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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Hochzeit-Getichte.
Kein grosses fundament: Die allerschönste sterne
Stehn von der unter-welt nur bloß darum so ferne,
Weil jede ereatur viel artigkeit erweist,
So lange man an ihr das wesen kleine heißt.
Was die natur gethan, denckt bey den meisten sachen
Nunmehr des künstlers hand auch völlig nachzumachen:
Ein kleines contrefait kommt höher, als ein bild,
So mit der positur zehn meilen fast erfüllt.
Die allerkleinste uhr, so man im schiebsack träget,
Jst kostbarer als die, so denen bauren schläget.
Der kleinste mode-hut von Caen und Caudebec
Nimmt unserm gelde mehr, als grosse filtze, weg.
Ein gantzer puppen-kram muß mit dem grösten zeichen
Vor einem eintzgen stück Nürnberger-arbeit weichen.
Und wenn mans recht bedenckt, so hat der viel profit,
Der auf ein kleines weib in seiner liebe sieht:
Er darff dem schneider nicht so viel zum kleide schaffen:
Er hat den grösten platz, wenn sie beysammen schlaffen:
Er kan mit ihr bequem auf einer kutschen seyn:
Und stellet sich manchmahl ein loses gästgen ein;
So kan er den alsbald mit kalter küche schrecken,
Und in den kleider-schranck die kleine wirthin stecken:
Die dreht sich zehnmahl um, wenn andre stille stehn
Und mit der grösten last recht im gewichte gehn.
Denn bey den kleinen kommt die würckung aller flammen,
So liebens-würdig sind, auf einen fleck zusammen.
Man sehe nur die welt! Die zarte nachtigall
Bezwingt und übertrifft durch ihren holden schall
Den allerlängsten storch: Wer lerchen-fleisch kan essen,
Wird das erhöhte wild von hertzen gern vergessen.
So geht es weiter fort: Die allerkleinste mauß
Hält wohl die stärckste kuh in ihrem rennen aus:
Die kleinsten bienen sind am fleißigsten im neste:
Und bey den gurcken ist die kleinste wohl die beste:
Ein zobel-schwäntzgen gilt mehr als ein pferde-fell:
Das rebhuhn ist nicht groß, doch fliehet es so schnell,
Als
Hochzeit-Getichte.
Kein groſſes fundament: Die allerſchoͤnſte ſterne
Stehn von der unter-welt nur bloß darum ſo ferne,
Weil jede ereatur viel artigkeit erweiſt,
So lange man an ihr das weſen kleine heißt.
Was die natur gethan, denckt bey den meiſten ſachen
Nunmehr des kuͤnſtlers hand auch voͤllig nachzumachen:
Ein kleines contrefait kommt hoͤher, als ein bild,
So mit der poſitur zehn meilen faſt erfuͤllt.
Die allerkleinſte uhr, ſo man im ſchiebſack traͤget,
Jſt koſtbarer als die, ſo denen bauren ſchlaͤget.
Der kleinſte mode-hut von Caen und Caudebec
Nimmt unſerm gelde mehr, als groſſe filtze, weg.
Ein gantzer puppen-kram muß mit dem groͤſten zeichen
Vor einem eintzgen ſtuͤck Nuͤrnberger-arbeit weichen.
Und wenn mans recht bedenckt, ſo hat der viel profit,
Der auf ein kleines weib in ſeiner liebe ſieht:
Er darff dem ſchneider nicht ſo viel zum kleide ſchaffen:
Er hat den groͤſten platz, wenn ſie beyſammen ſchlaffen:
Er kan mit ihr bequem auf einer kutſchen ſeyn:
Und ſtellet ſich manchmahl ein loſes gaͤſtgen ein;
So kan er den alsbald mit kalter kuͤche ſchrecken,
Und in den kleider-ſchranck die kleine wirthin ſtecken:
Die dreht ſich zehnmahl um, wenn andre ſtille ſtehn
Und mit der groͤſten laſt recht im gewichte gehn.
Denn bey den kleinen kommt die wuͤrckung aller flammen,
So liebens-wuͤrdig ſind, auf einen fleck zuſammen.
Man ſehe nur die welt! Die zarte nachtigall
Bezwingt und uͤbertrifft durch ihren holden ſchall
Den allerlaͤngſten ſtorch: Wer lerchen-fleiſch kan eſſen,
Wird das erhoͤhte wild von hertzen gern vergeſſen.
So geht es weiter fort: Die allerkleinſte mauß
Haͤlt wohl die ſtaͤrckſte kuh in ihrem rennen aus:
Die kleinſten bienen ſind am fleißigſten im neſte:
Und bey den gurcken iſt die kleinſte wohl die beſte:
Ein zobel-ſchwaͤntzgen gilt mehr als ein pferde-fell:
Das rebhuhn iſt nicht groß, doch fliehet es ſo ſchnell,
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[130/0154] Hochzeit-Getichte. Kein groſſes fundament: Die allerſchoͤnſte ſterne Stehn von der unter-welt nur bloß darum ſo ferne, Weil jede ereatur viel artigkeit erweiſt, So lange man an ihr das weſen kleine heißt. Was die natur gethan, denckt bey den meiſten ſachen Nunmehr des kuͤnſtlers hand auch voͤllig nachzumachen: Ein kleines contrefait kommt hoͤher, als ein bild, So mit der poſitur zehn meilen faſt erfuͤllt. Die allerkleinſte uhr, ſo man im ſchiebſack traͤget, Jſt koſtbarer als die, ſo denen bauren ſchlaͤget. Der kleinſte mode-hut von Caen und Caudebec Nimmt unſerm gelde mehr, als groſſe filtze, weg. Ein gantzer puppen-kram muß mit dem groͤſten zeichen Vor einem eintzgen ſtuͤck Nuͤrnberger-arbeit weichen. Und wenn mans recht bedenckt, ſo hat der viel profit, Der auf ein kleines weib in ſeiner liebe ſieht: Er darff dem ſchneider nicht ſo viel zum kleide ſchaffen: Er hat den groͤſten platz, wenn ſie beyſammen ſchlaffen: Er kan mit ihr bequem auf einer kutſchen ſeyn: Und ſtellet ſich manchmahl ein loſes gaͤſtgen ein; So kan er den alsbald mit kalter kuͤche ſchrecken, Und in den kleider-ſchranck die kleine wirthin ſtecken: Die dreht ſich zehnmahl um, wenn andre ſtille ſtehn Und mit der groͤſten laſt recht im gewichte gehn. Denn bey den kleinen kommt die wuͤrckung aller flammen, So liebens-wuͤrdig ſind, auf einen fleck zuſammen. Man ſehe nur die welt! Die zarte nachtigall Bezwingt und uͤbertrifft durch ihren holden ſchall Den allerlaͤngſten ſtorch: Wer lerchen-fleiſch kan eſſen, Wird das erhoͤhte wild von hertzen gern vergeſſen. So geht es weiter fort: Die allerkleinſte mauß Haͤlt wohl die ſtaͤrckſte kuh in ihrem rennen aus: Die kleinſten bienen ſind am fleißigſten im neſte: Und bey den gurcken iſt die kleinſte wohl die beſte: Ein zobel-ſchwaͤntzgen gilt mehr als ein pferde-fell: Das rebhuhn iſt nicht groß, doch fliehet es ſo ſchnell, Als

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/154>, abgerufen am 21.11.2024.