Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte.
Jch bin nicht auff betrug und falschheit abgericht;
Und wär ich es auch gleich/ nein/ lügen mag ich nicht.
Jch kan den übermuth der narren nicht verschweigen/
Für denen andre sich des soldes wegen beugen:
Jch schreibe kein sonnet mit schmeicheln in die welt/
Und wen ich loben will/ den lob ich ohne geld.
Für ein so schlechtes amt bin ich zu hoch gebohren:
Mein geist ist etwas starck und bäurisch abgejohren;
Jch sage/ wie es ist. Ein sieb nenn' ich ein sieb/
Ein kätzgen eine katz/ und Rolet einen dieb.
Verliebten weiß ich nichts geschicktes auszusinnen/
Jch kan auch nicht die kunst die mägdchen zu gewinnen/
Und leb in dieser stadt so einsam und verzagt/
Als ein halb-todter leib/ den die verstopffung plagt.
Wer aber/ wirfft man ein/ heist solche tugend lieben/
Die man sonst nirgends sieht als in spitälen üben?
Die hoffart stehet nur bey gut und gelde fein/
Ein armer aber muß zum dienen willig seyn.
Durch kuppeln kan ein mann den noth und hunger schwächen/
Den einfluß und die macht der falschen sterne brechen.
Durch kuppeln hebt das glück/ bey dieser harten zeit/
Auch schreiber/ wenn es will/ zur höchsten herrligkeit.
So gar ist tugend ietzt vom schicksal unterdrücket.
Ein schulfuchs triumphirt und wird empor gerücket/
Der/ hätt' er öffters nicht durch falsche wissenschafft
Das grade krumm gemacht/ und durch der stimmen krafft
Das arme land gepreßt/ wol sonst an seinem wagen
Selbst würde kutscher seyn und liebereyen tragen.
Jch weiß wohl/ daß die furcht/ von wegen dieser that/
Erst neulich einen mann von uns entfernet hat:
Allein die taxe hat ihn nur umsonst geschrecket:
Man wird ihn wieder bald mit fremder pracht bedecket/
Und räuberey gespickt durch alle gassen gehn/
Und GOtt/ der ihn doch haßt/ verzweiffelt pochen sehn.
Jndeß/ daß Pelletier den todten knochen gleichet/
Und
Vermiſchte Gedichte.
Jch bin nicht auff betrug und falſchheit abgericht;
Und waͤr ich es auch gleich/ nein/ luͤgen mag ich nicht.
Jch kan den uͤbermuth der narren nicht verſchweigen/
Fuͤr denen andre ſich des ſoldes wegen beugen:
Jch ſchreibe kein ſonnet mit ſchmeicheln in die welt/
Und wen ich loben will/ den lob ich ohne geld.
Fuͤr ein ſo ſchlechtes amt bin ich zu hoch gebohren:
Mein geiſt iſt etwas ſtarck und baͤuriſch abgejohren;
Jch ſage/ wie es iſt. Ein ſieb nenn’ ich ein ſieb/
Ein kaͤtzgen eine katz/ und Rolet einen dieb.
Verliebten weiß ich nichts geſchicktes auszuſinnen/
Jch kan auch nicht die kunſt die maͤgdchen zu gewinnen/
Und leb in dieſer ſtadt ſo einſam und verzagt/
Als ein halb-todter leib/ den die verſtopffung plagt.
Wer aber/ wirfft man ein/ heiſt ſolche tugend lieben/
Die man ſonſt nirgends ſieht als in ſpitaͤlen uͤben?
Die hoffart ſtehet nur bey gut und gelde fein/
Ein armer aber muß zum dienen willig ſeyn.
Durch kuppeln kan ein mann den noth und hunger ſchwaͤchen/
Den einfluß und die macht der falſchen ſterne brechen.
Durch kuppeln hebt das gluͤck/ bey dieſer harten zeit/
Auch ſchreiber/ wenn es will/ zur hoͤchſten herrligkeit.
So gar iſt tugend ietzt vom ſchickſal unterdruͤcket.
Ein ſchulfuchs triumphirt und wird empor geruͤcket/
Der/ haͤtt’ er oͤffters nicht durch falſche wiſſenſchafft
Das grade krumm gemacht/ und durch der ſtimmen krafft
Das arme land gepreßt/ wol ſonſt an ſeinem wagen
Selbſt wuͤrde kutſcher ſeyn und liebereyen tragen.
Jch weiß wohl/ daß die furcht/ von wegen dieſer that/
Erſt neulich einen mann von uns entfernet hat:
Allein die taxe hat ihn nur umſonſt geſchrecket:
Man wird ihn wieder bald mit fremder pracht bedecket/
Und raͤuberey geſpickt durch alle gaſſen gehn/
Und GOtt/ der ihn doch haßt/ verzweiffelt pochen ſehn.
Jndeß/ daß Pelletier den todten knochen gleichet/
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0255" n="239"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Jch bin nicht auff betrug und fal&#x017F;chheit abgericht;</l><lb/>
          <l>Und wa&#x0364;r ich es auch gleich/ nein/ lu&#x0364;gen mag ich nicht.</l><lb/>
          <l>Jch kan den u&#x0364;bermuth der narren nicht ver&#x017F;chweigen/</l><lb/>
          <l>Fu&#x0364;r denen andre &#x017F;ich des &#x017F;oldes wegen beugen:</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;chreibe kein &#x017F;onnet mit &#x017F;chmeicheln in die welt/</l><lb/>
          <l>Und wen ich loben will/ den lob ich ohne geld.</l><lb/>
          <l>Fu&#x0364;r ein &#x017F;o &#x017F;chlechtes amt bin ich zu hoch gebohren:</l><lb/>
          <l>Mein gei&#x017F;t i&#x017F;t etwas &#x017F;tarck und ba&#x0364;uri&#x017F;ch abgejohren;</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;age/ wie es i&#x017F;t. Ein &#x017F;ieb nenn&#x2019; ich ein &#x017F;ieb/</l><lb/>
          <l>Ein ka&#x0364;tzgen eine katz/ und Rolet einen dieb.</l><lb/>
          <l>Verliebten weiß ich nichts ge&#x017F;chicktes auszu&#x017F;innen/</l><lb/>
          <l>Jch kan auch nicht die kun&#x017F;t die ma&#x0364;gdchen zu gewinnen/</l><lb/>
          <l>Und leb in die&#x017F;er &#x017F;tadt &#x017F;o ein&#x017F;am und verzagt/</l><lb/>
          <l>Als ein halb-todter leib/ den die ver&#x017F;topffung plagt.</l><lb/>
          <l>Wer aber/ wirfft man ein/ hei&#x017F;t &#x017F;olche tugend lieben/</l><lb/>
          <l>Die man &#x017F;on&#x017F;t nirgends &#x017F;ieht als in &#x017F;pita&#x0364;len u&#x0364;ben?</l><lb/>
          <l>Die hoffart &#x017F;tehet nur bey gut und gelde fein/</l><lb/>
          <l>Ein armer aber muß zum dienen willig &#x017F;eyn.</l><lb/>
          <l>Durch kuppeln kan ein mann den noth und hunger &#x017F;chwa&#x0364;chen/</l><lb/>
          <l>Den einfluß und die macht der fal&#x017F;chen &#x017F;terne brechen.</l><lb/>
          <l>Durch kuppeln hebt das glu&#x0364;ck/ bey die&#x017F;er harten zeit/</l><lb/>
          <l>Auch &#x017F;chreiber/ wenn es will/ zur ho&#x0364;ch&#x017F;ten herrligkeit.</l><lb/>
          <l>So gar i&#x017F;t tugend ietzt vom &#x017F;chick&#x017F;al unterdru&#x0364;cket.</l><lb/>
          <l>Ein &#x017F;chulfuchs triumphirt und wird empor geru&#x0364;cket/</l><lb/>
          <l>Der/ ha&#x0364;tt&#x2019; er o&#x0364;ffters nicht durch fal&#x017F;che wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft</l><lb/>
          <l>Das grade krumm gemacht/ und durch der &#x017F;timmen krafft</l><lb/>
          <l>Das arme land gepreßt/ wol &#x017F;on&#x017F;t an &#x017F;einem wagen</l><lb/>
          <l>Selb&#x017F;t wu&#x0364;rde kut&#x017F;cher &#x017F;eyn und liebereyen tragen.</l><lb/>
          <l>Jch weiß wohl/ daß die furcht/ von wegen die&#x017F;er that/</l><lb/>
          <l>Er&#x017F;t neulich einen mann von uns entfernet hat:</l><lb/>
          <l>Allein die taxe hat ihn nur um&#x017F;on&#x017F;t ge&#x017F;chrecket:</l><lb/>
          <l>Man wird ihn wieder bald mit fremder pracht bedecket/</l><lb/>
          <l>Und ra&#x0364;uberey ge&#x017F;pickt durch alle ga&#x017F;&#x017F;en gehn/</l><lb/>
          <l>Und GOtt/ der ihn doch haßt/ verzweiffelt pochen &#x017F;ehn.</l><lb/>
          <l>Jndeß/ daß Pelletier den todten knochen gleichet/</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0255] Vermiſchte Gedichte. Jch bin nicht auff betrug und falſchheit abgericht; Und waͤr ich es auch gleich/ nein/ luͤgen mag ich nicht. Jch kan den uͤbermuth der narren nicht verſchweigen/ Fuͤr denen andre ſich des ſoldes wegen beugen: Jch ſchreibe kein ſonnet mit ſchmeicheln in die welt/ Und wen ich loben will/ den lob ich ohne geld. Fuͤr ein ſo ſchlechtes amt bin ich zu hoch gebohren: Mein geiſt iſt etwas ſtarck und baͤuriſch abgejohren; Jch ſage/ wie es iſt. Ein ſieb nenn’ ich ein ſieb/ Ein kaͤtzgen eine katz/ und Rolet einen dieb. Verliebten weiß ich nichts geſchicktes auszuſinnen/ Jch kan auch nicht die kunſt die maͤgdchen zu gewinnen/ Und leb in dieſer ſtadt ſo einſam und verzagt/ Als ein halb-todter leib/ den die verſtopffung plagt. Wer aber/ wirfft man ein/ heiſt ſolche tugend lieben/ Die man ſonſt nirgends ſieht als in ſpitaͤlen uͤben? Die hoffart ſtehet nur bey gut und gelde fein/ Ein armer aber muß zum dienen willig ſeyn. Durch kuppeln kan ein mann den noth und hunger ſchwaͤchen/ Den einfluß und die macht der falſchen ſterne brechen. Durch kuppeln hebt das gluͤck/ bey dieſer harten zeit/ Auch ſchreiber/ wenn es will/ zur hoͤchſten herrligkeit. So gar iſt tugend ietzt vom ſchickſal unterdruͤcket. Ein ſchulfuchs triumphirt und wird empor geruͤcket/ Der/ haͤtt’ er oͤffters nicht durch falſche wiſſenſchafft Das grade krumm gemacht/ und durch der ſtimmen krafft Das arme land gepreßt/ wol ſonſt an ſeinem wagen Selbſt wuͤrde kutſcher ſeyn und liebereyen tragen. Jch weiß wohl/ daß die furcht/ von wegen dieſer that/ Erſt neulich einen mann von uns entfernet hat: Allein die taxe hat ihn nur umſonſt geſchrecket: Man wird ihn wieder bald mit fremder pracht bedecket/ Und raͤuberey geſpickt durch alle gaſſen gehn/ Und GOtt/ der ihn doch haßt/ verzweiffelt pochen ſehn. Jndeß/ daß Pelletier den todten knochen gleichet/ Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/255
Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/255>, abgerufen am 01.09.2024.