Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.

Bild:
<< vorherige Seite
Verliebte Gedichte.
Jch darff nun weiter nicht geschminckte worte führen/
Wie purpur und scarlat von deinen lippen lacht:
Wie deiner augen blitz kan alle glieder rühren/
Und sterne selber offt zu blassen fackeln macht.
Die schönheit läst sich nicht in enge federn zwingen/
Ein schimmrend antlitz ist vor pinsel auch zu groß:
Gnug/ daß die geister noch durch alle nieren dringen/
Durch die der liebe strom in meine lenden schoß.
Der schmertz hat der gedult den zügel abgerissen/
Jch schliesse mich nicht mehr in blinde circkel ein:
Und wilt du noch ein wort von deinem Rudolph wissen;
Er will dein schlaff-genoß und auch dein liebster seyn.
Nicht tädle vor der zeit das lüstrende beginnen/
Der kitzel/ der mich sticht/ ist deiner liebe kind.
Wie soll ich armer denn auff fremde mittel sinnen/
Weil man die beste kost doch bey der mutter findt.
Du läst ja selber glut zu meinen ampeln schiessen/
Dein brennend öle flammt auch meine kertzen an:
So laß denn auch den thau um meine glieder fliessen/
Der durch beperlte krafft die flammen kühlen kan.
Die liebe läst sich nicht durch stumme seuffzer dämpffen/
Ein abgeschmackter kuß führt schlechte liebligkeit:
Und wer sich selber will durch stille glut bekämpffen/
Hat feuer zwar geschöpfft/ nicht aber ausgestreut.
Darffst du doch nicht die bahn durch deinen fehler brechen/
Die mutter hat es schon vor diesem auch gethan/
Und Eva schaute selbst/ ohn alles widersprechen/
Das kinder-bette vor/ als ihre hochzeit/ an.
Die freuden-feste sind nur menschliche gesetze/
Da man die gäste satt/ den priester reicher macht.
Was hat der pöbel nicht durch flattrendes geschwätze
Vor missethaten offt aus reiner lust erdacht?
Wir irren in der welt auff feder-weichen stegen/
Der glaube legt uns offt vor rosen dörner bey/
Und die gefahr wird noch die blinde furcht erregen/
Daß auch kein liljen-blat mehr ohne disteln sey.
Hier
Verliebte Gedichte.
Jch darff nun weiter nicht geſchminckte worte fuͤhren/
Wie purpur und ſcarlat von deinen lippen lacht:
Wie deiner augen blitz kan alle glieder ruͤhren/
Und ſterne ſelber offt zu blaſſen fackeln macht.
Die ſchoͤnheit laͤſt ſich nicht in enge federn zwingen/
Ein ſchimmrend antlitz iſt vor pinſel auch zu groß:
Gnug/ daß die geiſter noch durch alle nieren dringen/
Durch die der liebe ſtrom in meine lenden ſchoß.
Der ſchmertz hat der gedult den zuͤgel abgeriſſen/
Jch ſchlieſſe mich nicht mehr in blinde circkel ein:
Und wilt du noch ein wort von deinem Rudolph wiſſen;
Er will dein ſchlaff-genoß und auch dein liebſter ſeyn.
Nicht taͤdle vor der zeit das luͤſtrende beginnen/
Der kitzel/ der mich ſticht/ iſt deiner liebe kind.
Wie ſoll ich armer denn auff fremde mittel ſinnen/
Weil man die beſte koſt doch bey der mutter findt.
Du laͤſt ja ſelber glut zu meinen ampeln ſchieſſen/
Dein brennend oͤle flammt auch meine kertzen an:
So laß denn auch den thau um meine glieder flieſſen/
Der durch beperlte krafft die flammen kuͤhlen kan.
