Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.Vermischte Gedichte. Drum splittert/ wie ihr wolt/ ihr richter kluger welt/ Und macht durch urthel euch zu grossen bücher-riesen/ Diß/ was eur unverstand an dieser schrifft vergällt/ Hat/ eh' ihr sie gesehn/ schon der verstand gepriesen. Ein buch geht wie der meth nicht allen lieblich ein; Weil viel wie kinder sich am schatten auch ergetzen; Die klugheit nur allein kan hohe seelen schätzen; Und die geheimnisse noch unergründet seyn/ Warum die rosen nur den bienen geist und leben/ Den käfern aber nichts als tod und eckel geben. Der advocirende Cupido. ALs neulich Lälia vor ihrem spiegel stund/ Und bald die augen ließ auff ihre marmol-ballen/ Bald auff der wangen pracht/ und ihren purpur-mund/ Bald wieder auff den schnee der rundten nase fallen; Da warff sie voller zorn den spiegel aus der hand/ Und sprach: Was helffen mich die rosen meiner wangen? Was nutzt der rothe mund? was meiner augen brand? Wenn mund und nase nicht in gleicher zierde prangen. Geh lügner/ bilde mir nur keine schönheit ein/ Denn meine nase macht/ daß ich mich muß betrüben/ Weil heut ein frauenbild soll nach der mode seyn/ Und kaum der tausende kan grosse nasen lieben. So klagte Lälia/ und sanck vor grosser qvaal Auff einen lager-zeug von schwanen-federn nieder. Indessen brach der zorn der augen hellen strahl/ Der eyfer theilte sich durch alle leibes-glieder/ Und endlich fieng der mund mit diesen worten an: So hör ich ärmster wohl/ wir sollen alle büssen/ Daß die natur zu viel an Lälien gethan/ Und ihr die nase nicht nach frantzen-art gerissen. Ich habe längsten schon der sachen nachgedacht/ Warum die küsse sich so sparsam eingefunden/ So hat das lumpen ding/ die nase/ bloß gemacht/ Daß mir bey männern auch ist alle gunst verschwunden. Be- N 2
Vermiſchte Gedichte. Drum ſplittert/ wie ihr wolt/ ihr richter kluger welt/ Und macht durch urthel euch zu groſſen buͤcher-rieſen/ Diß/ was eur unverſtand an dieſer ſchrifft vergaͤllt/ Hat/ eh’ ihr ſie geſehn/ ſchon der verſtand geprieſen. Ein buch geht wie der meth nicht allen lieblich ein; Weil viel wie kinder ſich am ſchatten auch ergetzen; Die klugheit nur allein kan hohe ſeelen ſchaͤtzen; Und die geheimniſſe noch unergruͤndet ſeyn/ Warum die roſen nur den bienen geiſt und leben/ Den kaͤfern aber nichts als tod und eckel geben. Der advocirende Cupido. ALs neulich Laͤlia vor ihrem ſpiegel ſtund/ Und bald die augen ließ auff ihre marmol-ballen/ Bald auff der wangen pracht/ und ihren purpur-mund/ Bald wieder auff den ſchnee der rundten naſe fallen; Da warff ſie voller zorn den ſpiegel aus der hand/ Und ſprach: Was helffen mich die roſen meiner wangen? Was nutzt der rothe mund? was meiner augen brand? Wenn mund und naſe nicht in gleicher zierde prangen. Geh luͤgner/ bilde mir nur keine ſchoͤnheit ein/ Denn meine naſe macht/ daß ich mich muß betruͤben/ Weil heut ein frauenbild ſoll nach der mode ſeyn/ Und kaum der tauſende kan groſſe naſen lieben. So klagte Laͤlia/ und ſanck vor groſſer qvaal Auff einen lager-zeug von ſchwanen-federn nieder. Indeſſen brach der zorn der augen hellen ſtrahl/ Der eyfer theilte ſich durch alle leibes-glieder/ Und endlich fieng der mund mit dieſen worten an: So hoͤr ich aͤrmſter wohl/ wir ſollen alle buͤſſen/ Daß die natur zu viel an Laͤlien gethan/ Und ihr die naſe nicht nach frantzen-art geriſſen. Ich habe laͤngſten ſchon der ſachen nachgedacht/ Warum die kuͤſſe ſich ſo ſparſam eingefunden/ So hat das lumpen ding/ die naſe/ bloß gemacht/ Daß mir bey maͤnnern auch iſt alle gunſt verſchwunden. Be- N 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0239" n="195"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Vermiſchte Gedichte.</hi> </fw><lb/> <lg n="19"> <l>Drum ſplittert/ wie ihr wolt/ ihr richter kluger welt/</l><lb/> <l>Und macht durch urthel euch zu groſſen buͤcher-rieſen/</l><lb/> <l>Diß/ was eur unverſtand an dieſer ſchrifft vergaͤllt/</l><lb/> <l>Hat/ eh’ ihr ſie geſehn/ ſchon der verſtand geprieſen.