang unsrer plage!
Dein erster wird/ o leid! zum letzten ihrer tage;
Dein schein/ der sonsten nichts denn unbestand verspricht/
Scheint bloß nur wider uns und unsre lust gericht.
Du bist derselben itzt ein frecher stöhrer worden/
Und wilt/ was uns ergetzt/ in Sylvien ermorden.
Du nimmst den sonntag noch dir zum gehülffen ein/
Und dieser muß zu nechst beym schwartzen sonntag seyn/
Der doch mit besserm recht ein schwartzer tag zu nennen;
Denn ieder kan ihn ja an seiner würckung kennen/
Er ist es/ der uns itzt ein schwartzes leid gebiehrt/
Der unsern sonnenschein zum schwartzen grabe führt.
Der durch sein schwartzes bild uns allenthalben schrecket/
Und so viel klagende in schwartzen flohr verstecket.
Man sagt/ die sonne selbst hab ihr erblaßt gesicht
Denselben tag verhüllt/ und sey vor kummer nicht/
Da unsre sonn entwich/ aus ihrer kammer kommen/
Und Flora/ da sie hat die trauer-post vernommen/
Daß
K 2
Begraͤbniß-Gedichte.
Die unter dem namen der Sylvia
verſtorbene und beklagte Jungfer
Schultzin.
DIe muntre Sylvia/ ein ſpiegel ſeltner tugend/
Ein auszug der natur/ und bildniß friſcher jugend/
Die noch vor kurtzer zeit in unſrer Nymphen ſchaar
Ein praͤchtiger begriff der ſchoͤnſten anmuth war.
Ach unſre Sylvia! die wir zu fruͤh vermiſſen/
Wird durch des todes arm ins kalte grab geriſſen/
Und die/ als ſonne/ ſich erſt auffzuklaͤren ſchien/
Muß ihrer ſtrahlen gold ſchon unter wolcken ziehn.
Sie ſtirbet: aber wie? im morgen ihrer jahre;
Ihr braut-bett wird verkehrt in eine todten-bahre/
Die krone wandelt ſich in einen leichen-krantz/
Das zimmer in den ſarg; der hochzeitliche glantz
In eine dunckle nacht; der ſchmuck in ſterbekittel/
Das frohe luſt-geſchrey in lauter klage-tittel;
Das lachen in ein ach/ das jauchzen in geheul/
Und bey gemeiner noth traͤgt iederman ſein theil.
Verworffener aprill! du anfang unſrer plage!
Dein erſter wird/ o leid! zum letzten ihrer tage;
Dein ſchein/ der ſonſten nichts denn unbeſtand verſpricht/
Scheint bloß nur wider uns und unſre luſt gericht.
Du biſt derſelben itzt ein frecher ſtoͤhrer worden/
Und wilt/ was uns ergetzt/ in Sylvien ermorden.
Du nimmſt den ſonntag noch dir zum gehuͤlffen ein/
Und dieſer muß zu nechſt beym ſchwartzen ſonntag ſeyn/
Der doch mit beſſerm recht ein ſchwartzer tag zu nennen;
Denn ieder kan ihn ja an ſeiner wuͤrckung kennen/
Er iſt es/ der uns itzt ein ſchwartzes leid gebiehrt/
Der unſern ſonnenſchein zum ſchwartzen grabe fuͤhrt.
Der durch ſein ſchwartzes bild uns allenthalben ſchrecket/
Und ſo viel klagende in ſchwartzen flohr verſtecket.
Man ſagt/ die ſonne ſelbſt hab ihr erblaßt geſicht
Denſelben tag verhuͤllt/ und ſey vor kummer nicht/
Da unſre ſonn entwich/ aus ihrer kammer kommen/
Und Flora/ da ſie hat die trauer-poſt vernommen/
Daß
K 2
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[147/0191] Begraͤbniß-Gedichte. Die unter dem namen der Sylvia verſtorbene und beklagte Jungfer Schultzin. C. E. DIe muntre Sylvia/ ein ſpiegel ſeltner tugend/ Ein auszug der natur/ und bildniß friſcher jugend/ Die noch vor kurtzer zeit in unſrer Nymphen ſchaar Ein praͤchtiger begriff der ſchoͤnſten anmuth war. Ach unſre Sylvia! die wir zu fruͤh vermiſſen/ Wird durch des todes arm ins kalte grab geriſſen/ Und die/ als ſonne/ ſich erſt auffzuklaͤren ſchien/ Muß ihrer ſtrahlen gold ſchon unter wolcken ziehn. Sie ſtirbet: aber wie? im morgen ihrer jahre; Ihr braut-bett wird verkehrt in eine todten-bahre/ Die krone wandelt ſich in einen leichen-krantz/ Das zimmer in den ſarg; der hochzeitliche glantz In eine dunckle nacht; der ſchmuck in ſterbekittel/ Das frohe luſt-geſchrey in lauter klage-tittel; Das lachen in ein ach/ das jauchzen in geheul/ Und bey gemeiner noth traͤgt iederman ſein theil. Verworffener aprill! du anfang unſrer plage! Dein erſter wird/ o leid! zum letzten ihrer tage; Dein ſchein/ der ſonſten nichts denn unbeſtand verſpricht/ Scheint bloß nur wider uns und unſre luſt gericht. Du biſt derſelben itzt ein frecher ſtoͤhrer worden/ Und wilt/ was uns ergetzt/ in Sylvien ermorden. Du nimmſt den ſonntag noch dir zum gehuͤlffen ein/ Und dieſer muß zu nechſt beym ſchwartzen ſonntag ſeyn/ Der doch mit beſſerm recht ein ſchwartzer tag zu nennen; Denn ieder kan ihn ja an ſeiner wuͤrckung kennen/ Er iſt es/ der uns itzt ein ſchwartzes leid gebiehrt/ Der unſern ſonnenſchein zum ſchwartzen grabe fuͤhrt. Der durch ſein ſchwartzes bild uns allenthalben ſchrecket/ Und ſo viel klagende in ſchwartzen flohr verſtecket. Man ſagt/ die ſonne ſelbſt hab ihr erblaßt geſicht Denſelben tag verhuͤllt/ und ſey vor kummer nicht/ Da unſre ſonn entwich/ aus ihrer kammer kommen/ Und Flora/ da ſie hat die trauer-poſt vernommen/ Daß K 2

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/191>, abgerufen am 18.05.2024.