Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

Bild:
<< vorherige Seite
Begräbniß-Gedichte.
Und warlich! dieses ist der seelen kieselstein/
Aus dem das helle feur des wahren glaubens springet.
Denn wer in Canaan nach milch und honig ringet/
Muß in Egyptenland vor knecht und sclave seyn.
Corall und perle wächst im saltze tieffer wellen;
Die schönste rose saugt aus nesseln lebens-krafft/
Das beste gummi kan nicht ohne winde qvellen;
So muß nun auch ein geist/ der an dem himmel hafft/
Wie zucker auff der glut/ wie blumen in der erden/
Und Athanasius im creutze kräfftig werden.
Der himmels-liebe kind/ ist die barmhertzigkeit;
Die schwester der gedult den nechsten recht zu lieben;
Und wie Pythagoras sich nur im schweigen üben/
Wenn neid und eifer gifft wie drachen auff uns speyt.
Hier aber müsten mir die federn ströme giessen/
Und dennoch riß ich kaum recht unsern todten ab/
Wie er vor wermuths-safft ließ mußcateller fliessen/
Der gütter zehnden theil den armen leuten gab;
Und doch so wenig ist ein kind des elends-orden/
Als sein vergnügtes hertz zum Phariseer worden.
Die andre schaale/ die der selige geführt/
War sein mit glut und feur erfülletes gewissen:
Denn priestern wird so leicht von sünden/ als narcissen
Und lilgen/ fleck und koth von fliegen angeschmiert.
Drum hat er auch niemals vor engel sich gepriesen/
Er fühlte/ wie ein mensch/ auch angst und seelen-pein/
Und hat der sichern welt mit thränen offt gewiesen:
Wer dorten nicht ein knecht der höllen wolte seyn/
Der müste hier durch reu vor GOttes zorn-gewittern/
So wie Caligula vor plitz und donner zittern.
Sein drittes sinnen-bild war endlich asch und grab/
Die schaale/ die sie trug/ sein festgesetzter glaube.
Wie manchem Nero wird das hertze hier zu staube!
Wie manchem Hannibal fällt schild und harnisch ab!
Er aber ließ uns offt aus seiner andacht lernen:
Daß rühmlich leben nichts/ als täglich sterben sey.
Der todt/ der fügte nur so wie cometen-sternen/
Den frommen furcht und angst/ nicht aber schaden bey;
Und könte Christen ja so wenig bitter schmecken/
Als mandeln/ weil sie nur in harten schalen stecken.
Und
Begraͤbniß-Gedichte.
Und warlich! dieſes iſt der ſeelen kieſelſtein/
Aus dem das helle feur des wahren glaubens ſpringet.
Denn wer in Canaan nach milch und honig ringet/
Muß in Egyptenland vor knecht und ſclave ſeyn.
Corall und perle waͤchſt im ſaltze tieffer wellen;
Die ſchoͤnſte roſe ſaugt aus neſſeln lebens-krafft/
Das beſte gummi kan nicht ohne winde qvellen;
So muß nun auch ein geiſt/ der an dem himmel hafft/
Wie zucker auff der glut/ wie blumen in der erden/
Und Athanaſius im creutze kraͤfftig werden.
Der himmels-liebe kind/ iſt die barmhertzigkeit;
Die ſchweſter der gedult den nechſten recht zu lieben;
Und wie Pythagoras ſich nur im ſchweigen uͤben/
Wenn neid und eifer gifft wie drachen auff uns ſpeyt.
Hier aber muͤſten mir die federn ſtroͤme gieſſen/
Und dennoch riß ich kaum recht unſern todten ab/
Wie er vor wermuths-ſafft ließ mußcateller flieſſen/
Der guͤtter zehnden theil den armen leuten gab;
Und doch ſo wenig iſt ein kind des elends-orden/
Als ſein vergnuͤgtes hertz zum Phariſeer worden.
Die andre ſchaale/ die der ſelige gefuͤhrt/
War ſein mit glut und feur erfuͤlletes gewiſſen:
Denn prieſtern wird ſo leicht von ſuͤnden/ als narciſſen
Und lilgen/ fleck und koth von fliegen angeſchmiert.
Drum hat er auch niemals vor engel ſich geprieſen/
Er fuͤhlte/ wie ein menſch/ auch angſt und ſeelen-pein/
Und hat der ſichern welt mit thraͤnen offt gewieſen:
Wer dorten nicht ein knecht der hoͤllen wolte ſeyn/
Der muͤſte hier durch reu vor GOttes zorn-gewittern/
So wie Caligula vor plitz und donner zittern.
Sein drittes ſinnen-bild war endlich aſch und grab/
Die ſchaale/ die ſie trug/ ſein feſtgeſetzter glaube.
Wie manchem Nero wird das hertze hier zu ſtaube!
Wie manchem Hannibal faͤllt ſchild und harniſch ab!
Er aber ließ uns offt aus ſeiner andacht lernen:
Daß ruͤhmlich leben nichts/ als taͤglich ſterben ſey.
Der todt/ der fuͤgte nur ſo wie cometen-ſternen/
Den frommen furcht und angſt/ nicht aber ſchaden bey;
Und koͤnte Chriſten ja ſo wenig bitter ſchmecken/
Als mandeln/ weil ſie nur in harten ſchalen ſtecken.
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0201" n="157"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Begra&#x0364;bniß-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="16">
            <l>Und warlich! die&#x017F;es i&#x017F;t der &#x017F;eelen kie&#x017F;el&#x017F;tein/</l><lb/>
            <l>Aus dem das helle feur des wahren glaubens &#x017F;pringet.</l><lb/>
            <l>Denn wer in Canaan nach milch und honig ringet/</l><lb/>
            <l>Muß in Egyptenland vor knecht und &#x017F;clave &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Corall und perle wa&#x0364;ch&#x017F;t im &#x017F;altze tieffer wellen;</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te ro&#x017F;e &#x017F;augt aus ne&#x017F;&#x017F;eln lebens-krafft/</l><lb/>
            <l>Das be&#x017F;te gummi kan nicht ohne winde qvellen;</l><lb/>
            <l>So muß nun auch ein gei&#x017F;t/ der an dem himmel hafft/</l><lb/>
            <l>Wie zucker auff der glut/ wie blumen in der erden/</l><lb/>
            <l>Und Athana&#x017F;ius im creutze kra&#x0364;fftig werden.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="17">
            <l>Der himmels-liebe kind/ i&#x017F;t die barmhertzigkeit;</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;chwe&#x017F;ter der gedult den nech&#x017F;ten recht zu lieben;</l><lb/>
            <l>Und wie Pythagoras &#x017F;ich nur im &#x017F;chweigen u&#x0364;ben/</l><lb/>
            <l>Wenn neid und eifer gifft wie drachen auff uns &#x017F;peyt.</l><lb/>
            <l>Hier aber mu&#x0364;&#x017F;ten mir die federn &#x017F;tro&#x0364;me gie&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
            <l>Und dennoch riß ich kaum recht un&#x017F;ern todten ab/</l><lb/>
            <l>Wie er vor wermuths-&#x017F;afft ließ mußcateller flie&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
            <l>Der gu&#x0364;tter zehnden theil den armen leuten gab;</l><lb/>
            <l>Und doch &#x017F;o wenig i&#x017F;t ein kind des elends-orden/</l><lb/>
            <l>Als &#x017F;ein vergnu&#x0364;gtes hertz zum Phari&#x017F;eer worden.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="18">
            <l>Die andre &#x017F;chaale/ die der &#x017F;elige gefu&#x0364;hrt/</l><lb/>
            <l>War &#x017F;ein mit glut und feur erfu&#x0364;lletes gewi&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
            <l>Denn prie&#x017F;tern wird &#x017F;o leicht von &#x017F;u&#x0364;nden/ als narci&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Und lilgen/ fleck und koth von fliegen ange&#x017F;chmiert.</l><lb/>
            <l>Drum hat er auch niemals vor engel &#x017F;ich geprie&#x017F;en/</l><lb/>
            <l>Er fu&#x0364;hlte/ wie ein men&#x017F;ch/ auch ang&#x017F;t und &#x017F;eelen-pein/</l><lb/>
            <l>Und hat der &#x017F;ichern welt mit thra&#x0364;nen offt gewie&#x017F;en:</l><lb/>
            <l>Wer dorten nicht ein knecht der ho&#x0364;llen wolte &#x017F;eyn/</l><lb/>
            <l>Der mu&#x0364;&#x017F;te hier durch reu vor GOttes zorn-gewittern/</l><lb/>
            <l>So wie Caligula vor plitz und donner zittern.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="19">
            <l>Sein drittes &#x017F;innen-bild war endlich a&#x017F;ch und grab/</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;chaale/ die &#x017F;ie trug/ &#x017F;ein fe&#x017F;tge&#x017F;etzter glaube.</l><lb/>
            <l>Wie manchem Nero wird das hertze hier zu &#x017F;taube!</l><lb/>
            <l>Wie manchem Hannibal fa&#x0364;llt &#x017F;child und harni&#x017F;ch ab!</l><lb/>
            <l>Er aber ließ uns offt aus &#x017F;einer andacht lernen:</l><lb/>
            <l>Daß ru&#x0364;hmlich leben nichts/ als ta&#x0364;glich &#x017F;terben &#x017F;ey.</l><lb/>
            <l>Der todt/ der fu&#x0364;gte nur &#x017F;o wie cometen-&#x017F;ternen/</l><lb/>
            <l>Den frommen furcht und ang&#x017F;t/ nicht aber &#x017F;chaden bey;</l><lb/>
            <l>Und ko&#x0364;nte Chri&#x017F;ten ja &#x017F;o wenig bitter &#x017F;chmecken/</l><lb/>
            <l>Als mandeln/ weil &#x017F;ie nur in harten &#x017F;chalen &#x017F;tecken.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0201] Begraͤbniß-Gedichte. Und warlich! dieſes iſt der ſeelen kieſelſtein/ Aus dem das helle feur des wahren glaubens ſpringet. Denn wer in Canaan nach milch und honig ringet/ Muß in Egyptenland vor knecht und ſclave ſeyn. Corall und perle waͤchſt im ſaltze tieffer wellen; Die ſchoͤnſte roſe ſaugt aus neſſeln lebens-krafft/ Das beſte gummi kan nicht ohne winde qvellen; So muß nun auch ein geiſt/ der an dem himmel hafft/ Wie zucker auff der glut/ wie blumen in der erden/ Und Athanaſius im creutze kraͤfftig werden. Der himmels-liebe kind/ iſt die barmhertzigkeit; Die ſchweſter der gedult den nechſten recht zu lieben; Und wie Pythagoras ſich nur im ſchweigen uͤben/ Wenn neid und eifer gifft wie drachen auff uns ſpeyt. Hier aber muͤſten mir die federn ſtroͤme gieſſen/ Und dennoch riß ich kaum recht unſern todten ab/ Wie er vor wermuths-ſafft ließ mußcateller flieſſen/ Der guͤtter zehnden theil den armen leuten gab; Und doch ſo wenig iſt ein kind des elends-orden/ Als ſein vergnuͤgtes hertz zum Phariſeer worden. Die andre ſchaale/ die der ſelige gefuͤhrt/ War ſein mit glut und feur erfuͤlletes gewiſſen: Denn prieſtern wird ſo leicht von ſuͤnden/ als narciſſen Und lilgen/ fleck und koth von fliegen angeſchmiert. Drum hat er auch niemals vor engel ſich geprieſen/ Er fuͤhlte/ wie ein menſch/ auch angſt und ſeelen-pein/ Und hat der ſichern welt mit thraͤnen offt gewieſen: Wer dorten nicht ein knecht der hoͤllen wolte ſeyn/ Der muͤſte hier durch reu vor GOttes zorn-gewittern/ So wie Caligula vor plitz und donner zittern. Sein drittes ſinnen-bild war endlich aſch und grab/ Die ſchaale/ die ſie trug/ ſein feſtgeſetzter glaube. Wie manchem Nero wird das hertze hier zu ſtaube! Wie manchem Hannibal faͤllt ſchild und harniſch ab! Er aber ließ uns offt aus ſeiner andacht lernen: Daß ruͤhmlich leben nichts/ als taͤglich ſterben ſey. Der todt/ der fuͤgte nur ſo wie cometen-ſternen/ Den frommen furcht und angſt/ nicht aber ſchaden bey; Und koͤnte Chriſten ja ſo wenig bitter ſchmecken/ Als mandeln/ weil ſie nur in harten ſchalen ſtecken. Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/201
Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/201>, abgerufen am 22.11.2024.