Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Begräbniß-Getichte. Wie seelig war die zeit, da man auf grünes grasEin schatticht lauber-zelt von ulmen-bäumen setzte, Und eine wand von holtz vor feste mauren schätzte, Da man mit guter ruh in schlechten hütten saß! Allein, wie ändert sich das wesen unsrer zeiten? Wenn schlösser in der lufft, im wasser thürme stehn: Wenn die palläste sich dem himmel gleich erhöhn: Und neue riesen stets mit denen göttern streiten. Man bricht der erden schacht, der felsen abgrund auf: Der wald muß cedern-holtz, die fluthen perlen geben: Man pflantzet berge fort, und hemmt der wellen lauff: Man baut, als wolte man gantz ohne sterben leben. Wo stieg die vorwelt nicht mit ihrem vorwitz hin? Wenn Babels finger will biß an die wolcken reichen, So muß ein stoltzer thurm dem höchsten berge gleichen: Dort rühmt Mausolus grab die grosse meisterin: Dort muß ein schilfficht grund Dianens tempel tragen: Wenn sich der Cyrus sonst in göldne wände schliest, Und um des Nilus strand ein berg ein grabmahl ist. Des Hammons götzen-bild läst wunder von sich sagen: Ein prächtiger Coloß macht Nhodis ufer werth; Allein! wo sind sie nun mit ihrem pracht geblieben? Die zeit hat sie verstört, der wurm hat sie verzehrt, Und ihr gedächtniß ist kaum in den sand geschrieben. Melaus mag sein haus von helffenbeine baun, Die nach-welt wird es doch als eine fabel lesen: Wer ist Atpalipa, und wo sein sitz gewesen, Der aus saphiere ließ des bodens pflaster haun? Fragt nach des Scaurus burg, die voller muschel-früchte! Sucht das erystallne schloß, darinne Drusus saß! Der sturm frist ertz wie holtz, bricht steine wie das glas: Das rauhe schicksal macht porphir und gold zu nichte: Die zeit sieht solchen schmuck mit scheelen augen an: Sie sucht den gräbern selbst ein grabmahl zu bereiten: Sie macht den schönsten bau zu einem aschen-plan, Und gräbt den titul drauf: Hier liegen eitelkeiten: Gebt
Begraͤbniß-Getichte. Wie ſeelig war die zeit, da man auf gruͤnes grasEin ſchatticht lauber-zelt von ulmen-baͤumen ſetzte, Und eine wand von holtz vor feſte mauren ſchaͤtzte, Da man mit guter ruh in ſchlechten huͤtten ſaß! Allein, wie aͤndert ſich das weſen unſrer zeiten? Wenn ſchloͤſſer in der lufft, im waſſer thuͤrme ſtehn: Wenn die pallaͤſte ſich dem himmel gleich erhoͤhn: Und neue rieſen ſtets mit denen goͤttern ſtreiten. Man bricht der erden ſchacht, der felſen abgrund auf: Der wald muß cedern-holtz, die fluthen perlen geben: Man pflantzet berge fort, und hemmt der wellen lauff: Man baut, als wolte man gantz ohne ſterben leben. Wo ſtieg die vorwelt nicht mit ihrem vorwitz hin? Wenn Babels finger will biß an die wolcken reichen, So muß ein ſtoltzer thurm dem hoͤchſten berge gleichen: Dort ruͤhmt Mauſolus grab die groſſe meiſterin: Dort muß ein ſchilfficht grund Dianens tempel tragen: Wenn ſich der Cyrus ſonſt in goͤldne waͤnde ſchlieſt, Und um des Nilus ſtrand ein berg ein grabmahl iſt. Des Hammons goͤtzen-bild laͤſt wunder von ſich ſagen: Ein praͤchtiger Coloß macht Nhodis ufer werth; Allein! wo ſind ſie nun mit ihrem pracht geblieben? Die zeit hat ſie verſtoͤrt, der wurm hat ſie verzehrt, Und ihr gedaͤchtniß iſt kaum in den ſand geſchrieben. Melaus mag ſein haus von helffenbeine baun, Die nach-welt wird es doch als eine fabel leſen: Wer iſt Atpalipa, und wo ſein ſitz geweſen, Der aus ſaphiere ließ des bodens pflaſter haun? Fragt nach des Scaurus burg, die voller muſchel-fruͤchte! Sucht das eryſtallne ſchloß, darinne Druſus ſaß! Der ſturm friſt ertz wie holtz, bricht ſteine wie das glas: Das rauhe ſchickſal macht porphir und gold zu nichte: Die zeit ſieht ſolchen ſchmuck mit ſcheelen augen an: Sie ſucht den graͤbern ſelbſt ein grabmahl zu bereiten: Sie macht den ſchoͤnſten bau zu einem aſchen-plan, Und graͤbt den titul drauf: Hier liegen eitelkeiten: Gebt
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Begraͤbniß-Getichte.
Wie ſeelig war die zeit, da man auf gruͤnes gras
Ein ſchatticht lauber-zelt von ulmen-baͤumen ſetzte,
Und eine wand von holtz vor feſte mauren ſchaͤtzte,
Da man mit guter ruh in ſchlechten huͤtten ſaß!
Allein, wie aͤndert ſich das weſen unſrer zeiten?
Wenn ſchloͤſſer in der lufft, im waſſer thuͤrme ſtehn:
Wenn die pallaͤſte ſich dem himmel gleich erhoͤhn:
Und neue rieſen ſtets mit denen goͤttern ſtreiten.
Man bricht der erden ſchacht, der felſen abgrund auf:
Der wald muß cedern-holtz, die fluthen perlen geben:
Man pflantzet berge fort, und hemmt der wellen lauff:
Man baut, als wolte man gantz ohne ſterben leben.
Wo ſtieg die vorwelt nicht mit ihrem vorwitz hin?
Wenn Babels finger will biß an die wolcken reichen,
So muß ein ſtoltzer thurm dem hoͤchſten berge gleichen:
Dort ruͤhmt Mauſolus grab die groſſe meiſterin:
Dort muß ein ſchilfficht grund Dianens tempel tragen:
Wenn ſich der Cyrus ſonſt in goͤldne waͤnde ſchlieſt,
Und um des Nilus ſtrand ein berg ein grabmahl iſt.
Des Hammons goͤtzen-bild laͤſt wunder von ſich ſagen:
Ein praͤchtiger Coloß macht Nhodis ufer werth;
Allein! wo ſind ſie nun mit ihrem pracht geblieben?
Die zeit hat ſie verſtoͤrt, der wurm hat ſie verzehrt,
Und ihr gedaͤchtniß iſt kaum in den ſand geſchrieben.
Melaus mag ſein haus von helffenbeine baun,
Die nach-welt wird es doch als eine fabel leſen:
Wer iſt Atpalipa, und wo ſein ſitz geweſen,
Der aus ſaphiere ließ des bodens pflaſter haun?
Fragt nach des Scaurus burg, die voller muſchel-fruͤchte!
Sucht das eryſtallne ſchloß, darinne Druſus ſaß!
Der ſturm friſt ertz wie holtz, bricht ſteine wie das glas:
Das rauhe ſchickſal macht porphir und gold zu nichte:
Die zeit ſieht ſolchen ſchmuck mit ſcheelen augen an:
Sie ſucht den graͤbern ſelbſt ein grabmahl zu bereiten:
Sie macht den ſchoͤnſten bau zu einem aſchen-plan,
Und graͤbt den titul drauf: Hier liegen eitelkeiten:
Gebt
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