Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

Bild:
<< vorherige Seite

Vermischte Gedichte.
Ich bitte durch den brand der meine seele plagt/
Durch jene demmerung die um dein auge tagt/
Durch deine tulpen-schooß/ durch deine nelcken-brüste/
Durch die von beyden mir noch unbekandten lüste/
Durch deine schöne hand die mich itzt von sich stöst?
Was hab ich denn verwürckt/ daß zephyr dich entblößt?
Daß ich es mit beschaut/ was dessen hauch verüb[et]/
Daß ich es angerührt/ was erd und himmel liebet/
Was selbst der Götter mund begierig hat geküst/
Und was der inbegriff von deiner schönheit ist.
Es ist ja deine schooß der auszug aller zierde/
Der enge sammel-platz der schmeichlenden begierde/
Der rund/ wo die natur zusammen hat gedrängt/
Was sich nur reitzendes den gliedern eingemengt.
Hier ist der kleine schatz der deinen reichthum zeiget/
Der lebendige thron der alle scepter beuget/
Der süsse zauber-kreyß/ der unsern geist bestrickt/
Und des beschwehrungs-wort die felsen auch entzückt.
Ach! Cloris/ woltest du/ daß ich gewichen wäre!
Bedencke doch die schmach und deiner schönheit ehre.
Ich hätte ja die macht der liebligkeit verhöhnt/
Wenn ich nicht deine schooß mit meiner hand gekröhnt.
Kan * Phrynens blosse brust des richters zunge lähmen/
Wie soll nicht deine schooß uns unser hertze nehmen?
Wird man durch einen blick der ** Gorgonen z[um] [ste]in/
Wer kan unauffgelöst bey deiner allmacht seyn?
Wer ein gefühle hat und hier doch nicht empfindet/
Wen der gedancke nur nicht alsobald entzündet/
Wer diesem schooß-altar zu opffern nicht begehrt/
Der ist viel billiger des engen stranges wehrt.
O möchtest du einmahl/ was wir die liebe nennen/
Mehr nach den würckungen/ als nach dem nahmen kennen!
Du würdest/ für den zorn/ mir willig zugestehn.
Man könne sonder raub hier nicht zurücke gehn.

Die
* Diese Phryne stund zu Athen vor gerichte und solte verurtheilet wer-
den. Aber als ihr listiger advocat ihr den schleyer abgerissen/ und
ihre blosse brust den richtern sehen lassen/ wurden sie von ihrer
schönheit so eingenommen/ daß sie das urtheil änderten/ und die
beklagte loß sprachen.
** Diß waren drey schwestern von so entzückender schönheit/ daß sie
keiner ohne erstaunen ansehen können/ und die Poeten daher ge-
tichtet/ als wenn man gar über deren anschauen zu stein wor-
den.

Vermiſchte Gedichte.
Ich bitte durch den brand der meine ſeele plagt/
Durch jene demmerung die um dein auge tagt/
Durch deine tulpen-ſchooß/ durch deine nelcken-bruͤſte/
Durch die von beyden mir noch unbekandten luͤſte/
Durch deine ſchoͤne hand die mich itzt von ſich ſtoͤſt?
Was hab ich denn verwuͤrckt/ daß zephyr dich entbloͤßt?
Daß ich es mit beſchaut/ was deſſen hauch veruͤb[et]/
Daß ich es angeruͤhrt/ was erd und himmel liebet/
Was ſelbſt der Goͤtter mund begierig hat gekuͤſt/
Und was der inbegriff von deiner ſchoͤnheit iſt.
Es iſt ja deine ſchooß der auszug aller zierde/
Der enge ſammel-platz der ſchmeichlenden begierde/
Der rund/ wo die natur zuſammen hat gedraͤngt/
Was ſich nur reitzendes den gliedern eingemengt.
Hier iſt der kleine ſchatz der deinen reichthum zeiget/
Der lebendige thron der alle ſcepter beuget/
Der ſuͤſſe zauber-kreyß/ der unſern geiſt beſtrickt/
Und des beſchwehrungs-wort die felſen auch entzuͤckt.
Ach! Cloris/ wolteſt du/ daß ich gewichen waͤre!
Bedencke doch die ſchmach und deiner ſchoͤnheit ehre.
Ich haͤtte ja die macht der liebligkeit verhoͤhnt/
Wenn ich nicht deine ſchooß mit meiner hand gekroͤhnt.
Kan * Phrynens bloſſe bruſt des richters zunge laͤhmen/
Wie ſoll nicht deine ſchooß uns unſer hertze nehmen?
Wird man durch einen blick der ** Gorgonen z[um] [ste]in/
Wer kan unauffgeloͤſt bey deiner allmacht ſeyn?
Wer ein gefuͤhle hat und hier doch nicht empfindet/
Wen der gedancke nur nicht alſobald entzuͤndet/
Wer dieſem ſchooß-altar zu opffern nicht begehrt/
Der iſt viel billiger des engen ſtranges wehrt.
O moͤchteſt du einmahl/ was wir die liebe nennen/
Mehr nach den wuͤrckungen/ als nach dem nahmen kennen!
Du wuͤrdeſt/ fuͤr den zorn/ mir willig zugeſtehn.
Man koͤnne ſonder raub hier nicht zuruͤcke gehn.

Die
* Dieſe Phryne ſtund zu Athen vor gerichte und ſolte verurtheilet wer-
den. Aber als ihr liſtiger advocat ihr den ſchleyer abgeriſſen/ und
ihre bloſſe bruſt den richtern ſehen laſſen/ wurden ſie von ihrer
ſchoͤnheit ſo eingenommen/ daß ſie das urtheil aͤnderten/ und die
beklagte loß ſprachen.
** Diß waren drey ſchweſtern von ſo entzuͤckender ſchoͤnheit/ daß ſie
keiner ohne erſtaunen anſehen koͤnnen/ und die Poeten daher ge-
tichtet/ als wenn man gar uͤber deren anſchauen zu ſtein wor-
den.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <pb facs="#f0214" n="170"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
            <l>Ich bitte durch den brand der meine &#x017F;eele plagt/</l><lb/>
            <l>Durch jene demmerung die um dein auge tagt/</l><lb/>
            <l>Durch deine tulpen-&#x017F;chooß/ durch deine nelcken-bru&#x0364;&#x017F;te/</l><lb/>
            <l>Durch die von beyden mir noch unbekandten lu&#x0364;&#x017F;te/</l><lb/>
            <l>Durch deine &#x017F;cho&#x0364;ne hand die mich itzt von &#x017F;ich &#x017F;to&#x0364;&#x017F;t?</l><lb/>
            <l>Was hab ich denn verwu&#x0364;rckt/ daß zephyr dich entblo&#x0364;ßt?</l><lb/>
            <l>Daß ich es mit be&#x017F;chaut/ was de&#x017F;&#x017F;en hauch veru&#x0364;b<supplied>et</supplied>/</l><lb/>
            <l>Daß ich es angeru&#x0364;hrt/ was erd und himmel liebet/</l><lb/>
            <l>Was &#x017F;elb&#x017F;t der Go&#x0364;tter mund begierig hat geku&#x0364;&#x017F;t/</l><lb/>
            <l>Und was der inbegriff von deiner &#x017F;cho&#x0364;nheit i&#x017F;t.</l><lb/>
            <l>Es i&#x017F;t ja deine &#x017F;chooß der auszug aller zierde/</l><lb/>
            <l>Der enge &#x017F;ammel-platz der &#x017F;chmeichlenden begierde/</l><lb/>
            <l>Der rund/ wo die natur zu&#x017F;ammen hat gedra&#x0364;ngt/</l><lb/>
            <l>Was &#x017F;ich nur reitzendes den gliedern eingemengt.</l><lb/>
            <l>Hier i&#x017F;t der kleine &#x017F;chatz der deinen reichthum zeiget/</l><lb/>
            <l>Der lebendige thron der alle &#x017F;cepter beuget/</l><lb/>
            <l>Der &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zauber-kreyß/ der un&#x017F;ern gei&#x017F;t be&#x017F;trickt/</l><lb/>
            <l>Und des be&#x017F;chwehrungs-wort die fel&#x017F;en auch entzu&#x0364;ckt.</l><lb/>
            <l>Ach! Cloris/ wolte&#x017F;t du/ daß ich gewichen wa&#x0364;re!</l><lb/>
            <l>Bedencke doch die &#x017F;chmach und deiner &#x017F;cho&#x0364;nheit ehre.</l><lb/>
            <l>Ich ha&#x0364;tte ja die macht der liebligkeit verho&#x0364;hnt/</l><lb/>
            <l>Wenn ich nicht deine &#x017F;chooß mit meiner hand gekro&#x0364;hnt.</l><lb/>
            <l>Kan <note place="foot" n="*">Die&#x017F;e Phryne &#x017F;tund zu Athen vor gerichte und &#x017F;olte verurtheilet wer-<lb/>
den. Aber als ihr li&#x017F;tiger advocat ihr den &#x017F;chleyer abgeri&#x017F;&#x017F;en/ und<lb/>
ihre blo&#x017F;&#x017F;e bru&#x017F;t den richtern &#x017F;ehen la&#x017F;&#x017F;en/ wurden &#x017F;ie von ihrer<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nheit &#x017F;o eingenommen/ daß &#x017F;ie das urtheil a&#x0364;nderten/ und die<lb/>
beklagte loß &#x017F;prachen.</note> Phrynens blo&#x017F;&#x017F;e bru&#x017F;t des richters zunge la&#x0364;hmen/</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;oll nicht deine &#x017F;chooß uns un&#x017F;er hertze nehmen?</l><lb/>
            <l>Wird man durch einen blick der <note place="foot" n="**">Diß waren drey &#x017F;chwe&#x017F;tern von &#x017F;o entzu&#x0364;ckender &#x017F;cho&#x0364;nheit/ daß &#x017F;ie<lb/>
keiner ohne er&#x017F;taunen an&#x017F;ehen ko&#x0364;nnen/ und die Poeten daher ge-<lb/>
tichtet/ als wenn man gar u&#x0364;ber deren an&#x017F;chauen zu &#x017F;tein wor-<lb/>
den.</note> Gorgonen z<supplied>um</supplied> <supplied>ste</supplied>in/</l><lb/>
            <l>Wer kan unauffgelo&#x0364;&#x017F;t bey deiner allmacht &#x017F;eyn?</l><lb/>
            <l>Wer ein gefu&#x0364;hle hat und hier doch nicht empfindet/</l><lb/>
            <l>Wen der gedancke nur nicht al&#x017F;obald entzu&#x0364;ndet/</l><lb/>
            <l>Wer die&#x017F;em &#x017F;chooß-altar zu opffern nicht begehrt/</l><lb/>
            <l>Der i&#x017F;t viel billiger des engen &#x017F;tranges wehrt.</l><lb/>
            <l>O mo&#x0364;chte&#x017F;t du einmahl/ was wir die liebe nennen/</l><lb/>
            <l>Mehr nach den wu&#x0364;rckungen/ als nach dem nahmen kennen!</l><lb/>
            <l>Du wu&#x0364;rde&#x017F;t/ fu&#x0364;r den zorn/ mir willig zuge&#x017F;tehn.</l><lb/>
            <l>Man ko&#x0364;nne &#x017F;onder raub hier nicht zuru&#x0364;cke gehn.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0214] Vermiſchte Gedichte. Ich bitte durch den brand der meine ſeele plagt/ Durch jene demmerung die um dein auge tagt/ Durch deine tulpen-ſchooß/ durch deine nelcken-bruͤſte/ Durch die von beyden mir noch unbekandten luͤſte/ Durch deine ſchoͤne hand die mich itzt von ſich ſtoͤſt? Was hab ich denn verwuͤrckt/ daß zephyr dich entbloͤßt? Daß ich es mit beſchaut/ was deſſen hauch veruͤbet/ Daß ich es angeruͤhrt/ was erd und himmel liebet/ Was ſelbſt der Goͤtter mund begierig hat gekuͤſt/ Und was der inbegriff von deiner ſchoͤnheit iſt. Es iſt ja deine ſchooß der auszug aller zierde/ Der enge ſammel-platz der ſchmeichlenden begierde/ Der rund/ wo die natur zuſammen hat gedraͤngt/ Was ſich nur reitzendes den gliedern eingemengt. Hier iſt der kleine ſchatz der deinen reichthum zeiget/ Der lebendige thron der alle ſcepter beuget/ Der ſuͤſſe zauber-kreyß/ der unſern geiſt beſtrickt/ Und des beſchwehrungs-wort die felſen auch entzuͤckt. Ach! Cloris/ wolteſt du/ daß ich gewichen waͤre! Bedencke doch die ſchmach und deiner ſchoͤnheit ehre. Ich haͤtte ja die macht der liebligkeit verhoͤhnt/ Wenn ich nicht deine ſchooß mit meiner hand gekroͤhnt. Kan * Phrynens bloſſe bruſt des richters zunge laͤhmen/ Wie ſoll nicht deine ſchooß uns unſer hertze nehmen? Wird man durch einen blick der ** Gorgonen zum stein/ Wer kan unauffgeloͤſt bey deiner allmacht ſeyn? Wer ein gefuͤhle hat und hier doch nicht empfindet/ Wen der gedancke nur nicht alſobald entzuͤndet/ Wer dieſem ſchooß-altar zu opffern nicht begehrt/ Der iſt viel billiger des engen ſtranges wehrt. O moͤchteſt du einmahl/ was wir die liebe nennen/ Mehr nach den wuͤrckungen/ als nach dem nahmen kennen! Du wuͤrdeſt/ fuͤr den zorn/ mir willig zugeſtehn. Man koͤnne ſonder raub hier nicht zuruͤcke gehn. Die * Dieſe Phryne ſtund zu Athen vor gerichte und ſolte verurtheilet wer- den. Aber als ihr liſtiger advocat ihr den ſchleyer abgeriſſen/ und ihre bloſſe bruſt den richtern ſehen laſſen/ wurden ſie von ihrer ſchoͤnheit ſo eingenommen/ daß ſie das urtheil aͤnderten/ und die beklagte loß ſprachen. ** Diß waren drey ſchweſtern von ſo entzuͤckender ſchoͤnheit/ daß ſie keiner ohne erſtaunen anſehen koͤnnen/ und die Poeten daher ge- tichtet/ als wenn man gar uͤber deren anſchauen zu ſtein wor- den.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/214
Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/214>, abgerufen am 23.11.2024.