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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Begräbniß-Gedichte.
Nun vor den bücher-saal ihm deine grufft erwehlet;
Was wunder, wenn mein geist betrübte stunden zehlet,
Und aus sich selber kömmt? Ach himmel! kan es seyn?
Du pflegst die wissenschafft sonst stückweis auszustreun,
Hier aber hatte sie mein Schurtzfleisch gantz beysammen,
Und dennoch stirbet er. Soll man den schluß verdammen,
Der den Demosthenes, wie stumme lippen trifft?
Der großer lente mund, so wol des todes gifft,
Als den bethörten schwarm des pöbels, trincken heißet?
Der witz und unverstand in eine grube schmeißet?
Nein! meine poesie! du gehest allzuweit.
Schau nur, der himmel zeigt den besten unterscheid,
Und dämpfft des zweiffels dunst: Denn ignoranten sterben;
Mein Schurtzfleisch aber lebt. Laß seinen leib verderben,
Sein ruhm bleibt dennoch stehn, den Famens goldne fahn
Bis an die sonne führt: Der geist steigt himmel-an,
Siegt über asch und graus, und ruht an jenem bronnen,
Daraus der weisheit-strom in unsre welt geronnen,
Wo ihn die ewigkeit in ihrem schoos umfaßt.
Dis hebt in etwas noch die centner-schwere last
Von der beklemten brust. Was dienen auch die thränen?
Heißt uns sein wahl-spruch nicht das zagen abgewöhnen,
Und unerschrocken stehn? Er gieng uns ja voran.
Wir folgen ihm denn nach. Betrübter! der die bahn
Des großen Bruders geht, du kanst die wehmuth lindern.
Dein ungemeiner fleiß kan den verlust vermindern,
Der noch die thränen nährt. Dein unerschöpffter geist,
Macht, daß man dich bereits den andern Schurtzfleisch heist:
Du wirst es auch stets seyn. Drum unterbrich die klagen,
Damit sie dich nicht auch, wie ihn, zu grabe tragen.
Dein leben ist sein ruhm. Drum lebe, Großer Freund!
Und weil dein Bruder es so wohl mit mir gemeynt,
So tritt an seine statt. Ach schau, was ich erblicke!
Vielleicht hält dieser glantz die klagen was zurücke.
Der Pindus zeiget sich in ungemeiner pracht:
Ein sonnen-gleiches licht dämpfft die betrübte nacht:
Die Musen sind bemüht ein ehren-mahl zu zimmern,
Da Schurtzfleisch als ein stern von erster größe schimmern
Und
Begraͤbniß-Gedichte.
Nun vor den buͤcher-ſaal ihm deine grufft erwehlet;
Was wunder, wenn mein geiſt betruͤbte ſtunden zehlet,
Und aus ſich ſelber koͤmmt? Ach himmel! kan es ſeyn?
Du pflegſt die wiſſenſchafft ſonſt ſtuͤckweis auszuſtreun,
Hier aber hatte ſie mein Schurtzfleiſch gantz beyſammen,
Und dennoch ſtirbet er. Soll man den ſchluß verdammen,
Der den Demoſthenes, wie ſtumme lippen trifft?
Der großer lente mund, ſo wol des todes gifft,
Als den bethoͤrten ſchwarm des poͤbels, trincken heißet?
Der witz und unverſtand in eine grube ſchmeißet?
Nein! meine poeſie! du geheſt allzuweit.
Schau nur, der himmel zeigt den beſten unterſcheid,
Und daͤmpfft des zweiffels dunſt: Denn ignoranten ſterben;
Mein Schurtzfleiſch aber lebt. Laß ſeinen leib verderben,
Sein ruhm bleibt dennoch ſtehn, den Famens goldne fahn
Bis an die ſonne fuͤhrt: Der geiſt ſteigt himmel-an,
Siegt uͤber aſch und graus, und ruht an jenem bronnen,
Daraus der weisheit-ſtrom in unſre welt geronnen,
Wo ihn die ewigkeit in ihrem ſchoos umfaßt.
Dis hebt in etwas noch die centner-ſchwere laſt
Von der beklemten bruſt. Was dienen auch die thraͤnen?
