Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.Galante Gedichte. Sonnet. Er schauet der Lesbie durch ein loch zu. ES dachte Lesbie sie sässe gantz allein/ Indem sie wohl verwahrt die fenster und die thüren; Doch ließ sich Sylvius den geilen fürwitz führen/ Und schaute durch ein loch in ihr gemach hinein. Auff ihrem lincken knie lag ihr das rechte bein/ Die hand war höchst bemüht/ den schuch ihr zuzuschnüren/ Er schaute/ wie der moß zinnober weiß zu zieren/ Und wo Cupido will mit lust gewieget seyn. Es ruffte Sylvius: wie zierlich sind die waden Mit warmen schnee bedeckt/ mit helffenbein beladen! Er sahe selbst den ort/ wo seine hoffnung stund. Es lachte Sylvius/ sie sprach: du bist verlohren/ Zum schmertzen bist du dir/ und mir zur pein erkohren: Denn deine hoffnung hat ja gar zu schlechten grund. Sonnet. Er ist ein unglücklicher wecker. ICh eilte Lesbien aus kurtzweil zu erwecken/ Als gleich Aurorens glantz um ihr gesichte stund/ Die rosen krönten ihr die wangen und den mund/ Durch weisses helffenbein ließ sich der hals bedecken. Ich wolte meine hand auff ihre brüste strecken/ Es that ein nasser kuß ihr meine geilheit kund. Es ruffte Lesbie: Ist dein verstand gesund/ So führe keine brunst in meine keusche hecken. Ich war darob bestürtzt/ und fluchte dem gelücke/ Und fuhr den himmel an/ und seine reiche blicke. Ich sprach: Wo rosen stehn/ da müssen dornen seyn. Weil mich denn ihr befehl verjaget und vertrieben/ So hab ich dieses wort in ihr gemach geschrieben: Auff morgenröthe folgt gar selten sonnenschein. Son-
Galante Gedichte. Sonnet. Er ſchauet der Lesbie durch ein loch zu. ES dachte Lesbie ſie ſaͤſſe gantz allein/ Indem ſie wohl verwahrt die fenſter und die thuͤren; Doch ließ ſich Sylvius den geilen fuͤrwitz fuͤhren/ Und ſchaute durch ein loch in ihr gemach hinein. Auff ihrem lincken knie lag ihr das rechte bein/ Die hand war hoͤchſt bemuͤht/ den ſchuch ihr zuzuſchnuͤren/ Er ſchaute/ wie der moß zinnober weiß zu zieren/ Und wo Cupido will mit luſt gewieget ſeyn. Es ruffte Sylvius: wie zierlich ſind die waden Mit warmen ſchnee bedeckt/ mit helffenbein beladen! Er ſahe ſelbſt den ort/ wo ſeine hoffnung ſtund. Es lachte Sylvius/ ſie ſprach: du biſt verlohren/ Zum ſchmertzen biſt du dir/ und mir zur pein erkohren: Denn deine hoffnung hat ja gar zu ſchlechten grund. Sonnet. Er iſt ein ungluͤcklicher wecker. ICh eilte Lesbien aus kurtzweil zu erwecken/ Als gleich Aurorens glantz um ihr geſichte ſtund/ Die roſen kroͤnten ihr die wangen und den mund/ Durch weiſſes helffenbein ließ ſich der hals bedecken. Ich wolte meine hand auff ihre bruͤſte ſtrecken/ Es that ein naſſer kuß ihr meine geilheit kund. Es ruffte Lesbie: Iſt dein verſtand geſund/ So fuͤhre keine brunſt in meine keuſche hecken. Ich war darob beſtuͤrtzt/ und fluchte dem geluͤcke/ Und fuhr den himmel an/ und ſeine reiche blicke. Ich ſprach: Wo roſen ſtehn/ da muͤſſen dornen ſeyn. Weil mich denn ihr befehl verjaget und vertrieben/ So hab ich dieſes wort in ihr gemach geſchrieben: Auff morgenroͤthe folgt gar ſelten ſonnenſchein. Son-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0056" n="12"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Galante Gedichte.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#fr">Sonnet.</hi><lb/> Er ſchauet der Lesbie durch ein</hi><lb/> loch zu.</head><lb/> <byline> <hi rendition="#c">C. H. v. H.</hi> </byline><lb/> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">E</hi>S dachte Lesbie ſie ſaͤſſe gantz allein/</l><lb/> <l>Indem ſie wohl verwahrt die fenſter und die thuͤren;</l><lb/> <l>Doch ließ ſich Sylvius den geilen fuͤrwitz fuͤhren/</l><lb/> <l>Und ſchaute durch ein loch in ihr gemach hinein.</l><lb/> <l>Auff ihrem lincken knie lag ihr das rechte bein/</l><lb/> <l>Die hand war hoͤchſt bemuͤht/ den ſchuch ihr zuzuſchnuͤren/</l><lb/> <l>Er ſchaute/ wie der moß zinnober weiß zu zieren/</l><lb/> <l>Und wo Cupido will mit luſt gewieget ſeyn.</l><lb/> <l>Es ruffte Sylvius: wie zierlich ſind die waden</l><lb/> <l>Mit warmen ſchnee bedeckt/ mit helffenbein beladen!</l><lb/> <l>Er ſahe ſelbſt den ort/ wo ſeine hoffnung ſtund.</l><lb/> <l>Es lachte Sylvius/ ſie ſprach: du biſt verlohren/</l><lb/> <l>Zum ſchmertzen biſt du dir/ und mir zur pein erkohren:</l><lb/> <l>Denn deine hoffnung hat ja gar zu ſchlechten grund.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#fr">Sonnet.</hi><lb/> Er iſt ein ungluͤcklicher wecker.</hi> </head><lb/> <byline> <hi rendition="#c">C. H. v. H.</hi> </byline><lb/> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">I</hi>Ch eilte Lesbien aus kurtzweil zu erwecken/</l><lb/> <l>Als gleich Aurorens glantz um ihr geſichte ſtund/</l><lb/> <l>Die roſen kroͤnten ihr die wangen und den mund/</l><lb/> <l>Durch weiſſes helffenbein ließ ſich der hals bedecken.</l><lb/> <l>Ich wolte meine hand auff ihre bruͤſte ſtrecken/</l><lb/> <l>Es that ein naſſer kuß ihr meine geilheit kund.</l><lb/> <l>Es ruffte Lesbie: Iſt dein verſtand geſund/</l><lb/> <l>So fuͤhre keine brunſt in meine keuſche hecken.</l><lb/> <l>Ich war darob beſtuͤrtzt/ und fluchte dem geluͤcke/</l><lb/> <l>Und fuhr den himmel an/ und ſeine reiche blicke.</l><lb/> <l>Ich ſprach: Wo roſen ſtehn/ da muͤſſen dornen ſeyn.</l><lb/> <l>Weil mich denn ihr befehl verjaget und vertrieben/</l><lb/> <l>So hab ich dieſes wort in ihr gemach geſchrieben:</l><lb/> <l>Auff morgenroͤthe folgt gar ſelten ſonnenſchein.</l> </lg> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Son-</hi> </hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [12/0056]
Galante Gedichte.
Sonnet.
Er ſchauet der Lesbie durch ein
loch zu.
C. H. v. H.
ES dachte Lesbie ſie ſaͤſſe gantz allein/
Indem ſie wohl verwahrt die fenſter und die thuͤren;
Doch ließ ſich Sylvius den geilen fuͤrwitz fuͤhren/
Und ſchaute durch ein loch in ihr gemach hinein.
Auff ihrem lincken knie lag ihr das rechte bein/
Die hand war hoͤchſt bemuͤht/ den ſchuch ihr zuzuſchnuͤren/
Er ſchaute/ wie der moß zinnober weiß zu zieren/
Und wo Cupido will mit luſt gewieget ſeyn.
Es ruffte Sylvius: wie zierlich ſind die waden
Mit warmen ſchnee bedeckt/ mit helffenbein beladen!
Er ſahe ſelbſt den ort/ wo ſeine hoffnung ſtund.
Es lachte Sylvius/ ſie ſprach: du biſt verlohren/
Zum ſchmertzen biſt du dir/ und mir zur pein erkohren:
Denn deine hoffnung hat ja gar zu ſchlechten grund.
Sonnet.
Er iſt ein ungluͤcklicher wecker.
C. H. v. H.
ICh eilte Lesbien aus kurtzweil zu erwecken/
Als gleich Aurorens glantz um ihr geſichte ſtund/
Die roſen kroͤnten ihr die wangen und den mund/
Durch weiſſes helffenbein ließ ſich der hals bedecken.
Ich wolte meine hand auff ihre bruͤſte ſtrecken/
Es that ein naſſer kuß ihr meine geilheit kund.
Es ruffte Lesbie: Iſt dein verſtand geſund/
So fuͤhre keine brunſt in meine keuſche hecken.
Ich war darob beſtuͤrtzt/ und fluchte dem geluͤcke/
Und fuhr den himmel an/ und ſeine reiche blicke.
Ich ſprach: Wo roſen ſtehn/ da muͤſſen dornen ſeyn.
Weil mich denn ihr befehl verjaget und vertrieben/
So hab ich dieſes wort in ihr gemach geſchrieben:
Auff morgenroͤthe folgt gar ſelten ſonnenſchein.
Son-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |