Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Begräbniß-Getichte. Jst würdig, solchen schatz mit sich ins grab zu schliessen.Wie sollt auch nicht der brunn der augen sich ergiessen, Wenn uns der tod ein stück aus unsern hertzen reißt? Das chor der Gratien, so seinen holden geist Bald mit der ersten milch Lenoren eingeflösset, Macht selbst die wangen naß. Die eltern-liebe stöffet Dann billich seufftzer aus. Der anverwandten mund Giebt bey der kleinen leich ihr grosses beyleyd kund. Sie pflantzen um den sarg die traurigen cypressen. Wir können selbst hierbey die blumen nicht vergessen, Die unsre tieffe pflicht um diese bahre streut. Doch ist kein balsam da, der die durch traurigkeit Geschlagne wunden heilt? Wir können nicht verneinen, Daß statt der sternen hier nur finstre wolcken scheinen, Und daß gar wenig trost in unser hertze steigt, Wenn man der augen licht hin zu dem grabe neigt. Allein, wie offtermahls aus aufgeritzten bäumen Ein heilsam wasser quillt, und meere perlen schäumen, Wenn der erhitzte sturm die höchsten wellen schmeist; So wird, wenn der von harm zu tieff gebogne geist Sich von dem schwartzen sarg auf jenes Eden lencket, Wo tausend sonnen sind, das, was es vor gekräncket, Ein schatten, der so schnell, als wie ein blitz, vergeht. Hier ist es, wo der brunn des wahren trostes steht, Dahin kein Seneca betrübte seelen führet, So hoch er immer steigt. Ein Christ, der viel verliehret, Verliehret dennoch nichts, wenn nur sein geist erwacht, Und durch des hertzens krafft dem hertzen flügel macht, Um aus der finsterniß sich dahin aufzuschwingen, Allwo sein alles wohnt, das alles wiederbringen, Und nichts verwerffen kan, was seinen sohn umfast. Diß, hoch-betrübtes haus! wältzt hoffentlich die last Von der beklemmten brust. Denn der die kinder liebet, Hat das beliebte kind, das ferner nichts betrübet, Als eine theure blum, ins paradieß versetzt, Wo ihm kein winter dräut. Darum, hoch-edle! netzt Die N 3
Begraͤbniß-Getichte. Jſt wuͤrdig, ſolchen ſchatz mit ſich ins grab zu ſchlieſſen.Wie ſollt auch nicht der brunn der augen ſich ergieſſen, Wenn uns der tod ein ſtuͤck aus unſern hertzen reißt? Das chor der Gratien, ſo ſeinen holden geiſt Bald mit der erſten milch Lenoren eingefloͤſſet, Macht ſelbſt die wangen naß. Die eltern-liebe ſtoͤffet Dann billich ſeufftzer aus. Der anverwandten mund Giebt bey der kleinen leich ihr groſſes beyleyd kund. Sie pflantzen um den ſarg die traurigen cypreſſen. Wir koͤnnen ſelbſt hierbey die blumen nicht vergeſſen, Die unſre tieffe pflicht um dieſe bahre ſtreut. Doch iſt kein balſam da, der die durch traurigkeit Geſchlagne wunden heilt? Wir koͤnnen nicht verneinen, Daß ſtatt der ſternen hier nur finſtre wolcken ſcheinen, Und daß gar wenig troſt in unſer hertze ſteigt, Wenn man der augen licht hin zu dem grabe neigt. Allein, wie offtermahls aus aufgeritzten baͤumen Ein heilſam waſſer quillt, und meere perlen ſchaͤumen, Wenn der erhitzte ſturm die hoͤchſten wellen ſchmeiſt; So wird, wenn der von harm zu tieff gebogne geiſt Sich von dem ſchwartzen ſarg auf jenes Eden lencket, Wo tauſend ſonnen ſind, das, was es vor gekraͤncket, Ein ſchatten, der ſo ſchnell, als wie ein blitz, vergeht. Hier iſt es, wo der brunn des wahren troſtes ſteht, Dahin kein Seneca betruͤbte ſeelen fuͤhret, So hoch er immer ſteigt. Ein Chriſt, der viel verliehret, Verliehret dennoch nichts, wenn nur ſein geiſt erwacht, Und durch des hertzens krafft dem hertzen fluͤgel macht, Um aus der finſterniß ſich dahin aufzuſchwingen, Allwo ſein alles wohnt, das alles wiederbringen, Und nichts verwerffen kan, was ſeinen ſohn umfaſt. Diß, hoch-betruͤbtes haus! waͤltzt hoffentlich die laſt Von der beklemmten bruſt. Denn der die kinder liebet, Hat das beliebte kind, das ferner nichts betruͤbet, Als eine theure blum, ins paradieß verſetzt, Wo ihm kein winter draͤut. Darum, hoch-edle! netzt Die N 3
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Begraͤbniß-Getichte.
Jſt wuͤrdig, ſolchen ſchatz mit ſich ins grab zu ſchlieſſen.
Wie ſollt auch nicht der brunn der augen ſich ergieſſen,
Wenn uns der tod ein ſtuͤck aus unſern hertzen reißt?
Das chor der Gratien, ſo ſeinen holden geiſt
Bald mit der erſten milch Lenoren eingefloͤſſet,
Macht ſelbſt die wangen naß. Die eltern-liebe ſtoͤffet
Dann billich ſeufftzer aus. Der anverwandten mund
Giebt bey der kleinen leich ihr groſſes beyleyd kund.
Sie pflantzen um den ſarg die traurigen cypreſſen.
Wir koͤnnen ſelbſt hierbey die blumen nicht vergeſſen,
Die unſre tieffe pflicht um dieſe bahre ſtreut.
Doch iſt kein balſam da, der die durch traurigkeit
Geſchlagne wunden heilt? Wir koͤnnen nicht verneinen,
Daß ſtatt der ſternen hier nur finſtre wolcken ſcheinen,
Und daß gar wenig troſt in unſer hertze ſteigt,
Wenn man der augen licht hin zu dem grabe neigt.
Allein, wie offtermahls aus aufgeritzten baͤumen
Ein heilſam waſſer quillt, und meere perlen ſchaͤumen,
Wenn der erhitzte ſturm die hoͤchſten wellen ſchmeiſt;
So wird, wenn der von harm zu tieff gebogne geiſt
Sich von dem ſchwartzen ſarg auf jenes Eden lencket,
Wo tauſend ſonnen ſind, das, was es vor gekraͤncket,
Ein ſchatten, der ſo ſchnell, als wie ein blitz, vergeht.
Hier iſt es, wo der brunn des wahren troſtes ſteht,
Dahin kein Seneca betruͤbte ſeelen fuͤhret,
So hoch er immer ſteigt. Ein Chriſt, der viel verliehret,
Verliehret dennoch nichts, wenn nur ſein geiſt erwacht,
Und durch des hertzens krafft dem hertzen fluͤgel macht,
Um aus der finſterniß ſich dahin aufzuſchwingen,
Allwo ſein alles wohnt, das alles wiederbringen,
Und nichts verwerffen kan, was ſeinen ſohn umfaſt.
Diß, hoch-betruͤbtes haus! waͤltzt hoffentlich die laſt
Von der beklemmten bruſt. Denn der die kinder liebet,
Hat das beliebte kind, das ferner nichts betruͤbet,
Als eine theure blum, ins paradieß verſetzt,
Wo ihm kein winter draͤut. Darum, hoch-edle! netzt
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