Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.verliebte Gedichte. An Sophronillen. DEr himmel gebe dir so viel vergnügte stunden,So viel als schnecken-blut auf deinen wangen liegt, So viel als lilien den zarten hals umwunden, So viel als rosen stehn, da, wo man küsse kriegt. Die sehn sucht schärffte mir die feder und die sinnen, Sie gab den vorsatz mir zum schreiben in die hand, Und hieß mich diesen brieff, den du hier siehst, beginnen, Und den dir meine hand nicht ohne furcht gesandt. Nicht ohne furcht, sag ich, wer wagt sich zu der sonnen, Daß nicht sein flügel-werck vom feuer wird versehrt? Zum himmel, wo der blitz zu uns kommt abgeronnen, Der alle welt vor ihm sich hefftig fürchten lehrt. Doch nicht allein die furcht, die wohnt in meinem hertzen, Die liebe steht nebst ihr, und wartet, was dein geist Hierauf vor antwort schickt, ob schmertzen vor das schertzen, Ob ihn dein brieff vor lust mit Coloqvinten speist. Jch wage zwar zuviel, daß ich mich unterwinde, Und hier von liebe schreib, ich weiß ja mehr als wohl, Daß diß bey dir so viel gilt als wie eine sünde, Ja daß man hier sich der nur gantz enthalten soll. Jedoch verzeihe mir, o Göttin! diß verbrechen, Mein hertz hast du vielmehr ja itzt gantz in gewalt, Dasselbe kanstu nun der sünde wegen sprechen, Was gilts, es giebt die schuld der himmlischen gestalt, Die dein gesichte trägt, und so wirstu die flammen, Die deine schönheit hat in meiner brust entzündt, Und die du selbst erzeugt, nicht gar so bald verdammen, Wer weiß, ob man nicht hier sonst andre mittel findt. Jedoch ich schreibe viel, doch wär es nicht vonnöthen, Schreib nur ein gütig ja auf meinem brieff zurück, Wo nicht, so wird dein nein mich ärmsten bald ertöden, Denn deine gunst ist ja mein leben und mein glück. Unter- B 2
verliebte Gedichte. An Sophronillen. DEr himmel gebe dir ſo viel vergnuͤgte ſtunden,So viel als ſchnecken-blut auf deinen wangen liegt, So viel als lilien den zarten hals umwunden, So viel als roſen ſtehn, da, wo man kuͤſſe kriegt. Die ſehn ſucht ſchaͤrffte mir die feder und die ſinnen, Sie gab den vorſatz mir zum ſchreiben in die hand, Und hieß mich dieſen brieff, den du hier ſiehſt, beginnen, Und den dir meine hand nicht ohne furcht geſandt. Nicht ohne furcht, ſag ich, wer wagt ſich zu der ſonnen, Daß nicht ſein fluͤgel-werck vom feuer wird verſehrt? Zum himmel, wo der blitz zu uns kommt abgeronnen, Der alle welt vor ihm ſich hefftig fuͤrchten lehrt. Doch nicht allein die furcht, die wohnt in meinem hertzen, Die liebe ſteht nebſt ihr, und wartet, was dein geiſt Hierauf vor antwort ſchickt, ob ſchmertzen vor das ſchertzen, Ob ihn dein brieff vor luſt mit Coloqvinten ſpeiſt. Jch wage zwar zuviel, daß ich mich unterwinde, Und hier von liebe ſchreib, ich weiß ja mehr als wohl, Daß diß bey dir ſo viel gilt als wie eine ſuͤnde, Ja daß man hier ſich der nur gantz enthalten ſoll. Jedoch verzeihe mir, o Goͤttin! diß verbrechen, Mein hertz haſt du vielmehr ja itzt gantz in gewalt, Daſſelbe kanſtu nun der ſuͤnde wegen ſprechen, Was gilts, es giebt die ſchuld der himmliſchen geſtalt, Die dein geſichte traͤgt, und ſo wirſtu die flammen, Die deine ſchoͤnheit hat in meiner bruſt entzuͤndt, Und die du ſelbſt erzeugt, nicht gar ſo bald verdammen, Wer weiß, ob man nicht hier ſonſt andre mittel findt. Jedoch ich ſchreibe viel, doch waͤr es nicht vonnoͤthen, Schreib nur ein guͤtig ja auf meinem brieff zuruͤck, Wo nicht, ſo wird dein nein mich aͤrmſten bald ertoͤden, Denn deine gunſt iſt ja mein leben und mein gluͤck. Unter- B 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0021" n="19"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">verliebte Gedichte.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">An Sophronillen.</hi> </hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>Er himmel gebe dir ſo viel vergnuͤgte ſtunden,</l><lb/> <l>So viel als ſchnecken-blut auf deinen wangen liegt,</l><lb/> <l>So viel als lilien den zarten hals umwunden,</l><lb/> <l>So viel als roſen ſtehn, da, wo man kuͤſſe kriegt.