Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Begräbniß-Getichte. Du hast mir freylich wohl viel lust allhier gegeben;Allein sie ist dahin, und so, wie du, vorbey. Jch bin nicht, was ich war; ich bin es nur gewesen: Dein mund, der mich ergetzt, ist nur ein leerer traum: Dein geist, der mich erquickt, ist ja wohl noch zu lesen: Man schreibt und spricht von ihm; Allein ich kenn ihn kaum. Denn alles, was man sagt, vermehrt nur meine schmertzen, So, wie du, werthe! sie vor diesem abgekehrt. Du warest meisterin von mir und meinem hertzen; Jtzt ist es ohne dich: Drum wird es auch verzehrt. Ach! warum scheidest du? o crone meiner seelen! Und warum werd ich nicht vor meiner liebsten bleich? Und wenn sie scheiden muß, ihr sinstern todten-hölen! Warum bedecket ihr uns beyde nicht zugleich? Sie ist nun würcklich todt; Jch sterb' all' augen-blicke An kräfften und an ruh; und dennoch sterb' ich nicht. Sie lebt mehr als zuvor, und herrscht in vollem glücke; Da mir inzwischen trost und auch der tod gebricht. O liebste! dencke nicht, daß ich dein wohl beweine; Jch wein um mich allein: dir gönn' ich deinen stand. Ein weiser trauret doch, und wär er auch von steine, Der so viel gutes klagt, als ich an dir gekannt. Haus, kinder, bette, tisch, sind dessen klare zeugen, Jch seh, wohin ich will, so fehlt mir nichts, als du. Mit dir erwach ich früh, eh sich die sterne neigen: Mit dir geh ich bey nacht auch wiederum zur ruh. Wiewohl, was sag ich ruh? zu meinen langen sorgen, Die, wenn ein ander schläft, bey mir erst auferstehn: Die täglich neue krafft aus deiner asche borgen, Ohn ende wachend seyn, und nie zu bette gehn. Die - - doch ich geh zu weit. Es ist des himmels wille, Daß du zur ruhe kommst, und ich hier leiden soll. Drum leid ich mit geduld, und halte willig stille, Er thue, was er will; so thut er dennoch wohl. Von ihm hab ich vor dem dein treues hertz empfangen: Er nimmet es mit recht auch wieder von mir hin; Doch K 5
Begraͤbniß-Getichte. Du haſt mir freylich wohl viel luſt allhier gegeben;Allein ſie iſt dahin, und ſo, wie du, vorbey. Jch bin nicht, was ich war; ich bin es nur geweſen: Dein mund, der mich ergetzt, iſt nur ein leerer traum: Dein geiſt, der mich erquickt, iſt ja wohl noch zu leſen: Man ſchreibt und ſpricht von ihm; Allein ich kenn ihn kaum. Denn alles, was man ſagt, vermehrt nur meine ſchmertzen, So, wie du, werthe! ſie vor dieſem abgekehrt. Du wareſt meiſterin von mir und meinem hertzen; Jtzt iſt es ohne dich: Drum wird es auch verzehrt. Ach! warum ſcheideſt du? o crone meiner ſeelen! Und warum werd ich nicht vor meiner liebſten bleich? Und wenn ſie ſcheiden muß, ihr ſinſtern todten-hoͤlen! Warum bedecket ihr uns beyde nicht zugleich? Sie iſt nun wuͤrcklich todt; Jch ſterb’ all’ augen-blicke An kraͤfften und an ruh; und dennoch ſterb’ ich nicht. Sie lebt mehr als zuvor, und herꝛſcht in vollem gluͤcke; Da mir inzwiſchen troſt und auch der tod gebricht. O liebſte! dencke nicht, daß ich dein wohl beweine; Jch wein um mich allein: dir goͤnn’ ich deinen ſtand. Ein weiſer trauret doch, und waͤr er auch von ſteine, Der ſo viel gutes klagt, als ich an dir gekannt. Haus, kinder, bette, tiſch, ſind deſſen klare zeugen, Jch ſeh, wohin ich will, ſo fehlt mir nichts, als du. Mit dir erwach ich fruͤh, eh ſich die ſterne neigen: Mit dir geh ich bey nacht auch wiederum zur ruh. Wiewohl, was ſag ich ruh? zu meinen langen ſorgen, Die, wenn ein ander ſchlaͤft, bey mir erſt auferſtehn: Die taͤglich neue krafft aus deiner aſche borgen, Ohn ende wachend ſeyn, und nie zu bette gehn. Die ‒ ‒ doch ich geh zu weit. Es iſt des himmels wille, Daß du zur ruhe kommſt, und ich hier leiden ſoll. Drum leid ich mit geduld, und halte willig ſtille, Er thue, was er will; ſo thut er dennoch wohl. Von ihm hab ich vor dem dein treues hertz empfangen: Er nimmet es mit recht auch wieder von mir hin; Doch K 5
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Begraͤbniß-Getichte.
Du haſt mir freylich wohl viel luſt allhier gegeben;
Allein ſie iſt dahin, und ſo, wie du, vorbey.
Jch bin nicht, was ich war; ich bin es nur geweſen:
Dein mund, der mich ergetzt, iſt nur ein leerer traum:
Dein geiſt, der mich erquickt, iſt ja wohl noch zu leſen:
Man ſchreibt und ſpricht von ihm; Allein ich kenn ihn kaum.
Denn alles, was man ſagt, vermehrt nur meine ſchmertzen,
So, wie du, werthe! ſie vor dieſem abgekehrt.
Du wareſt meiſterin von mir und meinem hertzen;
Jtzt iſt es ohne dich: Drum wird es auch verzehrt.
Ach! warum ſcheideſt du? o crone meiner ſeelen!
Und warum werd ich nicht vor meiner liebſten bleich?
Und wenn ſie ſcheiden muß, ihr ſinſtern todten-hoͤlen!
Warum bedecket ihr uns beyde nicht zugleich?
Sie iſt nun wuͤrcklich todt; Jch ſterb’ all’ augen-blicke
An kraͤfften und an ruh; und dennoch ſterb’ ich nicht.
Sie lebt mehr als zuvor, und herꝛſcht in vollem gluͤcke;
Da mir inzwiſchen troſt und auch der tod gebricht.
O liebſte! dencke nicht, daß ich dein wohl beweine;
Jch wein um mich allein: dir goͤnn’ ich deinen ſtand.
Ein weiſer trauret doch, und waͤr er auch von ſteine,
Der ſo viel gutes klagt, als ich an dir gekannt.
Haus, kinder, bette, tiſch, ſind deſſen klare zeugen,
Jch ſeh, wohin ich will, ſo fehlt mir nichts, als du.
Mit dir erwach ich fruͤh, eh ſich die ſterne neigen:
Mit dir geh ich bey nacht auch wiederum zur ruh.
Wiewohl, was ſag ich ruh? zu meinen langen ſorgen,
Die, wenn ein ander ſchlaͤft, bey mir erſt auferſtehn:
Die taͤglich neue krafft aus deiner aſche borgen,
Ohn ende wachend ſeyn, und nie zu bette gehn.
Die ‒ ‒ doch ich geh zu weit. Es iſt des himmels wille,
Daß du zur ruhe kommſt, und ich hier leiden ſoll.
Drum leid ich mit geduld, und halte willig ſtille,
Er thue, was er will; ſo thut er dennoch wohl.
Von ihm hab ich vor dem dein treues hertz empfangen:
Er nimmet es mit recht auch wieder von mir hin;
Doch
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