Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Hochzeit-Getichte. Weil aber alles sich nicht gleich vor alle schickt, Und die purgantzen offt die kranckheit mehr erregen, Zumahl wenn ohnmacht euch der seiten krafft entzückt; So muß der patient sich auch aufs schwitzen legen. Dann giebt sie perlen-tränck und stärckungs-tropffen ein, Die künstlicher als zimmt, als mosch und ambra seyn. Wen ein erzörnter strahl der sonnen blind gemacht, Und wen ein fenster-blitz der augen schein genommen, Als ihn ein mocken-geist zu nah ans licht gebracht, Der wird durch ihre cur verneuten geist bekommen. Jhr blinde! tragt den star zu dieser ärtztin hin! Sie wird das fell gar bald von euren augen ziehn. Jn brüchen ist sie schon von alters her bekannt: Sie schneidet wurm und stein: sie heilt die tieffsten wunden Mit bisam-pflaster zu: ja selbst der kalte brand Hat öffters ihre krafft und widerstand empfunden. Und draut ja etwas noch den sterblichen das grab, Dem hilfft ihr schrepffe-kopf und aderlassen ab. Ja was noch drüber ist: Sie macht gesichter neu: Sie pflegt mit hoher hand die bärte selbst zu butzen: Und schafft durch kunst und fleiß in jhrer baderey, Daß alte männer offt wie juncker hänßgen stutzen. Beglückte baderey! Nur diß ist nicht gar gut: Daß sie den badern selbst so viel zum possen thut. Jhr guten herren wißt offt nicht, wer vor euch sitzt, Wenn jungfern purpur-safft aus ihren adern zäpffen, Und ihr der glieder-schnee voll blum- und nahmen ritzt, Daß alle tropffen nichts als treu und liebe schrepffen. Da wird die flitte dann so wunderlich gerührt, Daß man den bad er selbst ins krancken-bette führt. Komm, J 4
Hochzeit-Getichte. Weil aber alles ſich nicht gleich vor alle ſchickt, Und die purgantzen offt die kranckheit mehr erregen, Zumahl wenn ohnmacht euch der ſeiten krafft entzuͤckt; So muß der patient ſich auch aufs ſchwitzen legen. Dann giebt ſie perlen-traͤnck und ſtaͤrckungs-tropffen ein, Die kuͤnſtlicher als zimmt, als moſch und ambra ſeyn. Wen ein erzoͤrnter ſtrahl der ſonnen blind gemacht, Und wen ein fenſter-blitz der augen ſchein genommen, Als ihn ein mocken-geiſt zu nah ans licht gebracht, Der wird durch ihre cur verneuten geiſt bekommen. Jhr blinde! tragt den ſtar zu dieſer aͤrtztin hin! Sie wird das fell gar bald von euren augen ziehn. Jn bruͤchen iſt ſie ſchon von alters her bekannt: Sie ſchneidet wurm und ſtein: ſie heilt die tieffſten wunden Mit biſam-pflaſter zu: ja ſelbſt der kalte brand Hat oͤffters ihre krafft und widerſtand empfunden. Und draut ja etwas noch den ſterblichen das grab, Dem hilfft ihr ſchrepffe-kopf und aderlaſſen ab. Ja was noch druͤber iſt: Sie macht geſichter neu: Sie pflegt mit hoher hand die baͤrte ſelbſt zu butzen: Und ſchafft durch kunſt und fleiß in jhrer baderey, Daß alte maͤnner offt wie juncker haͤnßgen ſtutzen. Begluͤckte baderey! Nur diß iſt nicht gar gut: Daß ſie den badern ſelbſt ſo viel zum poſſen thut. Jhr guten herren wißt offt nicht, wer vor euch ſitzt, Wenn jungfern purpur-ſafft aus ihren adern zaͤpffen, Und ihr der glieder-ſchnee voll blum- und nahmen ritzt, Daß alle tropffen nichts als treu und liebe ſchrepffen. Da wird die flitte dann ſo wunderlich geruͤhrt, Daß man den bad er ſelbſt ins krancken-bette fuͤhrt. Komm, J 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0159" n="135"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Hochzeit-Getichte.</hi> </fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg n="6"> <l>Weil aber alles ſich nicht gleich vor alle ſchickt,</l><lb/> <l>Und die purgantzen offt die kranckheit mehr erregen,</l><lb/> <l>Zumahl wenn ohnmacht euch der ſeiten krafft entzuͤckt;</l><lb/> <l>So muß der patient ſich auch aufs ſchwitzen legen.