</l><lb/> <l>Die ſehn ſucht ſchaͤrffte mir die feder und die ſinnen,</l><lb/> <l>Sie gab den vorſatz mir zum ſchreiben in die hand,</l><lb/> <l>Und hieß mich dieſen brieff, den du hier ſiehſt, beginnen,</l><lb/> <l>Und den dir meine hand nicht ohne furcht geſandt.</l><lb/> <l>Nicht ohne furcht, ſag ich, wer wagt ſich zu der ſonnen,</l><lb/> <l>Daß nicht ſein fluͤgel-werck vom feuer wird verſehrt?</l><lb/> <l>Zum himmel, wo der blitz zu uns kommt abgeronnen,</l><lb/> <l>Der alle welt vor ihm ſich hefftig fuͤrchten lehrt.</l><lb/> <l>Doch nicht allein die furcht, die wohnt in meinem hertzen,</l><lb/> <l>Die liebe ſteht nebſt ihr, und wartet, was dein geiſt</l><lb/> <l>Hierauf vor antwort ſchickt, ob ſchmertzen vor das ſchertzen,</l><lb/> <l>Ob ihn dein brieff vor luſt mit Coloqvinten ſpeiſt.</l><lb/> <l>Jch wage zwar zuviel, daß ich mich unterwinde,</l><lb/> <l>Und hier von liebe ſchreib, ich weiß ja mehr als wohl,</l><lb/> <l>Daß diß bey dir ſo viel gilt als wie eine ſuͤnde,</l><lb/> <l>Ja daß man hier ſich der nur gantz enthalten ſoll.</l><lb/> <l>Jedoch verzeihe mir, o Goͤttin! diß verbrechen,</l><lb/> <l>Mein hertz haſt du vielmehr ja itzt gantz in gewalt,</l><lb/> <l>Daſſelbe kanſtu nun der ſuͤnde wegen ſprechen,</l><lb/> <l>Was gilts, es giebt die ſchuld der himmliſchen geſtalt,</l><lb/> <l>Die dein geſichte traͤgt, und ſo wirſtu die flammen,</l><lb/> <l>Die deine ſchoͤnheit hat in meiner bruſt entzuͤndt,</l><lb/> <l>Und die du ſelbſt erzeugt, nicht gar ſo bald verdammen,</l><lb/> <l>Wer weiß, ob man nicht hier ſonſt andre mittel findt.</l><lb/> <l>Jedoch ich ſchreibe viel, doch waͤr es nicht vonnoͤthen,</l><lb/> <l>Schreib nur ein guͤtig ja auf meinem brieff zuruͤck,</l><lb/> <l>Wo nicht, ſo wird dein nein mich aͤrmſten bald ertoͤden,</l><lb/> <l>Denn deine gunſt iſt ja mein leben und mein gluͤck.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 2</fw> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Unter-</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [19/0021]
verliebte Gedichte.
An Sophronillen.
DEr himmel gebe dir ſo viel vergnuͤgte ſtunden,
So viel als ſchnecken-blut auf deinen wangen liegt,
So viel als lilien den zarten hals umwunden,
So viel als roſen ſtehn, da, wo man kuͤſſe kriegt.
Die ſehn ſucht ſchaͤrffte mir die feder und die ſinnen,
Sie gab den vorſatz mir zum ſchreiben in die hand,
Und hieß mich dieſen brieff, den du hier ſiehſt, beginnen,
Und den dir meine hand nicht ohne furcht geſandt.
Nicht ohne furcht, ſag ich, wer wagt ſich zu der ſonnen,
Daß nicht ſein fluͤgel-werck vom feuer wird verſehrt?
Zum himmel, wo der blitz zu uns kommt abgeronnen,
Der alle welt vor ihm ſich hefftig fuͤrchten lehrt.
Doch nicht allein die furcht, die wohnt in meinem hertzen,
Die liebe ſteht nebſt ihr, und wartet, was dein geiſt
Hierauf vor antwort ſchickt, ob ſchmertzen vor das ſchertzen,
Ob ihn dein brieff vor luſt mit Coloqvinten ſpeiſt.
Jch wage zwar zuviel, daß ich mich unterwinde,
Und hier von liebe ſchreib, ich weiß ja mehr als wohl,
Daß diß bey dir ſo viel gilt als wie eine ſuͤnde,
Ja daß man hier ſich der nur gantz enthalten ſoll.
Jedoch verzeihe mir, o Goͤttin! diß verbrechen,
Mein hertz haſt du vielmehr ja itzt gantz in gewalt,
Daſſelbe kanſtu nun der ſuͤnde wegen ſprechen,
Was gilts, es giebt die ſchuld der himmliſchen geſtalt,
Die dein geſichte traͤgt, und ſo wirſtu die flammen,
Die deine ſchoͤnheit hat in meiner bruſt entzuͤndt,
Und die du ſelbſt erzeugt, nicht gar ſo bald verdammen,
Wer weiß, ob man nicht hier ſonſt andre mittel findt.
Jedoch ich ſchreibe viel, doch waͤr es nicht vonnoͤthen,
Schreib nur ein guͤtig ja auf meinem brieff zuruͤck,
Wo nicht, ſo wird dein nein mich aͤrmſten bald ertoͤden,
Denn deine gunſt iſt ja mein leben und mein gluͤck.
Unter-
B 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |