Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.Verliebte Gedichte. Ein weib das fleisch und blut in ihrem busen trägt/Und doch die jungfrauschafft will lebendig begraben/ Jst werth/ wenn schlang und wurm den leib gefressen haben/ Daß man ihr diese schrifft auf ihren leich-stein prägt: Hier lieget pech und stroh/ das keine flammen fing/ Ein schweflicht wesen/ das beym feuer nicht entbrante/ Ein zunder-voller leib/ der keine glut erkante/ Ein glantz/ der in der lufft wie trüber rauch verging: Ein brunn der seine quell in feste mauren schloß/ Ein balsam/ den wir nur von weitem angerochen. Ein süsser citronat/ den keine faust gebrochen. Ein artzt/ der seine krafft auff kalte tücher goß. Ein bunter blumen-platz/ den ieder nur beschaut. Ein feld/ das weder pflug noch schare durchgeschnitten. Ein wolgeziertes pferd/ das keinen sporn erlitten/ Und wie Bucephalus dem schatten kaum getraut. Ein himmel/ der nur schmertz und keinen trost gebahr. Ein amber-voller kram/ der keinem feil gewesen/ Und will man alles hier aus einer zeile lesen: Hier liegt ein todes mensch/ das keine menschin war. Jm leben wolte sie die Juno selber seyn/ Jhr mund vermählte sich mit schimmrenden rubinen/ Jtzt muß ein kahler sarg zum trauer-zimmer dienen/ Und schliest den gantzen rest in diese breter ein. Florette schreckt dich nun die schwartze grabes-schrifft/ So lerne/ schönste/ dich doch selber recht erkennen/ Laß auch die liebes-glut in deiner brust entbrennen/ Und meide mit bedacht das trübe todtes-gifft. Das bette steht dir mehr als schwartze bahren an; Der kittel wird dich nicht so wie die federn zieren/ Das alter soll den tod/ die jugend lüste spüren/ Weil sich der sommer nicht mit kälte schwistern kan. Ein schatten volles grab hegt schlechte lebens-lufft/ Man kan der lippen ruhm nicht vom gerippe lesen: Und was dein purpur-mund und deine pracht gewesen/ Zeigt nur dein ebenbild/ und keine todten-grufft. Was
Verliebte Gedichte. Ein weib das fleiſch und blut in ihrem buſen traͤgt/Und doch die jungfrauſchafft will lebendig begraben/ Jſt werth/ wenn ſchlang und wurm den leib gefreſſen haben/ Daß man ihr dieſe ſchrifft auf ihren leich-ſtein praͤgt: Hier lieget pech und ſtroh/ das keine flammen fing/ Ein ſchweflicht weſen/ das beym feuer nicht entbrante/ Ein zunder-voller leib/ der keine glut erkante/ Ein glantz/ der in der lufft wie truͤber rauch verging: Ein brunn der ſeine quell in feſte mauren ſchloß/ Ein balſam/ den wir nur von weitem angerochen. Ein ſuͤſſer citronat/ den keine fauſt gebrochen. Ein artzt/ der ſeine krafft auff kalte tuͤcher goß. Ein bunter blumen-platz/ den ieder nur beſchaut. Ein feld/ das weder pflug noch ſchare durchgeſchnitten. Ein wolgeziertes pferd/ das keinen ſporn erlitten/ Und wie Bucephalus dem ſchatten kaum getraut. Ein himmel/ der nur ſchmertz und keinen troſt gebahr. Ein amber-voller kram/ der keinem feil geweſen/ Und will man alles hier aus einer zeile leſen: Hier liegt ein todes menſch/ das keine menſchin war. Jm leben wolte ſie die Juno ſelber ſeyn/ Jhr mund vermaͤhlte ſich mit ſchimmrenden rubinen/ Jtzt muß ein kahler ſarg zum trauer-zimmer dienen/ Und ſchlieſt den gantzen reſt in dieſe breter ein. Florette ſchreckt dich nun die ſchwartze grabes-ſchrifft/ So lerne/ ſchoͤnſte/ dich doch ſelber recht erkennen/ Laß auch die liebes-glut in deiner bruſt entbrennen/ Und meide mit bedacht das truͤbe todtes-gifft. Das bette ſteht dir mehr als ſchwartze bahren an; Der kittel wird dich nicht ſo wie die federn zieren/ Das alter ſoll den tod/ die jugend luͤſte ſpuͤren/ Weil ſich der ſommer nicht mit kaͤlte ſchwiſtern kan. Ein ſchatten volles grab hegt ſchlechte lebens-lufft/ Man kan der lippen ruhm nicht vom gerippe leſen: Und was dein purpur-mund und deine pracht geweſen/ Zeigt nur dein ebenbild/ und keine todten-grufft. Was
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0091" n="75"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verliebte Gedichte.</hi> </fw><lb/> <l>Ein weib das fleiſch und blut in ihrem buſen traͤgt/</l><lb/> <l>Und doch die jungfrauſchafft will lebendig begraben/</l><lb/> <l>Jſt werth/ wenn ſchlang und wurm den leib gefreſſen haben/</l><lb/> <l>Daß man ihr dieſe ſchrifft auf ihren leich-ſtein praͤgt:</l><lb/> <l>Hier lieget pech und ſtroh/ das keine flammen fing/</l><lb/> <l>Ein ſchweflicht weſen/ das beym feuer nicht entbrante/</l><lb/> <l>Ein zunder-voller leib/ der keine glut erkante/</l><lb/> <l>Ein glantz/ der in der lufft wie truͤber rauch verging:</l><lb/> <l>Ein brunn der ſeine quell in feſte mauren ſchloß/</l><lb/> <l>Ein balſam/ den wir nur von weitem angerochen.</l><lb/> <l>Ein ſuͤſſer citronat/ den keine fauſt gebrochen.</l><lb/> <l>Ein artzt/ der ſeine krafft auff kalte tuͤcher goß.</l><lb/> <l>Ein bunter blumen-platz/ den ieder nur beſchaut.</l><lb/> <l>Ein feld/ das weder pflug noch ſchare durchgeſchnitten.</l><lb/> <l>Ein wolgeziertes pferd/ das keinen ſporn erlitten/</l><lb/> <l>Und wie Bucephalus dem ſchatten kaum getraut.</l><lb/> <l>Ein himmel/ der nur ſchmertz und keinen troſt gebahr.</l><lb/> <l>Ein amber-voller kram/ der keinem feil geweſen/</l><lb/> <l>Und will man alles hier aus einer zeile leſen:</l><lb/> <l>Hier liegt ein todes menſch/ das keine menſchin war.</l><lb/> <l>Jm leben wolte ſie die Juno ſelber ſeyn/</l><lb/> <l>Jhr mund vermaͤhlte ſich mit ſchimmrenden rubinen/</l><lb/> <l>Jtzt muß ein kahler ſarg zum trauer-zimmer dienen/</l><lb/> <l>Und ſchlieſt den gantzen reſt in dieſe breter ein.</l><lb/> <l>Florette ſchreckt dich nun die ſchwartze grabes-ſchrifft/</l><lb/> <l>So lerne/ ſchoͤnſte/ dich doch ſelber recht erkennen/</l><lb/> <l>Laß auch die liebes-glut in deiner bruſt entbrennen/</l><lb/> <l>Und meide mit bedacht das truͤbe todtes-gifft.</l><lb/> <l>Das bette ſteht dir mehr als ſchwartze bahren an;</l><lb/> <l>Der kittel wird dich nicht ſo wie die federn zieren/</l><lb/> <l>Das alter ſoll den tod/ die jugend luͤſte ſpuͤren/</l><lb/> <l>Weil ſich der ſommer nicht mit kaͤlte ſchwiſtern kan.</l><lb/> <l>Ein ſchatten volles grab hegt ſchlechte lebens-lufft/</l><lb/> <l>Man kan der lippen ruhm nicht vom gerippe leſen:</l><lb/> <l>Und was dein purpur-mund und deine pracht geweſen/</l><lb/> <l>Zeigt nur dein ebenbild/ und keine todten-grufft.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [75/0091]
Verliebte Gedichte.
Ein weib das fleiſch und blut in ihrem buſen traͤgt/
Und doch die jungfrauſchafft will lebendig begraben/
Jſt werth/ wenn ſchlang und wurm den leib gefreſſen haben/
Daß man ihr dieſe ſchrifft auf ihren leich-ſtein praͤgt:
Hier lieget pech und ſtroh/ das keine flammen fing/
Ein ſchweflicht weſen/ das beym feuer nicht entbrante/
Ein zunder-voller leib/ der keine glut erkante/
Ein glantz/ der in der lufft wie truͤber rauch verging:
Ein brunn der ſeine quell in feſte mauren ſchloß/
Ein balſam/ den wir nur von weitem angerochen.
Ein ſuͤſſer citronat/ den keine fauſt gebrochen.
Ein artzt/ der ſeine krafft auff kalte tuͤcher goß.
Ein bunter blumen-platz/ den ieder nur beſchaut.
Ein feld/ das weder pflug noch ſchare durchgeſchnitten.
Ein wolgeziertes pferd/ das keinen ſporn erlitten/
Und wie Bucephalus dem ſchatten kaum getraut.
Ein himmel/ der nur ſchmertz und keinen troſt gebahr.
Ein amber-voller kram/ der keinem feil geweſen/
Und will man alles hier aus einer zeile leſen:
Hier liegt ein todes menſch/ das keine menſchin war.
Jm leben wolte ſie die Juno ſelber ſeyn/
Jhr mund vermaͤhlte ſich mit ſchimmrenden rubinen/
Jtzt muß ein kahler ſarg zum trauer-zimmer dienen/
Und ſchlieſt den gantzen reſt in dieſe breter ein.
Florette ſchreckt dich nun die ſchwartze grabes-ſchrifft/
So lerne/ ſchoͤnſte/ dich doch ſelber recht erkennen/
Laß auch die liebes-glut in deiner bruſt entbrennen/
Und meide mit bedacht das truͤbe todtes-gifft.
Das bette ſteht dir mehr als ſchwartze bahren an;
Der kittel wird dich nicht ſo wie die federn zieren/
Das alter ſoll den tod/ die jugend luͤſte ſpuͤren/
Weil ſich der ſommer nicht mit kaͤlte ſchwiſtern kan.
Ein ſchatten volles grab hegt ſchlechte lebens-lufft/
Man kan der lippen ruhm nicht vom gerippe leſen:
Und was dein purpur-mund und deine pracht geweſen/
Zeigt nur dein ebenbild/ und keine todten-grufft.
Was
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |