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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Begräbniß-Gedichte.
Und also dißfalls auch wie eichen sich bezeigt;
Die zwar ihr hohes haupt zum himmel auffwärts strecken/
An wurtzeln aber auch gleich tieff im grunde stecken/
Zur lehre: daß der ruhm schon von sich selber steigt/
Und ein bescheidner bloß mit nutz-erfüllten schalen/
Gleich wie ihr gipffel soll mit lauter früchten pralen.

Die klugen zehlen sonst zu wundern der natur
Auch dieses: daß ihr stamm kan keinen ölbaum leiden.
Wer weiß nicht/ wie sein geist auff der gesetzten spur/
Das oele falscher welt hat wissen zu vermeiden?
Wenn er auff erden schon den grossen GOtt beschaut/
Und durch des glaubens-krafft den sünden obgelegen?
Drum ward er lebenslang vom himmel auch mit segen/
Als wie ein eichen-baum mit honig überthaut/
Und ließ die blöden offt aus seinen augen lesen:
Daß er bey sorgen auch stets gutesmuths gewesen.
Itzt hat der blasse tod sein urthel abgefaßt/
Und läßt das trauer-lied in unsern ohren schallen/
Was jener Spanier auff einen eichen-ast
Zum sinnenbilde schrieb: Nun ist er auch gefallen.
Doch nur der meynung nach; denn kunst und wissenschafft/
Schnitzt form und bilder erst aus umgefällten eichen;
So kan auch unser geist erst GOttes bilde gleichen/
Wenn er sich von der welt zum himmel auffgerafft;
Der leib muß aber so/ wie eicheln in der erden
Zum stamme/ mit der zeit zum menschen wieder werden.
Was preßt/ betrübteste/ denn eure seuffzer aus?
Ein baum/ der lange zeit mit ruhme frucht gegeben/
Und schon/ dem wesen nach/ im himmel wie ein haus
Von eichen-holtze/ fängt vom neuen an zu leben?
Fürwar/ sein glücke braucht itzt eure klagen nicht;
Drum auff/ und streicht das saltz der thränen von den wangen!
Denn ist euch allen gleich ein vater untergangen/
So glaubt/ daß dennoch auch sein tod diß urtheil spricht:
Daß/ wer hier trauren will/ muß eichen-bäumen gleichen/
Und mehr dem kummer nicht/ als diese plitzen weichen.
Der

Begraͤbniß-Gedichte.
Und alſo dißfalls auch wie eichen ſich bezeigt;
Die zwar ihr hohes haupt zum himmel auffwaͤrts ſtrecken/
An wurtzeln aber auch gleich tieff im grunde ſtecken/
Zur lehre: daß der ruhm ſchon von ſich ſelber ſteigt/
Und ein beſcheidner bloß mit nutz-erfuͤllten ſchalen/
Gleich wie ihr gipffel ſoll mit lauter fruͤchten pralen.

Die klugen zehlen ſonſt zu wundern der natur
Auch dieſes: daß ihr ſtamm kan keinen oͤlbaum leiden.
Wer weiß nicht/ wie ſein geiſt auff der geſetzten ſpur/
Das oele falſcher welt hat wiſſen zu vermeiden?
Wenn er auff erden ſchon den groſſen GOtt beſchaut/
Und durch des glaubens-krafft den ſuͤnden obgelegen?
Drum ward er lebenslang vom himmel auch mit ſegen/
Als wie ein eichen-baum mit honig uͤberthaut/
Und ließ die bloͤden offt aus ſeinen augen leſen:
Daß er bey ſorgen auch ſtets gutesmuths geweſen.
Itzt hat der blaſſe tod ſein urthel abgefaßt/
Und laͤßt das trauer-lied in unſern ohren ſchallen/
Was jener Spanier auff einen eichen-aſt
Zum ſinnenbilde ſchrieb: Nun iſt er auch gefallen.
Doch nur der meynung nach; denn kunſt und wiſſenſchafft/
Schnitzt form und bilder erſt aus umgefaͤllten eichen;
So kan auch unſer geiſt erſt GOttes bilde gleichen/
Wenn er ſich von der welt zum himmel auffgerafft;
Der leib muß aber ſo/ wie eicheln in der erden
Zum ſtamme/ mit der zeit zum menſchen wieder werden.
Was preßt/ betruͤbteſte/ denn eure ſeuffzer aus?
Ein baum/ der lange zeit mit ruhme frucht gegeben/
Und ſchon/ dem weſen nach/ im himmel wie ein haus
Von eichen-holtze/ faͤngt vom neuen an zu leben?
Fuͤrwar/ ſein gluͤcke braucht itzt eure klagen nicht;
Drum auff/ und ſtreicht das ſaltz der thraͤnen von den wangen!
Denn iſt euch allen gleich ein vater untergangen/
So glaubt/ daß dennoch auch ſein tod diß urtheil ſpricht:
Daß/ wer hier trauren will/ muß eichen-baͤumen gleichen/
Und mehr dem kummer nicht/ als dieſe plitzen weichen.
Der
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[152/0196] Begraͤbniß-Gedichte. Und alſo dißfalls auch wie eichen ſich bezeigt; Die zwar ihr hohes haupt zum himmel auffwaͤrts ſtrecken/ An wurtzeln aber auch gleich tieff im grunde ſtecken/ Zur lehre: daß der ruhm ſchon von ſich ſelber ſteigt/ Und ein beſcheidner bloß mit nutz-erfuͤllten ſchalen/ Gleich wie ihr gipffel ſoll mit lauter fruͤchten pralen. Die klugen zehlen ſonſt zu wundern der natur Auch dieſes: daß ihr ſtamm kan keinen oͤlbaum leiden. Wer weiß nicht/ wie ſein geiſt auff der geſetzten ſpur/ Das oele falſcher welt hat wiſſen zu vermeiden? Wenn er auff erden ſchon den groſſen GOtt beſchaut/ Und durch des glaubens-krafft den ſuͤnden obgelegen? Drum ward er lebenslang vom himmel auch mit ſegen/ Als wie ein eichen-baum mit honig uͤberthaut/ Und ließ die bloͤden offt aus ſeinen augen leſen: Daß er bey ſorgen auch ſtets gutesmuths geweſen. Itzt hat der blaſſe tod ſein urthel abgefaßt/ Und laͤßt das trauer-lied in unſern ohren ſchallen/ Was jener Spanier auff einen eichen-aſt Zum ſinnenbilde ſchrieb: Nun iſt er auch gefallen. Doch nur der meynung nach; denn kunſt und wiſſenſchafft/ Schnitzt form und bilder erſt aus umgefaͤllten eichen; So kan auch unſer geiſt erſt GOttes bilde gleichen/ Wenn er ſich von der welt zum himmel auffgerafft; Der leib muß aber ſo/ wie eicheln in der erden Zum ſtamme/ mit der zeit zum menſchen wieder werden. Was preßt/ betruͤbteſte/ denn eure ſeuffzer aus? Ein baum/ der lange zeit mit ruhme frucht gegeben/ Und ſchon/ dem weſen nach/ im himmel wie ein haus Von eichen-holtze/ faͤngt vom neuen an zu leben? Fuͤrwar/ ſein gluͤcke braucht itzt eure klagen nicht; Drum auff/ und ſtreicht das ſaltz der thraͤnen von den wangen! Denn iſt euch allen gleich ein vater untergangen/ So glaubt/ daß dennoch auch ſein tod diß urtheil ſpricht: Daß/ wer hier trauren will/ muß eichen-baͤumen gleichen/ Und mehr dem kummer nicht/ als dieſe plitzen weichen. Der

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/196>, abgerufen am 18.12.2024.