Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Vorrede. stossen, oder wenn ihre fabeln nicht vor wahrheitenwären verkaufft worden. Fabeln als fabeln scha- den niemanden, ja die dem AEsopo zugeschriebnen, und von dem sinnreichen de la Fontaine in frantzösi- sche verse gebrachte fabeln können viel nützlichen mo- ralischen büchern den preiß strittig machen. 9. Was den punct der raserey betrifft, so ist es 10. Man muß die sünden der poeten mit nichten ge-
Vorrede. ſtoſſen, oder wenn ihre fabeln nicht vor wahrheitenwaͤren verkaufft worden. Fabeln als fabeln ſcha- den niemanden, ja die dem Æſopo zugeſchriebnen, und von dem ſinnreichen de la Fontaine in frantzoͤſi- ſche verſe gebrachte fabeln koͤnnen viel nuͤtzlichen mo- raliſchen buͤchern den preiß ſtrittig machen. 9. Was den punct der raſerey betrifft, ſo iſt es 10. Man muß die ſuͤnden der poeten mit nichten ge-
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Vorrede.
ſtoſſen, oder wenn ihre fabeln nicht vor wahrheiten
waͤren verkaufft worden. Fabeln als fabeln ſcha-
den niemanden, ja die dem Æſopo zugeſchriebnen,
und von dem ſinnreichen de la Fontaine in frantzoͤſi-
ſche verſe gebrachte fabeln koͤnnen viel nuͤtzlichen mo-
raliſchen buͤchern den preiß ſtrittig machen.
9. Was den punct der raſerey betrifft, ſo iſt es
zwar nicht ohne, daß Marini, Taſſo, und vielleicht
auch Homerus zuweilen ziemlich auſſer ſich ſelbſt
geweſen. Jch glaube auch gar gerne, daß ſich
Horatius manchmal zuvor aus dem circkel geſoffen,
ehe er eine ode ausgeſonnen. Jch bin aber auch ge-
wiß, daß Opitz, Lohenſtein, Hoffmannswal-
dau, Gryphius und Neukirch viel herrliche getichte
ohne ſo ſeltſame entzuͤckung, und beyhuͤlffe des Bac-
chi verfertiget. Dahero koͤmmt es mir eben ſo unge-
reimt vor, wenn man die poeſie zu einer tochter der
unſinnigkeit, enthuſiaſterey oder voͤllerey macht,
als wenn man die philoſophie vor ein kind des Mor-
pheus anſehen wolte, weil einige im ſchlafe gar or-
dentlich raiſonniren, und hinter wahrheiten zu kom-
men pflegen, an die ſie wachend nicht gedacht haben.
10. Man muß die ſuͤnden der poeten mit nichten
der poeſie ſelbſt auf den hals werffen. Denn was
kan ſie davor, daß ein mit gelde beſtochner Ariſto-
phanes den ſo weiſen und gerechten Socrates in einer
comoͤdie als den liederlichſten ſophiſten und ver-
fuͤhrer der jugend ausſchreyet? Verleumdung, geil-
heit und ſchmeicheley ſind laſter, die ſich ſo offt, ja
noch wohl tauſendmahl mehr, in ungebundne als
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