Heißt uns ſein wahl-ſpruch nicht das zagen abgewoͤhnen,
Und unerſchrocken ſtehn? Er gieng uns ja voran.
Wir folgen ihm denn nach. Betruͤbter! der die bahn
Des großen Bruders geht, du kanſt die wehmuth lindern.
Dein ungemeiner fleiß kan den verluſt vermindern,
Der noch die thraͤnen naͤhrt. Dein unerſchoͤpffter geiſt,
Macht, daß man dich bereits den andern Schurtzfleiſch heiſt:
Du wirſt es auch ſtets ſeyn. Drum unterbrich die klagen,
Damit ſie dich nicht auch, wie ihn, zu grabe tragen.
Dein leben iſt ſein ruhm. Drum lebe, Großer Freund!
Und weil dein Bruder es ſo wohl mit mir gemeynt,
So tritt an ſeine ſtatt. Ach ſchau, was ich erblicke!
Vielleicht haͤlt dieſer glantz die klagen was zuruͤcke.
Der Pindus zeiget ſich in ungemeiner pracht:
Ein ſonnen-gleiches licht daͤmpfft die betruͤbte nacht:
Die Muſen ſind bemuͤht ein ehren-mahl zu zimmern,
Da Schurtzfleiſch als ein ſtern von erſter groͤße ſchimmern
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[158/0160] Begraͤbniß-Gedichte. Nun vor den buͤcher-ſaal ihm deine grufft erwehlet; Was wunder, wenn mein geiſt betruͤbte ſtunden zehlet, Und aus ſich ſelber koͤmmt? Ach himmel! kan es ſeyn? Du pflegſt die wiſſenſchafft ſonſt ſtuͤckweis auszuſtreun, Hier aber hatte ſie mein Schurtzfleiſch gantz beyſammen, Und dennoch ſtirbet er. Soll man den ſchluß verdammen, Der den Demoſthenes, wie ſtumme lippen trifft? Der großer lente mund, ſo wol des todes gifft, Als den bethoͤrten ſchwarm des poͤbels, trincken heißet? Der witz und unverſtand in eine grube ſchmeißet? Nein! meine poeſie! du geheſt allzuweit. Schau nur, der himmel zeigt den beſten unterſcheid, Und daͤmpfft des zweiffels dunſt: Denn ignoranten ſterben; Mein Schurtzfleiſch aber lebt. Laß ſeinen leib verderben, Sein ruhm bleibt dennoch ſtehn, den Famens goldne fahn Bis an die ſonne fuͤhrt: Der geiſt ſteigt himmel-an, Siegt uͤber aſch und graus, und ruht an jenem bronnen, Daraus der weisheit-ſtrom in unſre welt geronnen, Wo ihn die ewigkeit in ihrem ſchoos umfaßt. Dis hebt in etwas noch die centner-ſchwere laſt Von der beklemten bruſt. Was dienen auch die thraͤnen? Heißt uns ſein wahl-ſpruch nicht das zagen abgewoͤhnen, Und unerſchrocken ſtehn? Er gieng uns ja voran. Wir folgen ihm denn nach. Betruͤbter! der die bahn Des großen Bruders geht, du kanſt die wehmuth lindern. Dein ungemeiner fleiß kan den verluſt vermindern, Der noch die thraͤnen naͤhrt. Dein unerſchoͤpffter geiſt, Macht, daß man dich bereits den andern Schurtzfleiſch heiſt: Du wirſt es auch ſtets ſeyn. Drum unterbrich die klagen, Damit ſie dich nicht auch, wie ihn, zu grabe tragen. Dein leben iſt ſein ruhm. Drum lebe, Großer Freund! Und weil dein Bruder es ſo wohl mit mir gemeynt, So tritt an ſeine ſtatt. Ach ſchau, was ich erblicke! Vielleicht haͤlt dieſer glantz die klagen was zuruͤcke. Der Pindus zeiget ſich in ungemeiner pracht: Ein ſonnen-gleiches licht daͤmpfft die betruͤbte nacht: Die Muſen ſind bemuͤht ein ehren-mahl zu zimmern, Da Schurtzfleiſch als ein ſtern von erſter groͤße ſchimmern Und

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/160>, abgerufen am 23.11.2024.