Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.Galante und Unterschiedene Gedancken. UNs plaget nichts so sehr, als irrige gedancken,Wir müssen offtermals in vielen sachen wancken, Wenn das gemüthe nicht sein jawort unterschreibt, Und bey demselbigen einmal beständig bleibt. Doch über nichts darff man, als über liebes-plagen So sehr, so viel, so offt, ja unauffhörlich klagen, Hier hat es große noth, hier fället uns offt an, Vor welchem man sich nicht am minsten wehren kan. Will gleich die lippe nicht von lieben was mehr sprechen, So kan ein auge doch bald diesen vorsatz brechen: Ein wort, das auf uns zu von schönen lippen geht, Das macht, daß es mit uns gar bald viel anders steht. Der schönheit joch ist uns zu nahe auf dem rücken, Und es gelüstet uns nach dessen schweren drücken, Es scheint, als könte man ohndeß nicht lebend seyn, Wir gehen wie ein fisch ins netze gern darein. Ach daß das hertze nicht dergleichen tand und sachen, Als wie gefärbte spreu und nichts weiß zu verlachen! Nächst dacht ich lange zeit dem weiber-nehmen nach, Fand aber nichts dabey als lauter ungemach, Jndem die heyrath sich als wie ein schiff in wellen Mir gantz bescheidentlich ließ vor die augen stellen. Wer in demselben ist, der wünschet ihm heraus: Kommt einmal nur ein weib in unser freyes hauß, So hört die freyheit auf, denn geht es spät und morgen, Ja jeden augenblick an kummer und an sorgen. Doch wünscht iedweder ihm den lieben ehestand, Und dencket nicht daran, was vor ein schweres band Da unsrer freyheit nützt; gelüstet gleich die augen Nach dieser harmonie, wie lange kan sie taugen? Sind nur drey tage hin, so denckt man: wär ich frey! Und weiß doch, daß es nun zu spät und langsam sey. Das meer der heyrath ist mit saltz zu sehr gefüllet, Wer einmal sich darinn den durst der liebe stillet, Der fühlet den verdruß und seufftzt nach freyer lufft, Die doch vorüber ist, und ihm zu bleiben rufft. Wer
Galante und Unterſchiedene Gedancken. UNs plaget nichts ſo ſehr, als irrige gedancken,Wir muͤſſen offtermals in vielen ſachen wancken, Wenn das gemuͤthe nicht ſein jawort unterſchreibt, Und bey demſelbigen einmal beſtaͤndig bleibt. Doch uͤber nichts darff man, als uͤber liebes-plagen So ſehr, ſo viel, ſo offt, ja unauffhoͤrlich klagen, Hier hat es große noth, hier faͤllet uns offt an, Vor welchem man ſich nicht am minſten wehren kan. Will gleich die lippe nicht von lieben was mehr ſprechen, So kan ein auge doch bald dieſen vorſatz brechen: Ein wort, das auf uns zu von ſchoͤnen lippen geht, Das macht, daß es mit uns gar bald viel anders ſteht. Der ſchoͤnheit joch iſt uns zu nahe auf dem ruͤcken, Und es geluͤſtet uns nach deſſen ſchweren druͤcken, Es ſcheint, als koͤnte man ohndeß nicht lebend ſeyn, Wir gehen wie ein fiſch ins netze gern darein. Ach daß das hertze nicht dergleichen tand und ſachen, Als wie gefaͤrbte ſpreu und nichts weiß zu verlachen! Naͤchſt dacht ich lange zeit dem weiber-nehmen nach, Fand aber nichts dabey als lauter ungemach, Jndem die heyrath ſich als wie ein ſchiff in wellen Mir gantz beſcheidentlich ließ vor die augen ſtellen. Wer in demſelben iſt, der wuͤnſchet ihm heraus: Kommt einmal nur ein weib in unſer freyes hauß, So hoͤrt die freyheit auf, denn geht es ſpaͤt und morgen, Ja jeden augenblick an kummer und an ſorgen. Doch wuͤnſcht iedweder ihm den lieben eheſtand, Und dencket nicht daran, was vor ein ſchweres band Da unſrer freyheit nuͤtzt; geluͤſtet gleich die augen Nach dieſer harmonie, wie lange kan ſie taugen? Sind nur drey tage hin, ſo denckt man: waͤr ich frey! Und weiß doch, daß es nun zu ſpaͤt und langſam ſey. Das meer der heyrath iſt mit ſaltz zu ſehr gefuͤllet, Wer einmal ſich darinn den durſt der liebe ſtillet, Der fuͤhlet den verdruß und ſeufftzt nach freyer lufft, Die doch voruͤber iſt, und ihm zu bleiben rufft. Wer
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Galante und
Unterſchiedene Gedancken.
UNs plaget nichts ſo ſehr, als irrige gedancken,
Wir muͤſſen offtermals in vielen ſachen wancken,
Wenn das gemuͤthe nicht ſein jawort unterſchreibt,
Und bey demſelbigen einmal beſtaͤndig bleibt.
Doch uͤber nichts darff man, als uͤber liebes-plagen
So ſehr, ſo viel, ſo offt, ja unauffhoͤrlich klagen,
Hier hat es große noth, hier faͤllet uns offt an,
Vor welchem man ſich nicht am minſten wehren kan.
Will gleich die lippe nicht von lieben was mehr ſprechen,
So kan ein auge doch bald dieſen vorſatz brechen:
Ein wort, das auf uns zu von ſchoͤnen lippen geht,
Das macht, daß es mit uns gar bald viel anders ſteht.
Der ſchoͤnheit joch iſt uns zu nahe auf dem ruͤcken,
Und es geluͤſtet uns nach deſſen ſchweren druͤcken,
Es ſcheint, als koͤnte man ohndeß nicht lebend ſeyn,
Wir gehen wie ein fiſch ins netze gern darein.
Ach daß das hertze nicht dergleichen tand und ſachen,
Als wie gefaͤrbte ſpreu und nichts weiß zu verlachen!
Naͤchſt dacht ich lange zeit dem weiber-nehmen nach,
Fand aber nichts dabey als lauter ungemach,
Jndem die heyrath ſich als wie ein ſchiff in wellen
Mir gantz beſcheidentlich ließ vor die augen ſtellen.
Wer in demſelben iſt, der wuͤnſchet ihm heraus:
Kommt einmal nur ein weib in unſer freyes hauß,
So hoͤrt die freyheit auf, denn geht es ſpaͤt und morgen,
Ja jeden augenblick an kummer und an ſorgen.
Doch wuͤnſcht iedweder ihm den lieben eheſtand,
Und dencket nicht daran, was vor ein ſchweres band
Da unſrer freyheit nuͤtzt; geluͤſtet gleich die augen
Nach dieſer harmonie, wie lange kan ſie taugen?
Sind nur drey tage hin, ſo denckt man: waͤr ich frey!
Und weiß doch, daß es nun zu ſpaͤt und langſam ſey.
Das meer der heyrath iſt mit ſaltz zu ſehr gefuͤllet,
Wer einmal ſich darinn den durſt der liebe ſtillet,
Der fuͤhlet den verdruß und ſeufftzt nach freyer lufft,
Die doch voruͤber iſt, und ihm zu bleiben rufft.
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