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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Begräbniß-Gedichte.
Gedancken, aug' und geist in eine tieffe fallen:
Wie, wenn ein schneller sturm, der harten donner knallen
Den baum zu drümmern schlägt, der frucht und schatten gab;
So starret hand und mund, da ich das offne grab,
Jn welches Schurtzfleisch sinckt, gantz unverhofft erblicke.
So hüllt mein Vater sich, mein Lehrer und mein Glücke
Nun in ein leichen-tuch! und zwar auf einen tag!
Wer ist, der diesen schmertz geschickt entwerffen mag?
Denn solten thränen gleich an statt der farbe dienen,
So würde sich doch kaum Timantes was erkühnen.
Ein schmertz, wie dieser ist, wird durch ein sterbe-tuch
Weit besser zugedeckt, als durch ein gantzes buch,
Als mit des pinsels kunst, lebendig abgeschildert.
Was sonst die seuffzer hemmt, die bittern klagen mildert,
Vermehrt der zähren fluß: Jch weine nicht allein,
Des Pindus lorbeer-wald wird ein cypressen-häyn:
Selbst die gelahrtheit zagt; man spürt in ihren mauren
Nichts als ein angst-geschrey, nichts als ein bloses trauren:
Es bricht der thränen-flut durch ihre lichter vor:
Die ohnmacht hengt ihr zu: Der Musen gantzes ehor
Wirfft cräntz und spielwerck hin, und schlägt die zarten brüste,
Weil Schurtzfleisch, ihre lust, auf einem traur-gerüste
Vor ihren augen liegt: Ach klagt ich doch allein!
So könte der Parnaß noch meine zuflucht seyn;
So aber klagt er selbst: Wie solt' er auch nicht klagen?
Da Schurtzfleisch, dessen hand die barbarey geschlagen:
Da Schurtzfleisch, dessen mund den feinden zum verdruß
Der Musen ruhm erhöht, erblaßt verstummen muß.
Wie klagt er nicht vor dem, da Scaliger gestorben!
Du hast, Berühmter Mann! so großes lob erworben,
Als dieser Fürsten-Sohn: Dir war das alterthum
So wol als ihm bekant, ob du schon deinen ruhm
Nicht selber ausposaunt: Du hast die klugen schrifften,
Die Rom und Griechenland ein ewig denckmahl stifften,
Von erster jugend an in deinen kopff gefaßt.
Dir war es eine lust, was manchen eine last,
Ja gar unmöglich scheint: Bey tag und nacht studiren,
Und doch die munterkeit des geistes nicht verlieren,
Wann
Begraͤbniß-Gedichte.
Gedancken, aug’ und geiſt in eine tieffe fallen:
Wie, wenn ein ſchneller ſturm, der harten donner knallen
Den baum zu druͤmmern ſchlaͤgt, der frucht und ſchatten gab;
So ſtarret hand und mund, da ich das offne grab,
Jn welches Schurtzfleiſch ſinckt, gantz unverhofft erblicke.
So huͤllt mein Vater ſich, mein Lehrer und mein Gluͤcke
Nun in ein leichen-tuch! und zwar auf einen tag!
Wer iſt, der dieſen ſchmertz geſchickt entwerffen mag?
Denn ſolten thraͤnen gleich an ſtatt der farbe dienen,
So wuͤrde ſich doch kaum Timantes was erkuͤhnen.
Ein ſchmertz, wie dieſer iſt, wird durch ein ſterbe-tuch
Weit beſſer zugedeckt, als durch ein gantzes buch,
Als mit des pinſels kunſt, lebendig abgeſchildert.
Was ſonſt die ſeuffzer hemmt, die bittern klagen mildert,
Vermehrt der zaͤhren fluß: Jch weine nicht allein,
Des Pindus lorbeer-wald wird ein cypreſſen-haͤyn:
Selbſt die gelahrtheit zagt; man ſpuͤrt in ihren mauren
Nichts als ein angſt-geſchrey, nichts als ein bloſes trauren:
Es bricht der thraͤnen-flut durch ihre lichter vor:
Die ohnmacht hengt ihr zu: Der Muſen gantzes ehor
Wirfft craͤntz und ſpielwerck hin, und ſchlaͤgt die zarten bruͤſte,
Weil Schurtzfleiſch, ihre luſt, auf einem traur-geruͤſte
Vor ihren augen liegt: Ach klagt ich doch allein!
So koͤnte der Parnaß noch meine zuflucht ſeyn;
So aber klagt er ſelbſt: Wie ſolt’ er auch nicht klagen?
Da Schurtzfleiſch, deſſen hand die barbarey geſchlagen:
Da Schurtzfleiſch, deſſen mund den feinden zum verdruß
Der Muſen ruhm erhoͤht, erblaßt verſtummen muß.
Wie klagt er nicht vor dem, da Scaliger geſtorben!
Du haſt, Beruͤhmter Mann! ſo großes lob erworben,
Als dieſer Fuͤrſten-Sohn: Dir war das alterthum
So wol als ihm bekant, ob du ſchon deinen ruhm
Nicht ſelber auspoſaunt: Du haſt die klugen ſchrifften,
Die Rom und Griechenland ein ewig denckmahl ſtifften,
Von erſter jugend an in deinen kopff gefaßt.
Dir war es eine luſt, was manchen eine laſt,
Ja gar unmoͤglich ſcheint: Bey tag und nacht ſtudiren,
Und doch die munterkeit des geiſtes nicht verlieren,
Wann
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[156/0158] Begraͤbniß-Gedichte. Gedancken, aug’ und geiſt in eine tieffe fallen: Wie, wenn ein ſchneller ſturm, der harten donner knallen Den baum zu druͤmmern ſchlaͤgt, der frucht und ſchatten gab; So ſtarret hand und mund, da ich das offne grab, Jn welches Schurtzfleiſch ſinckt, gantz unverhofft erblicke. So huͤllt mein Vater ſich, mein Lehrer und mein Gluͤcke Nun in ein leichen-tuch! und zwar auf einen tag! Wer iſt, der dieſen ſchmertz geſchickt entwerffen mag? Denn ſolten thraͤnen gleich an ſtatt der farbe dienen, So wuͤrde ſich doch kaum Timantes was erkuͤhnen. Ein ſchmertz, wie dieſer iſt, wird durch ein ſterbe-tuch Weit beſſer zugedeckt, als durch ein gantzes buch, Als mit des pinſels kunſt, lebendig abgeſchildert. Was ſonſt die ſeuffzer hemmt, die bittern klagen mildert, Vermehrt der zaͤhren fluß: Jch weine nicht allein, Des Pindus lorbeer-wald wird ein cypreſſen-haͤyn: Selbſt die gelahrtheit zagt; man ſpuͤrt in ihren mauren Nichts als ein angſt-geſchrey, nichts als ein bloſes trauren: Es bricht der thraͤnen-flut durch ihre lichter vor: Die ohnmacht hengt ihr zu: Der Muſen gantzes ehor Wirfft craͤntz und ſpielwerck hin, und ſchlaͤgt die zarten bruͤſte, Weil Schurtzfleiſch, ihre luſt, auf einem traur-geruͤſte Vor ihren augen liegt: Ach klagt ich doch allein! So koͤnte der Parnaß noch meine zuflucht ſeyn; So aber klagt er ſelbſt: Wie ſolt’ er auch nicht klagen? Da Schurtzfleiſch, deſſen hand die barbarey geſchlagen: Da Schurtzfleiſch, deſſen mund den feinden zum verdruß Der Muſen ruhm erhoͤht, erblaßt verſtummen muß. Wie klagt er nicht vor dem, da Scaliger geſtorben! Du haſt, Beruͤhmter Mann! ſo großes lob erworben, Als dieſer Fuͤrſten-Sohn: Dir war das alterthum So wol als ihm bekant, ob du ſchon deinen ruhm Nicht ſelber auspoſaunt: Du haſt die klugen ſchrifften, Die Rom und Griechenland ein ewig denckmahl ſtifften, Von erſter jugend an in deinen kopff gefaßt. Dir war es eine luſt, was manchen eine laſt, Ja gar unmoͤglich ſcheint: Bey tag und nacht ſtudiren, Und doch die munterkeit des geiſtes nicht verlieren, Wann

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/158>, abgerufen am 23.11.2024.