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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Begräbniß-Gedichte.
So windet Morta mir den scepter aus den händen?
Die sich so vielmal hat vor meinem thron gebückt,
Da Charon doch so offt hat müssen wieder länden,
Und zwar durch meinen spruch, wenn er schon abgerückt.
Die arge raubet nicht, die meinen kelch verachten,
Nicht die aus überfluß der jahre nach ihr trachten;
Sie windt den lebens-drat auch in der helfft entzwey;
Sie führt den winter ein auch mitten in den lentzen;
Jhr frecher blitz trägt nicht vor meinen priestern schen;
Noch, wider die natur, vor ihren lorbeer-kräntzen.
Soll ich den lästerern ja recht zum spott gedeihen:
Es sey Hygeens kunst ein bloses gauckel-spiel,
Die krafft, so bezoar und ambra mir verleihen,
Verläng' und kürtze nicht das ausgesteckte ziel?
Hilff himmel! laß mich nicht in solcher schande leben!
Man schmäht ja deine macht, so du mir hast gegeben.
Wer mir die schuld beymißt, wenn ein verruchtes weib
Und unerfahrner tropff, so mich aus mißbrauch nennen,
Aus geitz und aberwitz bestürmt des menschen leib,
Muß noch Hygeen recht, noch ihre söhne kennen.
Mehr ließ die ungeduld nicht die erzörnte sagen,
Der eifer nahm die brust, und scham die wangen ein,
Sie konte keinen dienst und keinen schmuck vertragen,
Und wolte diesen tag gantz ungestöret seyn.
Allein es zwang sie bald sich anders zu entschlieffen,
Daß viel vor ihre noth begehrten rath zu wissen.
So bald sie munter ward, und mich ersehen hat,
Der ich nebst andern mehr im tempel war erschienen,
So sprach sie: Bringe doch dem Luja dieses blat,
Es wird zu seinem trost und mir zum schutze dienen.
Der innhalt war, wie folgt, nach aufgerißnem siegel:
Verzeih, Geliebter Freund! daß meine macht gefehlt,
Und nun dein halbes hertz, ein heller tugend-spiegel,
Die werthe Liebste, wird den todten zugezehlt.
Du weist, es hat zwar GOtt mir ein solch pfand befohlen,
Von dem die sterblichen sich offtmal labsal holen,
Wor-
G 4
Begraͤbniß-Gedichte.
So windet Morta mir den ſcepter aus den haͤnden?
Die ſich ſo vielmal hat vor meinem thron gebuͤckt,
Da Charon doch ſo offt hat muͤſſen wieder laͤnden,
Und zwar durch meinen ſpruch, wenn er ſchon abgeruͤckt.
Die arge raubet nicht, die meinen kelch verachten,
Nicht die aus uͤberfluß der jahre nach ihr trachten;
Sie windt den lebens-drat auch in der helfft entzwey;
Sie fuͤhrt den winter ein auch mitten in den lentzen;
Jhr frecher blitz traͤgt nicht vor meinen prieſtern ſchen;
Noch, wider die natur, vor ihren lorbeer-kraͤntzen.
Soll ich den laͤſterern ja recht zum ſpott gedeihen:
Es ſey Hygeens kunſt ein bloſes gauckel-ſpiel,
Die krafft, ſo bezoar und ambra mir verleihen,
Verlaͤng’ und kuͤrtze nicht das ausgeſteckte ziel?
Hilff himmel! laß mich nicht in ſolcher ſchande leben!
Man ſchmaͤht ja deine macht, ſo du mir haſt gegeben.
Wer mir die ſchuld beymißt, wenn ein verruchtes weib
Und unerfahrner tropff, ſo mich aus mißbrauch nennen,
Aus geitz und aberwitz beſtuͤrmt des menſchen leib,
Muß noch Hygeen recht, noch ihre ſoͤhne kennen.
Mehr ließ die ungeduld nicht die erzoͤrnte ſagen,
Der eifer nahm die bruſt, und ſcham die wangen ein,
Sie konte keinen dienſt und keinen ſchmuck vertragen,
Und wolte dieſen tag gantz ungeſtoͤret ſeyn.
Allein es zwang ſie bald ſich anders zu entſchlieffen,
Daß viel vor ihre noth begehrten rath zu wiſſen.
So bald ſie munter ward, und mich erſehen hat,
Der ich nebſt andern mehr im tempel war erſchienen,
So ſprach ſie: Bringe doch dem Luja dieſes blat,
Es wird zu ſeinem troſt und mir zum ſchutze dienen.
Der innhalt war, wie folgt, nach aufgerißnem ſiegel:
Verzeih, Geliebter Freund! daß meine macht gefehlt,
Und nun dein halbes hertz, ein heller tugend-ſpiegel,
Die werthe Liebſte, wird den todten zugezehlt.
Du weiſt, es hat zwar GOtt mir ein ſolch pfand befohlen,
Von dem die ſterblichen ſich offtmal labſal holen,
Wor-
G 4
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[103/0105] Begraͤbniß-Gedichte. So windet Morta mir den ſcepter aus den haͤnden? Die ſich ſo vielmal hat vor meinem thron gebuͤckt, Da Charon doch ſo offt hat muͤſſen wieder laͤnden, Und zwar durch meinen ſpruch, wenn er ſchon abgeruͤckt. Die arge raubet nicht, die meinen kelch verachten, Nicht die aus uͤberfluß der jahre nach ihr trachten; Sie windt den lebens-drat auch in der helfft entzwey; Sie fuͤhrt den winter ein auch mitten in den lentzen; Jhr frecher blitz traͤgt nicht vor meinen prieſtern ſchen; Noch, wider die natur, vor ihren lorbeer-kraͤntzen. Soll ich den laͤſterern ja recht zum ſpott gedeihen: Es ſey Hygeens kunſt ein bloſes gauckel-ſpiel, Die krafft, ſo bezoar und ambra mir verleihen, Verlaͤng’ und kuͤrtze nicht das ausgeſteckte ziel? Hilff himmel! laß mich nicht in ſolcher ſchande leben! Man ſchmaͤht ja deine macht, ſo du mir haſt gegeben. Wer mir die ſchuld beymißt, wenn ein verruchtes weib Und unerfahrner tropff, ſo mich aus mißbrauch nennen, Aus geitz und aberwitz beſtuͤrmt des menſchen leib, Muß noch Hygeen recht, noch ihre ſoͤhne kennen. Mehr ließ die ungeduld nicht die erzoͤrnte ſagen, Der eifer nahm die bruſt, und ſcham die wangen ein, Sie konte keinen dienſt und keinen ſchmuck vertragen, Und wolte dieſen tag gantz ungeſtoͤret ſeyn. Allein es zwang ſie bald ſich anders zu entſchlieffen, Daß viel vor ihre noth begehrten rath zu wiſſen. So bald ſie munter ward, und mich erſehen hat, Der ich nebſt andern mehr im tempel war erſchienen, So ſprach ſie: Bringe doch dem Luja dieſes blat, Es wird zu ſeinem troſt und mir zum ſchutze dienen. Der innhalt war, wie folgt, nach aufgerißnem ſiegel: Verzeih, Geliebter Freund! daß meine macht gefehlt, Und nun dein halbes hertz, ein heller tugend-ſpiegel, Die werthe Liebſte, wird den todten zugezehlt. Du weiſt, es hat zwar GOtt mir ein ſolch pfand befohlen, Von dem die ſterblichen ſich offtmal labſal holen, Wor- G 4

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/105>, abgerufen am 23.11.2024.