</l><lb/> <l>Dann giebt ſie perlen-traͤnck und ſtaͤrckungs-tropffen ein,</l><lb/> <l>Die kuͤnſtlicher als zimmt, als moſch und ambra ſeyn.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg n="7"> <l>Wen ein erzoͤrnter ſtrahl der ſonnen blind gemacht,</l><lb/> <l>Und wen ein fenſter-blitz der augen ſchein genommen,</l><lb/> <l>Als ihn ein mocken-geiſt zu nah ans licht gebracht,</l><lb/> <l>Der wird durch ihre cur verneuten geiſt bekommen.</l><lb/> <l>Jhr blinde! tragt den ſtar zu dieſer aͤrtztin hin!</l><lb/> <l>Sie wird das fell gar bald von euren augen ziehn.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg n="8"> <l>Jn bruͤchen iſt ſie ſchon von alters her bekannt:</l><lb/> <l>Sie ſchneidet wurm und ſtein: ſie heilt die tieffſten wunden</l><lb/> <l>Mit biſam-pflaſter zu: ja ſelbſt der kalte brand</l><lb/> <l>Hat oͤffters ihre krafft und widerſtand empfunden.</l><lb/> <l>Und draut ja etwas noch den ſterblichen das grab,</l><lb/> <l>Dem hilfft ihr ſchrepffe-kopf und aderlaſſen ab.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg n="9"> <l>Ja was noch druͤber iſt: Sie macht geſichter neu:</l><lb/> <l>Sie pflegt mit hoher hand die baͤrte ſelbſt zu butzen:</l><lb/> <l>Und ſchafft durch kunſt und fleiß in jhrer baderey,</l><lb/> <l>Daß alte maͤnner offt wie juncker haͤnßgen ſtutzen.</l><lb/> <l>Begluͤckte baderey! Nur diß iſt nicht gar gut:</l><lb/> <l>Daß ſie den badern ſelbſt ſo viel zum poſſen thut.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg n="10"> <l>Jhr guten herren wißt offt nicht, wer vor euch ſitzt,</l><lb/> <l>Wenn jungfern purpur-ſafft aus ihren adern zaͤpffen,</l><lb/> <l>Und ihr der glieder-ſchnee voll blum- und nahmen ritzt,</l><lb/> <l>Daß alle tropffen nichts als treu und liebe ſchrepffen.</l><lb/> <l>Da wird die flitte dann ſo wunderlich geruͤhrt,</l><lb/> <l>Daß man den bad er ſelbſt ins krancken-bette fuͤhrt.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">J 4</fw> <fw place="bottom" type="catch">Komm,</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [135/0159]
Hochzeit-Getichte.
Weil aber alles ſich nicht gleich vor alle ſchickt,
Und die purgantzen offt die kranckheit mehr erregen,
Zumahl wenn ohnmacht euch der ſeiten krafft entzuͤckt;
So muß der patient ſich auch aufs ſchwitzen legen.
Dann giebt ſie perlen-traͤnck und ſtaͤrckungs-tropffen ein,
Die kuͤnſtlicher als zimmt, als moſch und ambra ſeyn.
Wen ein erzoͤrnter ſtrahl der ſonnen blind gemacht,
Und wen ein fenſter-blitz der augen ſchein genommen,
Als ihn ein mocken-geiſt zu nah ans licht gebracht,
Der wird durch ihre cur verneuten geiſt bekommen.
Jhr blinde! tragt den ſtar zu dieſer aͤrtztin hin!
Sie wird das fell gar bald von euren augen ziehn.
Jn bruͤchen iſt ſie ſchon von alters her bekannt:
Sie ſchneidet wurm und ſtein: ſie heilt die tieffſten wunden
Mit biſam-pflaſter zu: ja ſelbſt der kalte brand
Hat oͤffters ihre krafft und widerſtand empfunden.
Und draut ja etwas noch den ſterblichen das grab,
Dem hilfft ihr ſchrepffe-kopf und aderlaſſen ab.
Ja was noch druͤber iſt: Sie macht geſichter neu:
Sie pflegt mit hoher hand die baͤrte ſelbſt zu butzen:
Und ſchafft durch kunſt und fleiß in jhrer baderey,
Daß alte maͤnner offt wie juncker haͤnßgen ſtutzen.
Begluͤckte baderey! Nur diß iſt nicht gar gut:
Daß ſie den badern ſelbſt ſo viel zum poſſen thut.
Jhr guten herren wißt offt nicht, wer vor euch ſitzt,
Wenn jungfern purpur-ſafft aus ihren adern zaͤpffen,
Und ihr der glieder-ſchnee voll blum- und nahmen ritzt,
Daß alle tropffen nichts als treu und liebe ſchrepffen.
Da wird die flitte dann ſo wunderlich geruͤhrt,
Daß man den bad er ſelbſt ins krancken-bette fuͤhrt.
Komm,
J 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |