Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Hochzeit-Getichte. Die bey der Frantz- und Hallmannischen DAs unglückseeligste geschlechte dieser welt,verehligung erwogne jungfer- noth. Der auszug aller noth, der sammel-platz der schmertzen, Wo kummer und verdruß die stete hofstadt hält, Seyd ihr, wie mich bedünckt, ihr guten jungfer-hertzen! Der jammer, der euch drückt, ist nicht zu übersehn: Euch armen kindern muß fast nichts als alles fehlen; Und will ich, wo es nur vor wehmuth kan geschehn, Hier nur das wenigste von eurer noth erzehlen. Wie quälet euch der tag! wie martert euch die nacht! Wie macht die einsamkeit euch doch so unvergnüget! Und wer ein wenig giebt auf eure seufftzer acht, Merckt, daß die kranckheit euch in allen gliedern lieget: Die augen dürffet ihr nicht, wie ihr wollet, drehn, Und keinen freyen blick nach manns-personen wagen, Gleich fängt die mutter an: Solt du nach kerlen sehn? Du geiles raben-aas! dich soll der guckguck plagen! Jhr müsset kopf und halß, den roß und mäulern gleich, Jm zaum und im gebiß, ja im gewichte, tragen: Die ohren sind wie taub, und ihr erröthet euch, So offt man einen schertz und lustig wort will sagen: Fast jede sylbe kehrt bey euch auf schrauben ein: Die lippen müsset ihr in enge falten fassen, Und daß kein bissen ja zu wichtig möchte seyn, Muß offt ein mandelkern sich viermahl theilen lassen: Was aber fängt indeß der arme magen an? Der muß vor erbarkeit so durst als hunger leiden, Es wird kein guter trunck und rechter biß gethan, Wenn ihr nicht erst dabey könnt die gesellschafft meiden: Das starcke schnüren preßt euch lung und leber ein: Und das beklemmte hertz, das so viel seufftzer nagen, Als federn offtermahls in eurem bette seyn, Darf einen kaum davon der liebsten schwester sagen: Die
Hochzeit-Getichte. Die bey der Frantz- und Hallmanniſchen DAs ungluͤckſeeligſte geſchlechte dieſer welt,verehligung erwogne jungfer- noth. Der auszug aller noth, der ſammel-platz der ſchmertzen, Wo kummer und verdruß die ſtete hofſtadt haͤlt, Seyd ihr, wie mich beduͤnckt, ihr guten jungfer-hertzen! Der jammer, der euch druͤckt, iſt nicht zu uͤberſehn: Euch armen kindern muß faſt nichts als alles fehlen; Und will ich, wo es nur vor wehmuth kan geſchehn, Hier nur das wenigſte von eurer noth erzehlen. Wie quaͤlet euch der tag! wie martert euch die nacht! Wie macht die einſamkeit euch doch ſo unvergnuͤget! Und wer ein wenig giebt auf eure ſeufftzer acht, Merckt, daß die kranckheit euch in allen gliedern lieget: Die augen duͤrffet ihr nicht, wie ihr wollet, drehn, Und keinen freyen blick nach manns-perſonen wagen, Gleich faͤngt die mutter an: Solt du nach kerlen ſehn? Du geiles raben-aas! dich ſoll der guckguck plagen! Jhr muͤſſet kopf und halß, den roß und maͤulern gleich, Jm zaum und im gebiß, ja im gewichte, tragen: Die ohren ſind wie taub, und ihr erroͤthet euch, So offt man einen ſchertz und luſtig wort will ſagen: Faſt jede ſylbe kehrt bey euch auf ſchrauben ein: Die lippen muͤſſet ihr in enge falten faſſen, Und daß kein biſſen ja zu wichtig moͤchte ſeyn, Muß offt ein mandelkern ſich viermahl theilen laſſen: Was aber faͤngt indeß der arme magen an? Der muß vor erbarkeit ſo durſt als hunger leiden, Es wird kein guter trunck und rechter biß gethan, Wenn ihr nicht erſt dabey koͤnnt die geſellſchafft meiden: Das ſtarcke ſchnuͤren preßt euch lung und leber ein: Und das beklemmte hertz, das ſo viel ſeufftzer nagen, Als federn offtermahls in eurem bette ſeyn, Darf einen kaum davon der liebſten ſchweſter ſagen: Die
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Hochzeit-Getichte.
Die bey der Frantz- und Hallmanniſchen
verehligung erwogne jungfer-
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DAs ungluͤckſeeligſte geſchlechte dieſer welt,
Der auszug aller noth, der ſammel-platz der ſchmertzen,
Wo kummer und verdruß die ſtete hofſtadt haͤlt,
Seyd ihr, wie mich beduͤnckt, ihr guten jungfer-hertzen!
Der jammer, der euch druͤckt, iſt nicht zu uͤberſehn:
Euch armen kindern muß faſt nichts als alles fehlen;
Und will ich, wo es nur vor wehmuth kan geſchehn,
Hier nur das wenigſte von eurer noth erzehlen.
Wie quaͤlet euch der tag! wie martert euch die nacht!
Wie macht die einſamkeit euch doch ſo unvergnuͤget!
Und wer ein wenig giebt auf eure ſeufftzer acht,
Merckt, daß die kranckheit euch in allen gliedern lieget:
Die augen duͤrffet ihr nicht, wie ihr wollet, drehn,
Und keinen freyen blick nach manns-perſonen wagen,
Gleich faͤngt die mutter an: Solt du nach kerlen ſehn?
Du geiles raben-aas! dich ſoll der guckguck plagen!
Jhr muͤſſet kopf und halß, den roß und maͤulern gleich,
Jm zaum und im gebiß, ja im gewichte, tragen:
Die ohren ſind wie taub, und ihr erroͤthet euch,
So offt man einen ſchertz und luſtig wort will ſagen:
Faſt jede ſylbe kehrt bey euch auf ſchrauben ein:
Die lippen muͤſſet ihr in enge falten faſſen,
Und daß kein biſſen ja zu wichtig moͤchte ſeyn,
Muß offt ein mandelkern ſich viermahl theilen laſſen:
Was aber faͤngt indeß der arme magen an?
Der muß vor erbarkeit ſo durſt als hunger leiden,
Es wird kein guter trunck und rechter biß gethan,
Wenn ihr nicht erſt dabey koͤnnt die geſellſchafft meiden:
Das ſtarcke ſchnuͤren preßt euch lung und leber ein:
Und das beklemmte hertz, das ſo viel ſeufftzer nagen,
Als federn offtermahls in eurem bette ſeyn,
Darf einen kaum davon der liebſten ſchweſter ſagen:
Die
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