Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Begräbniß-Gedichte.
Jn meynung durch den biß das leben zu versüßen,
Wenn wir mit schmertz und tod die kost bezahlen müssen.
Die hoffnung stellt sich uns mit einem ancker vor;
Wir gläuben, daß das schiff der flüchtigen gedancken
Nicht dörffe durch gewalt von seiner stellung wancken.
Da bricht der ancker offt, wie leichtes schilff und rohr.
Was groß und nahe scheint, was fast in unsern händen,
Verbirgt sich, wenn die zeit ihr fern-glas pflegt zu wenden:
So schlägt die hoffnung fehl. Die furcht, ihr widerspiel,
Pflegt auch im ausgang offt, sich anders zu vermählen,
Ein schütze, der den schuß sich fürchtet zu verfehlen,
Trifft manchmal unverhofft das vorgesteckte ziel.
So hat ein sichrer leib, den fast der tod gebunden,
Doch die gesundheit offt in kaltem giffte funden.
Ein zufall, der uns nicht, wie wir gewünscht, berührt,
Ein creutz und jammer-strahl von göttlichem geschicke,
Erscheinen uns durch furcht, als lauter donner-blicke:
Da doch ein läger opst offt honig in sich führt.
So fürchten wir den weg des todes zu beschreiten,
Der doch ein zugang ist zu tausend liebligkeiten,
Wie unser große boll die ruder treibt und lenckt,
So muß das leichte schiff der furcht und hoffnung fahren,
Er lässet dessen thun sich mit verwirrung paaren,
Der trotzig wolcken-an mit seinem Babel denckt,
Und wer aus furcht schon meynt den abgrund zu berühren,
Den kan er an das haupt der guten hoffnung führen.
Hoch-Edle! derer geist itzt nichts als seuffzen kan,
Was unsre feder schreibt von umgekehrten hoffen,
Hat auf gewisse maß bey ihnen eingetroffen,
Und auf gewisse maß sich anders dargethan.
Jhr gutes hoffen hat theils ihnen fehl geschlagen;
Theils aber kan der mund auch von erfüllung sagen.
Es war die meynung ja der nun entseelten pein:
Der die ergrimmte hand des todes hat gefället,
Und ihn der langen reyh der todten zugesellet,
Der solte mit der zeit den ahnen gleiche seyn,
Und hier durch tugenden des hauses ruhm erhöhen,
Und sonderlich den weg des theuren vaters gehen.
Diß
G 5
Begraͤbniß-Gedichte.
Jn meynung durch den biß das leben zu verſuͤßen,
Wenn wir mit ſchmertz und tod die koſt bezahlen muͤſſen.
Die hoffnung ſtellt ſich uns mit einem ancker vor;
Wir glaͤuben, daß das ſchiff der fluͤchtigen gedancken
Nicht doͤrffe durch gewalt von ſeiner ſtellung wancken.
Da bricht der ancker offt, wie leichtes ſchilff und rohr.
Was groß und nahe ſcheint, was faſt in unſern haͤnden,
Verbirgt ſich, wenn die zeit ihr fern-glas pflegt zu wenden:
So ſchlaͤgt die hoffnung fehl. Die furcht, ihr widerſpiel,
Pflegt auch im ausgang offt, ſich anders zu vermaͤhlen,
Ein ſchuͤtze, der den ſchuß ſich fuͤrchtet zu verfehlen,
Trifft manchmal unverhofft das vorgeſteckte ziel.
So hat ein ſichrer leib, den faſt der tod gebunden,
Doch die geſundheit offt in kaltem giffte funden.
Ein zufall, der uns nicht, wie wir gewuͤnſcht, beruͤhrt,
Ein creutz und jammer-ſtrahl von goͤttlichem geſchicke,
Erſcheinen uns durch furcht, als lauter donner-blicke:
Da doch ein laͤger opſt offt honig in ſich fuͤhrt.
So fuͤrchten wir den weg des todes zu beſchreiten,
Der doch ein zugang iſt zu tauſend liebligkeiten,
Wie unſer große boll die ruder treibt und lenckt,
So muß das leichte ſchiff der furcht und hoffnung fahren,
Er laͤſſet deſſen thun ſich mit verwirrung paaren,
Der trotzig wolcken-an mit ſeinem Babel denckt,
Und wer aus furcht ſchon meynt den abgrund zu beruͤhren,
Den kan er an das haupt der guten hoffnung fuͤhren.
Hoch-Edle! derer geiſt itzt nichts als ſeuffzen kan,
Was unſre feder ſchreibt von umgekehrten hoffen,
Hat auf gewiſſe maß bey ihnen eingetroffen,
Und auf gewiſſe maß ſich anders dargethan.
Jhr gutes hoffen hat theils ihnen fehl geſchlagen;
Theils aber kan der mund auch von erfuͤllung ſagen.
Es war die meynung ja der nun entſeelten pein:
Der die ergrimmte hand des todes hat gefaͤllet,
Und ihn der langen reyh der todten zugeſellet,
Der ſolte mit der zeit den ahnen gleiche ſeyn,
Und hier durch tugenden des hauſes ruhm erhoͤhen,
Und ſonderlich den weg des theuren vaters gehen.
Diß
G 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0107" n="105"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Begra&#x0364;bniß-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Jn meynung durch den biß das leben zu ver&#x017F;u&#x0364;ßen,</l><lb/>
          <l>Wenn wir mit &#x017F;chmertz und tod die ko&#x017F;t bezahlen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Die hoffnung &#x017F;tellt &#x017F;ich uns mit einem ancker vor;</l><lb/>
          <l>Wir gla&#x0364;uben, daß das &#x017F;chiff der flu&#x0364;chtigen gedancken</l><lb/>
          <l>Nicht do&#x0364;rffe durch gewalt von &#x017F;einer &#x017F;tellung wancken.</l><lb/>
          <l>Da bricht der ancker offt, wie leichtes &#x017F;chilff und rohr.</l><lb/>
          <l>Was groß und nahe &#x017F;cheint, was fa&#x017F;t in un&#x017F;ern ha&#x0364;nden,</l><lb/>
          <l>Verbirgt &#x017F;ich, wenn die zeit ihr fern-glas pflegt zu wenden:</l><lb/>
          <l>So &#x017F;chla&#x0364;gt die hoffnung fehl. Die furcht, ihr wider&#x017F;piel,</l><lb/>
          <l>Pflegt auch im ausgang offt, &#x017F;ich anders zu verma&#x0364;hlen,</l><lb/>
          <l>Ein &#x017F;chu&#x0364;tze, der den &#x017F;chuß &#x017F;ich fu&#x0364;rchtet zu verfehlen,</l><lb/>
          <l>Trifft manchmal unverhofft das vorge&#x017F;teckte ziel.</l><lb/>
          <l>So hat ein &#x017F;ichrer leib, den fa&#x017F;t der tod gebunden,</l><lb/>
          <l>Doch die ge&#x017F;undheit offt in kaltem giffte funden.</l><lb/>
          <l>Ein zufall, der uns nicht, wie wir gewu&#x0364;n&#x017F;cht, beru&#x0364;hrt,</l><lb/>
          <l>Ein creutz und jammer-&#x017F;trahl von go&#x0364;ttlichem ge&#x017F;chicke,</l><lb/>
          <l>Er&#x017F;cheinen uns durch furcht, als lauter donner-blicke:</l><lb/>
          <l>Da doch ein la&#x0364;ger op&#x017F;t offt honig in &#x017F;ich fu&#x0364;hrt.</l><lb/>
          <l>So fu&#x0364;rchten wir den weg des todes zu be&#x017F;chreiten,</l><lb/>
          <l>Der doch ein zugang i&#x017F;t zu tau&#x017F;end liebligkeiten,</l><lb/>
          <l>Wie un&#x017F;er große boll die ruder treibt und lenckt,</l><lb/>
          <l>So muß das leichte &#x017F;chiff der furcht und hoffnung fahren,</l><lb/>
          <l>Er la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et de&#x017F;&#x017F;en thun &#x017F;ich mit verwirrung paaren,</l><lb/>
          <l>Der trotzig wolcken-an mit &#x017F;einem Babel denckt,</l><lb/>
          <l>Und wer aus furcht &#x017F;chon meynt den abgrund zu beru&#x0364;hren,</l><lb/>
          <l>Den kan er an das haupt der guten hoffnung fu&#x0364;hren.</l><lb/>
          <l>Hoch-Edle! derer gei&#x017F;t itzt nichts als &#x017F;euffzen kan,</l><lb/>
          <l>Was un&#x017F;re feder &#x017F;chreibt von umgekehrten hoffen,</l><lb/>
          <l>Hat auf gewi&#x017F;&#x017F;e maß bey ihnen eingetroffen,</l><lb/>
          <l>Und auf gewi&#x017F;&#x017F;e maß &#x017F;ich anders dargethan.</l><lb/>
          <l>Jhr gutes hoffen hat theils ihnen fehl ge&#x017F;chlagen;</l><lb/>
          <l>Theils aber kan der mund auch von erfu&#x0364;llung &#x017F;agen.</l><lb/>
          <l>Es war die meynung ja der nun ent&#x017F;eelten pein:</l><lb/>
          <l>Der die ergrimmte hand des todes hat gefa&#x0364;llet,</l><lb/>
          <l>Und ihn der langen reyh der todten zuge&#x017F;ellet,</l><lb/>
          <l>Der &#x017F;olte mit der zeit den ahnen gleiche &#x017F;eyn,</l><lb/>
          <l>Und hier durch tugenden des hau&#x017F;es ruhm erho&#x0364;hen,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;onderlich den weg des theuren vaters gehen.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">G 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Diß</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0107] Begraͤbniß-Gedichte. Jn meynung durch den biß das leben zu verſuͤßen, Wenn wir mit ſchmertz und tod die koſt bezahlen muͤſſen. Die hoffnung ſtellt ſich uns mit einem ancker vor; Wir glaͤuben, daß das ſchiff der fluͤchtigen gedancken Nicht doͤrffe durch gewalt von ſeiner ſtellung wancken. Da bricht der ancker offt, wie leichtes ſchilff und rohr. Was groß und nahe ſcheint, was faſt in unſern haͤnden, Verbirgt ſich, wenn die zeit ihr fern-glas pflegt zu wenden: So ſchlaͤgt die hoffnung fehl. Die furcht, ihr widerſpiel, Pflegt auch im ausgang offt, ſich anders zu vermaͤhlen, Ein ſchuͤtze, der den ſchuß ſich fuͤrchtet zu verfehlen, Trifft manchmal unverhofft das vorgeſteckte ziel. So hat ein ſichrer leib, den faſt der tod gebunden, Doch die geſundheit offt in kaltem giffte funden. Ein zufall, der uns nicht, wie wir gewuͤnſcht, beruͤhrt, Ein creutz und jammer-ſtrahl von goͤttlichem geſchicke, Erſcheinen uns durch furcht, als lauter donner-blicke: Da doch ein laͤger opſt offt honig in ſich fuͤhrt. So fuͤrchten wir den weg des todes zu beſchreiten, Der doch ein zugang iſt zu tauſend liebligkeiten, Wie unſer große boll die ruder treibt und lenckt, So muß das leichte ſchiff der furcht und hoffnung fahren, Er laͤſſet deſſen thun ſich mit verwirrung paaren, Der trotzig wolcken-an mit ſeinem Babel denckt, Und wer aus furcht ſchon meynt den abgrund zu beruͤhren, Den kan er an das haupt der guten hoffnung fuͤhren. Hoch-Edle! derer geiſt itzt nichts als ſeuffzen kan, Was unſre feder ſchreibt von umgekehrten hoffen, Hat auf gewiſſe maß bey ihnen eingetroffen, Und auf gewiſſe maß ſich anders dargethan. Jhr gutes hoffen hat theils ihnen fehl geſchlagen; Theils aber kan der mund auch von erfuͤllung ſagen. Es war die meynung ja der nun entſeelten pein: Der die ergrimmte hand des todes hat gefaͤllet, Und ihn der langen reyh der todten zugeſellet, Der ſolte mit der zeit den ahnen gleiche ſeyn, Und hier durch tugenden des hauſes ruhm erhoͤhen, Und ſonderlich den weg des theuren vaters gehen. Diß G 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/107
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/107>, abgerufen am 27.11.2024.