</l><lb/> <l>Ein buch geht wie der meth nicht allen lieblich ein;</l><lb/> <l>Weil viel wie kinder ſich am ſchatten auch ergetzen;</l><lb/> <l>Die klugheit nur allein kan hohe ſeelen ſchaͤtzen;</l><lb/> <l>Und die geheimniſſe noch unergruͤndet ſeyn/</l><lb/> <l>Warum die roſen nur den bienen geiſt und leben/</l><lb/> <l>Den kaͤfern aber nichts als tod und eckel geben.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b">Der</hi> <hi rendition="#aq">advoci</hi> <hi rendition="#b">rende Cupido.</hi> </head><lb/> <byline> <hi rendition="#c">B. N.</hi> </byline><lb/> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">A</hi>Ls neulich Laͤlia vor ihrem ſpiegel ſtund/</l><lb/> <l>Und bald die augen ließ auff ihre marmol-ballen/</l><lb/> <l>Bald auff der wangen pracht/ und ihren purpur-mund/</l><lb/> <l>Bald wieder auff den ſchnee der rundten naſe fallen;</l><lb/> <l>Da warff ſie voller zorn den ſpiegel aus der hand/</l><lb/> <l>Und ſprach: Was helffen mich die roſen meiner wangen?</l><lb/> <l>Was nutzt der rothe mund? was meiner augen brand?</l><lb/> <l>Wenn mund und naſe nicht in gleicher zierde prangen.</l><lb/> <l>Geh luͤgner/ bilde mir nur keine ſchoͤnheit ein/</l><lb/> <l>Denn meine naſe macht/ daß ich mich muß betruͤben/</l><lb/> <l>Weil heut ein frauenbild ſoll nach der mode ſeyn/</l><lb/> <l>Und kaum der tauſende kan groſſe naſen lieben.</l><lb/> <l>So klagte Laͤlia/ und ſanck vor groſſer qvaal</l><lb/> <l>Auff einen lager-zeug von ſchwanen-federn nieder.</l><lb/> <l>Indeſſen brach der zorn der augen hellen ſtrahl/</l><lb/> <l>Der eyfer theilte ſich durch alle leibes-glieder/</l><lb/> <l>Und endlich fieng der mund mit dieſen worten an:</l><lb/> <l>So hoͤr ich aͤrmſter wohl/ wir ſollen alle buͤſſen/</l><lb/> <l>Daß die natur zu viel an Laͤlien gethan/</l><lb/> <l>Und ihr die naſe nicht nach frantzen-art geriſſen.</l><lb/> <l>Ich habe laͤngſten ſchon der ſachen nachgedacht/</l><lb/> <l>Warum die kuͤſſe ſich ſo ſparſam eingefunden/</l><lb/> <l>So hat das lumpen ding/ die naſe/ bloß gemacht/</l><lb/> <l>Daß mir bey maͤnnern auch iſt alle gunſt verſchwunden.</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">N 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Be-</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [195/0239]
Vermiſchte Gedichte.
Drum ſplittert/ wie ihr wolt/ ihr richter kluger welt/
Und macht durch urthel euch zu groſſen buͤcher-rieſen/
Diß/ was eur unverſtand an dieſer ſchrifft vergaͤllt/
Hat/ eh’ ihr ſie geſehn/ ſchon der verſtand geprieſen.
Ein buch geht wie der meth nicht allen lieblich ein;
Weil viel wie kinder ſich am ſchatten auch ergetzen;
Die klugheit nur allein kan hohe ſeelen ſchaͤtzen;
Und die geheimniſſe noch unergruͤndet ſeyn/
Warum die roſen nur den bienen geiſt und leben/
Den kaͤfern aber nichts als tod und eckel geben.
Der advocirende Cupido.
B. N.
ALs neulich Laͤlia vor ihrem ſpiegel ſtund/
Und bald die augen ließ auff ihre marmol-ballen/
Bald auff der wangen pracht/ und ihren purpur-mund/
Bald wieder auff den ſchnee der rundten naſe fallen;
Da warff ſie voller zorn den ſpiegel aus der hand/
Und ſprach: Was helffen mich die roſen meiner wangen?
Was nutzt der rothe mund? was meiner augen brand?
Wenn mund und naſe nicht in gleicher zierde prangen.
Geh luͤgner/ bilde mir nur keine ſchoͤnheit ein/
Denn meine naſe macht/ daß ich mich muß betruͤben/
Weil heut ein frauenbild ſoll nach der mode ſeyn/
Und kaum der tauſende kan groſſe naſen lieben.
So klagte Laͤlia/ und ſanck vor groſſer qvaal
Auff einen lager-zeug von ſchwanen-federn nieder.
Indeſſen brach der zorn der augen hellen ſtrahl/
Der eyfer theilte ſich durch alle leibes-glieder/
Und endlich fieng der mund mit dieſen worten an:
So hoͤr ich aͤrmſter wohl/ wir ſollen alle buͤſſen/
Daß die natur zu viel an Laͤlien gethan/
Und ihr die naſe nicht nach frantzen-art geriſſen.
Ich habe laͤngſten ſchon der ſachen nachgedacht/
Warum die kuͤſſe ſich ſo ſparſam eingefunden/
So hat das lumpen ding/ die naſe/ bloß gemacht/
Daß mir bey maͤnnern auch iſt alle gunſt verſchwunden.
Be-
N 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |