Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Vermischte Getichte. Halb krumm und lahm curirt? Wie traurig kunt er sitzen,Wenn er ihn kommen sah mit pflastern, wicken, spritzen! Wie öffters hat er doch dieselbe nacht verflucht, Da auf dem Donau-strom die Venus wurd besucht! Und was dergleichen mehr, wer weiß sie all zu nennen? Mein freund! die wahrheit ists, ich muß es selbst bekennen, Deß ich so liederlich, wie du, vorhin gelebt: Viel terpentin gebraucht: Viel pflaster aufgeklebt: Ja, daß ich endlich, um den sünden abzukommen, Mir hab ein eigen weib auf meinen leib genommen: Mit welcher mirs geglückt, mit der ich leben kan, Nach meines hertzens wunsch, als ein vergnügter mann; Und also hab' ichs zwar nach meinem theil getroffen, Doch, was ich schon erlangt, das must du erstlich hoffen. Wie? wenn dein engelgen dereinst, wie jene, spricht: Mein kind! was lernet man doch wohl bey hofe nicht? Es ist gefahr dabey, wenn man in deinen jahren Erst an das freyen denckt: Der frühling muß sich paaren. Wenn in dem winter schon die sonn in steinbock tritt, Da bringt das zeichen auch gewiß die hörner mit. Jsts aber nicht mehr zeit? So wünsch ich dir von hertzen, Daß du nur mit geduld dein leiden mögst verschmertzen, Und wenn es endlich nicht ist ferner auszustehn, Gecrönt, als märtyrer, dann in den himmel gehn! Der mit geitz vermählte eigen-sinn. MEin freund! ich frage dich: Jsts wohl der rede werth,Daß die erzürnte laus dir in die leber fährt, Jndem ich blos allein zum zeit-vertreib geschrieben, Und du an ehr und gut gantz unbeschädigt blieben? Denn was in solcher schrifft zum possen vorgebracht, Hat dich gewiß nicht kranck, geschweige todt, gemacht. Was gilts? wenn andern man dergleichen schreiben wollen, Wie hättest du alsbald so treulich helffen sollen! Jch R 3
Vermiſchte Getichte. Halb krumm und lahm curirt? Wie traurig kunt er ſitzen,Wenn er ihn kommen ſah mit pflaſtern, wicken, ſpritzen! Wie oͤffters hat er doch dieſelbe nacht verflucht, Da auf dem Donau-ſtrom die Venus wurd beſucht! Und was dergleichen mehr, wer weiß ſie all zu nennen? Mein freund! die wahrheit iſts, ich muß es ſelbſt bekennen, Deß ich ſo liederlich, wie du, vorhin gelebt: Viel terpentin gebraucht: Viel pflaſter aufgeklebt: Ja, daß ich endlich, um den ſuͤnden abzukommen, Mir hab ein eigen weib auf meinen leib genommen: Mit welcher mirs gegluͤckt, mit der ich leben kan, Nach meines hertzens wunſch, als ein vergnuͤgter mann; Und alſo hab’ ichs zwar nach meinem theil getroffen, Doch, was ich ſchon erlangt, das muſt du erſtlich hoffen. Wie? wenn dein engelgen dereinſt, wie jene, ſpricht: Mein kind! was lernet man doch wohl bey hofe nicht? Es iſt gefahr dabey, wenn man in deinen jahren Erſt an das freyen denckt: Der fruͤhling muß ſich paaren. Wenn in dem winter ſchon die ſonn in ſteinbock tritt, Da bringt das zeichen auch gewiß die hoͤrner mit. Jſts aber nicht mehr zeit? So wuͤnſch ich dir von hertzen, Daß du nur mit geduld dein leiden moͤgſt verſchmertzen, Und wenn es endlich nicht iſt ferner auszuſtehn, Gecroͤnt, als maͤrtyrer, dann in den himmel gehn! Der mit geitz vermaͤhlte eigen-ſinn. MEin freund! ich frage dich: Jſts wohl der rede werth,Daß die erzuͤrnte laus dir in die leber faͤhrt, Jndem ich blos allein zum zeit-vertreib geſchrieben, Und du an ehr und gut gantz unbeſchaͤdigt blieben? Denn was in ſolcher ſchrifft zum poſſen vorgebracht, Hat dich gewiß nicht kranck, geſchweige todt, gemacht. Was gilts? wenn andern man dergleichen ſchreiben wollen, Wie haͤtteſt du alsbald ſo treulich helffen ſollen! Jch R 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0285" n="261"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermiſchte Getichte.</hi> </fw><lb/> <l>Halb krumm und lahm curirt? Wie traurig kunt er ſitzen,</l><lb/> <l>Wenn er ihn kommen ſah mit pflaſtern, wicken, ſpritzen!</l><lb/> <l>Wie oͤffters hat er doch dieſelbe nacht verflucht,</l><lb/> <l>Da auf dem Donau-ſtrom die Venus wurd beſucht!</l><lb/> <l>Und was dergleichen mehr, wer weiß ſie all zu nennen?</l><lb/> <l>Mein freund! die wahrheit iſts, ich muß es ſelbſt bekennen,</l><lb/> <l>Deß ich ſo liederlich, wie du, vorhin gelebt:</l><lb/> <l>Viel terpentin gebraucht: Viel pflaſter aufgeklebt:</l><lb/> <l>Ja, daß ich endlich, um den ſuͤnden abzukommen,</l><lb/> <l>Mir hab ein eigen weib auf meinen leib genommen:</l><lb/> <l>Mit welcher mirs gegluͤckt, mit der ich leben kan,</l><lb/> <l>Nach meines hertzens wunſch, als ein vergnuͤgter mann;</l><lb/> <l>Und alſo hab’ ichs zwar nach meinem theil getroffen,</l><lb/> <l>Doch, was ich ſchon erlangt, das muſt du erſtlich hoffen.</l><lb/> <l>Wie? wenn dein engelgen dereinſt, wie jene, ſpricht:</l><lb/> <l>Mein kind! was lernet man doch wohl bey hofe nicht?</l><lb/> <l>Es iſt gefahr dabey, wenn man in deinen jahren</l><lb/> <l>Erſt an das freyen denckt: Der fruͤhling muß ſich paaren.</l><lb/> <l>Wenn in dem winter ſchon die ſonn in ſteinbock tritt,</l><lb/> <l>Da bringt das zeichen auch gewiß die hoͤrner mit.</l><lb/> <l>Jſts aber nicht mehr zeit? So wuͤnſch ich dir von hertzen,</l><lb/> <l>Daß du nur mit geduld dein leiden moͤgſt verſchmertzen,</l><lb/> <l>Und wenn es endlich nicht iſt ferner auszuſtehn,</l><lb/> <l>Gecroͤnt, als maͤrtyrer, dann in den himmel gehn!</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b">Der mit geitz vermaͤhlte eigen-ſinn.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">M</hi>Ein freund! ich frage dich: Jſts wohl der rede werth,</l><lb/> <l>Daß die erzuͤrnte laus dir in die leber faͤhrt,</l><lb/> <l>Jndem ich blos allein zum zeit-vertreib geſchrieben,</l><lb/> <l>Und du an ehr und gut gantz unbeſchaͤdigt blieben?</l><lb/> <l>Denn was in ſolcher ſchrifft zum poſſen vorgebracht,</l><lb/> <l>Hat dich gewiß nicht kranck, geſchweige todt, gemacht.</l><lb/> <l>Was gilts? wenn andern man dergleichen ſchreiben wollen,</l><lb/> <l>Wie haͤtteſt du alsbald ſo treulich helffen ſollen!</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">R 3</fw> <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [261/0285]
Vermiſchte Getichte.
Halb krumm und lahm curirt? Wie traurig kunt er ſitzen,
Wenn er ihn kommen ſah mit pflaſtern, wicken, ſpritzen!
Wie oͤffters hat er doch dieſelbe nacht verflucht,
Da auf dem Donau-ſtrom die Venus wurd beſucht!
Und was dergleichen mehr, wer weiß ſie all zu nennen?
Mein freund! die wahrheit iſts, ich muß es ſelbſt bekennen,
Deß ich ſo liederlich, wie du, vorhin gelebt:
Viel terpentin gebraucht: Viel pflaſter aufgeklebt:
Ja, daß ich endlich, um den ſuͤnden abzukommen,
Mir hab ein eigen weib auf meinen leib genommen:
Mit welcher mirs gegluͤckt, mit der ich leben kan,
Nach meines hertzens wunſch, als ein vergnuͤgter mann;
Und alſo hab’ ichs zwar nach meinem theil getroffen,
Doch, was ich ſchon erlangt, das muſt du erſtlich hoffen.
Wie? wenn dein engelgen dereinſt, wie jene, ſpricht:
Mein kind! was lernet man doch wohl bey hofe nicht?
Es iſt gefahr dabey, wenn man in deinen jahren
Erſt an das freyen denckt: Der fruͤhling muß ſich paaren.
Wenn in dem winter ſchon die ſonn in ſteinbock tritt,
Da bringt das zeichen auch gewiß die hoͤrner mit.
Jſts aber nicht mehr zeit? So wuͤnſch ich dir von hertzen,
Daß du nur mit geduld dein leiden moͤgſt verſchmertzen,
Und wenn es endlich nicht iſt ferner auszuſtehn,
Gecroͤnt, als maͤrtyrer, dann in den himmel gehn!
Der mit geitz vermaͤhlte eigen-ſinn.
MEin freund! ich frage dich: Jſts wohl der rede werth,
Daß die erzuͤrnte laus dir in die leber faͤhrt,
Jndem ich blos allein zum zeit-vertreib geſchrieben,
Und du an ehr und gut gantz unbeſchaͤdigt blieben?
Denn was in ſolcher ſchrifft zum poſſen vorgebracht,
Hat dich gewiß nicht kranck, geſchweige todt, gemacht.
Was gilts? wenn andern man dergleichen ſchreiben wollen,
Wie haͤtteſt du alsbald ſo treulich helffen ſollen!
Jch
R 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |