Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Hochzeit-Getichte. Als sonst kein vogel thut: Und aus der kleinsten taschenVermochte Davids hand den riesen-kopf zu haschen: Ein seiden-würmgen nutzt weit mehr auf einem tag, Als wohl der regen-wurm das gantze jahr vermag: Die kleinsten beine sind am besten vor die täntze: Bey kleinen füchsen stehn die allerlängsten schwäntze: Die kleinste leber-wurst schmeckt unserm appetit Mehr, als der grosse darm, den man von schweinen zieht: Und weil die menschen noch fein zart und kleine bleiben, Wünscht jegliches die zeit mit ihnen zu vertreiben: Es ist der liebes-gott ja selbsten zart und klein, Und will bey kleinen auch am allerliebsten seyn; Die grossen kan er nicht mit seinem wesen füllen, Und sie mit seiner lust nicht wie die kleinen stillen. Und itzund denck ich gleich der sachen weiter nach, Da fällt mir eben ein, was einsten jener sprach, Als ein geheimer zug sein hertz so weit getrieben, Daß er nun willens war, sich gleichfalls zu verlieben; Er sagte: Dieser stand der ehe kommet mir Wie ein nothwendiges und starckes übel für: Weil von zwey übeln nur das kleinste zu erwehlen, So mag mich immerhin ein kleines weibgen quälen. Er, werther bräutigam! hat wohl nicht so gedacht, Als man ihm gleichfalls lust zum freyen beygebracht. Denn was des menschen geist auf erden kan vergnügen, Wird in der kleinen braut bey ihm verborgen liegen. Jch bin darum erfreut! Und weil das letzte ziel Von meiner poesie zum wunsche schreiten will; So will ich sonsten nichts, als diese zeilen, schreiben: Die lust soll bey ihm groß, die noth gantz klein verbleiben. Die J 2
Hochzeit-Getichte. Als ſonſt kein vogel thut: Und aus der kleinſten taſchenVermochte Davids hand den rieſen-kopf zu haſchen: Ein ſeiden-wuͤrmgen nutzt weit mehr auf einem tag, Als wohl der regen-wurm das gantze jahr vermag: Die kleinſten beine ſind am beſten vor die taͤntze: Bey kleinen fuͤchſen ſtehn die allerlaͤngſten ſchwaͤntze: Die kleinſte leber-wurſt ſchmeckt unſerm appetit Mehr, als der groſſe darm, den man von ſchweinen zieht: Und weil die menſchen noch fein zart und kleine bleiben, Wuͤnſcht jegliches die zeit mit ihnen zu vertreiben: Es iſt der liebes-gott ja ſelbſten zart und klein, Und will bey kleinen auch am allerliebſten ſeyn; Die groſſen kan er nicht mit ſeinem weſen fuͤllen, Und ſie mit ſeiner luſt nicht wie die kleinen ſtillen. Und itzund denck ich gleich der ſachen weiter nach, Da faͤllt mir eben ein, was einſten jener ſprach, Als ein geheimer zug ſein hertz ſo weit getrieben, Daß er nun willens war, ſich gleichfalls zu verlieben; Er ſagte: Dieſer ſtand der ehe kommet mir Wie ein nothwendiges und ſtarckes uͤbel fuͤr: Weil von zwey uͤbeln nur das kleinſte zu erwehlen, So mag mich immerhin ein kleines weibgen quaͤlen. Er, werther braͤutigam! hat wohl nicht ſo gedacht, Als man ihm gleichfalls luſt zum freyen beygebracht. Denn was des menſchen geiſt auf erden kan vergnuͤgen, Wird in der kleinen braut bey ihm verborgen liegen. Jch bin darum erfreut! Und weil das letzte ziel Von meiner poeſie zum wunſche ſchreiten will; So will ich ſonſten nichts, als dieſe zeilen, ſchreiben: Die luſt ſoll bey ihm groß, die noth gantz klein verbleiben. Die J 2
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Hochzeit-Getichte.
Als ſonſt kein vogel thut: Und aus der kleinſten taſchen
Vermochte Davids hand den rieſen-kopf zu haſchen:
Ein ſeiden-wuͤrmgen nutzt weit mehr auf einem tag,
Als wohl der regen-wurm das gantze jahr vermag:
Die kleinſten beine ſind am beſten vor die taͤntze:
Bey kleinen fuͤchſen ſtehn die allerlaͤngſten ſchwaͤntze:
Die kleinſte leber-wurſt ſchmeckt unſerm appetit
Mehr, als der groſſe darm, den man von ſchweinen zieht:
Und weil die menſchen noch fein zart und kleine bleiben,
Wuͤnſcht jegliches die zeit mit ihnen zu vertreiben:
Es iſt der liebes-gott ja ſelbſten zart und klein,
Und will bey kleinen auch am allerliebſten ſeyn;
Die groſſen kan er nicht mit ſeinem weſen fuͤllen,
Und ſie mit ſeiner luſt nicht wie die kleinen ſtillen.
Und itzund denck ich gleich der ſachen weiter nach,
Da faͤllt mir eben ein, was einſten jener ſprach,
Als ein geheimer zug ſein hertz ſo weit getrieben,
Daß er nun willens war, ſich gleichfalls zu verlieben;
Er ſagte: Dieſer ſtand der ehe kommet mir
Wie ein nothwendiges und ſtarckes uͤbel fuͤr:
Weil von zwey uͤbeln nur das kleinſte zu erwehlen,
So mag mich immerhin ein kleines weibgen quaͤlen.
Er, werther braͤutigam! hat wohl nicht ſo gedacht,
Als man ihm gleichfalls luſt zum freyen beygebracht.
Denn was des menſchen geiſt auf erden kan vergnuͤgen,
Wird in der kleinen braut bey ihm verborgen liegen.
Jch bin darum erfreut! Und weil das letzte ziel
Von meiner poeſie zum wunſche ſchreiten will;
So will ich ſonſten nichts, als dieſe zeilen, ſchreiben:
Die luſt ſoll bey ihm groß, die noth gantz klein verbleiben.
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Zitationshilfe: | Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/155>, abgerufen am 16.02.2025. |