Die liebe laͤſt ſich nicht durch ſtumme ſeuffzer daͤmpffen/
Ein abgeſchmackter kuß fuͤhrt ſchlechte liebligkeit:
Und wer ſich ſelber will durch ſtille glut bekaͤmpffen/
Hat feuer zwar geſchoͤpfft/ nicht aber ausgeſtreut.
Darffſt du doch nicht die bahn durch deinen fehler brechen/
Die mutter hat es ſchon vor dieſem auch gethan/
Und Eva ſchaute ſelbſt/ ohn alles widerſprechen/
Das kinder-bette vor/ als ihre hochzeit/ an.
Die freuden-feſte ſind nur menſchliche geſetze/
Da man die gaͤſte ſatt/ den prieſter reicher macht.
Was hat der poͤbel nicht durch flattrendes geſchwaͤtze
Vor miſſethaten offt aus reiner luſt erdacht?
Wir irren in der welt auff feder-weichen ſtegen/
Der glaube legt uns offt vor roſen doͤrner bey/
Und die gefahr wird noch die blinde furcht erregen/
Daß auch kein liljen-blat mehr ohne diſteln ſey.
Hier
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0111" n="95"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verliebte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Jch darff nun weiter nicht ge&#x017F;chminckte worte fu&#x0364;hren/</l><lb/>
          <l>Wie purpur und &#x017F;carlat von deinen lippen lacht:</l><lb/>
          <l>Wie deiner augen blitz kan alle glieder ru&#x0364;hren/</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;terne &#x017F;elber offt zu bla&#x017F;&#x017F;en fackeln macht.</l><lb/>
          <l>Die &#x017F;cho&#x0364;nheit la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich nicht in enge federn zwingen/</l><lb/>
          <l>Ein &#x017F;chimmrend antlitz i&#x017F;t vor pin&#x017F;el auch zu groß:</l><lb/>
          <l>Gnug/ daß die gei&#x017F;ter noch durch alle nieren dringen/</l><lb/>
          <l>Durch die der liebe &#x017F;trom in meine lenden &#x017F;choß.</l><lb/>
          <l>Der &#x017F;chmertz hat der gedult den zu&#x0364;gel abgeri&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;e mich nicht mehr in blinde circkel ein:</l><lb/>
          <l>Und wilt du noch ein wort von deinem Rudolph wi&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
          <l>Er will dein &#x017F;chlaff-genoß und auch dein lieb&#x017F;ter &#x017F;eyn.</l><lb/>
          <l>Nicht ta&#x0364;dle vor der zeit das lu&#x0364;&#x017F;trende beginnen/</l><lb/>
          <l>Der kitzel/ der mich &#x017F;ticht/ i&#x017F;t deiner liebe kind.</l><lb/>
          <l>Wie &#x017F;oll ich armer denn auff fremde mittel &#x017F;innen/</l><lb/>
          <l>Weil man die be&#x017F;te ko&#x017F;t doch bey der mutter findt.</l><lb/>
          <l>Du la&#x0364;&#x017F;t ja &#x017F;elber glut zu meinen ampeln &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Dein brennend o&#x0364;le flammt auch meine kertzen an:</l><lb/>
          <l>So laß denn auch den thau um meine glieder flie&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Der durch beperlte krafft die flammen ku&#x0364;hlen kan.</l><lb/>
          <l>Die liebe la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich nicht durch &#x017F;tumme &#x017F;euffzer da&#x0364;mpffen/</l><lb/>
          <l>Ein abge&#x017F;chmackter kuß fu&#x0364;hrt &#x017F;chlechte liebligkeit:</l><lb/>
          <l>Und wer &#x017F;ich &#x017F;elber will durch &#x017F;tille glut beka&#x0364;mpffen/</l><lb/>
          <l>Hat feuer zwar ge&#x017F;cho&#x0364;pfft/ nicht aber ausge&#x017F;treut.</l><lb/>
          <l>Darff&#x017F;t du doch nicht die bahn durch deinen fehler brechen/</l><lb/>
          <l>Die mutter hat es &#x017F;chon vor die&#x017F;em auch gethan/</l><lb/>
          <l>Und Eva &#x017F;chaute &#x017F;elb&#x017F;t/ ohn alles wider&#x017F;prechen/</l><lb/>
          <l>Das kinder-bette vor/ als ihre hochzeit/ an.</l><lb/>
          <l>Die freuden-fe&#x017F;te &#x017F;ind nur men&#x017F;chliche ge&#x017F;etze/</l><lb/>
          <l>Da man die ga&#x0364;&#x017F;te &#x017F;att/ den prie&#x017F;ter reicher macht.</l><lb/>
          <l>Was hat der po&#x0364;bel nicht durch flattrendes ge&#x017F;chwa&#x0364;tze</l><lb/>
          <l>Vor mi&#x017F;&#x017F;ethaten offt aus reiner lu&#x017F;t erdacht?</l><lb/>
          <l>Wir irren in der welt auff feder-weichen &#x017F;tegen/</l><lb/>
          <l>Der glaube legt uns offt vor ro&#x017F;en do&#x0364;rner bey/</l><lb/>
          <l>Und die gefahr wird noch die blinde furcht erregen/</l><lb/>
          <l>Daß auch kein liljen-blat mehr ohne di&#x017F;teln &#x017F;ey.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Hier</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0111] Verliebte Gedichte. Jch darff nun weiter nicht geſchminckte worte fuͤhren/ Wie purpur und ſcarlat von deinen lippen lacht: Wie deiner augen blitz kan alle glieder ruͤhren/ Und ſterne ſelber offt zu blaſſen fackeln macht. Die ſchoͤnheit laͤſt ſich nicht in enge federn zwingen/ Ein ſchimmrend antlitz iſt vor pinſel auch zu groß: Gnug/ daß die geiſter noch durch alle nieren dringen/ Durch die der liebe ſtrom in meine lenden ſchoß. Der ſchmertz hat der gedult den zuͤgel abgeriſſen/ Jch ſchlieſſe mich nicht mehr in blinde circkel ein: Und wilt du noch ein wort von deinem Rudolph wiſſen; Er will dein ſchlaff-genoß und auch dein liebſter ſeyn. Nicht taͤdle vor der zeit das luͤſtrende beginnen/ Der kitzel/ der mich ſticht/ iſt deiner liebe kind. Wie ſoll ich armer denn auff fremde mittel ſinnen/ Weil man die beſte koſt doch bey der mutter findt. Du laͤſt ja ſelber glut zu meinen ampeln ſchieſſen/ Dein brennend oͤle flammt auch meine kertzen an: So laß denn auch den thau um meine glieder flieſſen/ Der durch beperlte krafft die flammen kuͤhlen kan. Die liebe laͤſt ſich nicht durch ſtumme ſeuffzer daͤmpffen/ Ein abgeſchmackter kuß fuͤhrt ſchlechte liebligkeit: Und wer ſich ſelber will durch ſtille glut bekaͤmpffen/ Hat feuer zwar geſchoͤpfft/ nicht aber ausgeſtreut. Darffſt du doch nicht die bahn durch deinen fehler brechen/ Die mutter hat es ſchon vor dieſem auch gethan/ Und Eva ſchaute ſelbſt/ ohn alles widerſprechen/ Das kinder-bette vor/ als ihre hochzeit/ an. Die freuden-feſte ſind nur menſchliche geſetze/ Da man die gaͤſte ſatt/ den prieſter reicher macht. Was hat der poͤbel nicht durch flattrendes geſchwaͤtze Vor miſſethaten offt aus reiner luſt erdacht? Wir irren in der welt auff feder-weichen ſtegen/ Der glaube legt uns offt vor roſen doͤrner bey/ Und die gefahr wird noch die blinde furcht erregen/ Daß auch kein liljen-blat mehr ohne diſteln ſey. Hier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/111
Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/111>, abgerufen am 26.11.2024.