Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Leanders aus Schlesien
Wir gründen uns umsonst auf alte sätz und bücher.
Er hört nicht, was der mensch hier vor gerichte hegt;
Die lorbern bleiben schon vor keinem donner sicher,
Wenn sie gleich Phöbus selbst auf seiner scheitel trägt.
Du bist, erblaster Freund! ein allzuklar exempel,
Das uns nicht ohne schmertz der wahrheit überführt;
Dich schützt kein lorber-krantz, kein hoher ehren-tempel,
Kein buch, kein göldner ring, mit dem dich Themis ziert.
Wir schauen deinen leib nur in die grufft versencken:
Dein allzufrüher tod preßt tausend thränen aus;
Doch stirbt die tugend nicht: Dein rühmlich angedencken
Schwingt, als ein adler, sich biß an das sonnen-haus.
Wer so, wie du, gelebt, kan ohnedem nicht sterben:
Wer dich gekennet hat, kennt auch dein christenthum;
Und wenn die lorbern gleich verdorren und verderben,
So blüht und tauret doch dein wahrer ehren-ruhm.
Die Themis will dir selbst ein schönes denckmahl stifften,
Sie stellt uns deinen fleiß zu einem muster vor:
Du schärfftest deinen witz in lesung kluger schrifften,
Wenn mancher seine zeit durch müßiggang verlohr.
Und darum kontest du mit ehren lorbern tragen:
Fridriciana crönt die idioten nicht;
Man muß die barbarey erst aus dem felde schlagen,
Eh' man die cron erlangt, so die gelahrheit flicht.
Wer dich gehöret hat, der weiß, wie du gesieget,
Und was der grosse Stryck dir für ein lob ertheilt.
Wer weiß, ob nicht der trost, der hier verborgen lieget,
Des vaters tieffen schmertz in etwas dämpfft und heilt.
Es geht wohl bitter ein, wenn solche söhn' erblassen;
Doch wer mit ehren stirbt, der stirbt nicht allzufrüh.
Dergleichen schlüsse sind zwar freylich schwer zu fassen:
Und wer so viel verliehrt, lernt sie nicht ohne müh.
Je doch, Betrübte! glaubt, ihr habet nichts verlohren:
Denn das, was ihr beweint, umfaßt kein marmel-stein;
Es war der edle geist nicht vor die welt gebohren,
Die engel führten ihn ins reich der himmel ein.
Ver-
Leanders aus Schleſien
Wir gruͤnden uns umſonſt auf alte ſaͤtz und buͤcher.
Er hoͤrt nicht, was der menſch hier vor gerichte hegt;
Die lorbern bleiben ſchon vor keinem donner ſicher,
Wenn ſie gleich Phoͤbus ſelbſt auf ſeiner ſcheitel traͤgt.
Du biſt, erblaſter Freund! ein allzuklar exempel,
Das uns nicht ohne ſchmertz der wahrheit uͤberfuͤhrt;
Dich ſchuͤtzt kein lorber-krantz, kein hoher ehren-tempel,
Kein buch, kein goͤldner ring, mit dem dich Themis ziert.
Wir ſchauen deinen leib nur in die grufft verſencken:
Dein allzufruͤher tod preßt tauſend thraͤnen aus;
Doch ſtirbt die tugend nicht: Dein ruͤhmlich angedencken
Schwingt, als ein adler, ſich biß an das ſonnen-haus.
Wer ſo, wie du, gelebt, kan ohnedem nicht ſterben:
Wer dich gekennet hat, kennt auch dein chriſtenthum;
Und wenn die lorbern gleich verdorren und verderben,
So bluͤht und tauret doch dein wahrer ehren-ruhm.
Die Themis will dir ſelbſt ein ſchoͤnes denckmahl ſtifften,
Sie ſtellt uns deinen fleiß zu einem muſter vor:
Du ſchaͤrffteſt deinen witz in leſung kluger ſchrifften,
Wenn mancher ſeine zeit durch muͤßiggang verlohr.
Und darum konteſt du mit ehren lorbern tragen:
Fridriciana croͤnt die idioten nicht;
Man muß die barbarey erſt aus dem felde ſchlagen,
Eh’ man die cron erlangt, ſo die gelahrheit flicht.
Wer dich gehoͤret hat, der weiß, wie du geſieget,
Und was der groſſe Stryck dir fuͤr ein lob ertheilt.
Wer weiß, ob nicht der troſt, der hier verborgen lieget,
Des vaters tieffen ſchmertz in etwas daͤmpfft und heilt.
Es geht wohl bitter ein, wenn ſolche ſoͤhn’ erblaſſen;
Doch wer mit ehren ſtirbt, der ſtirbt nicht allzufruͤh.
Dergleichen ſchluͤſſe ſind zwar freylich ſchwer zu faſſen:
Und wer ſo viel verliehrt, lernt ſie nicht ohne muͤh.
Je doch, Betruͤbte! glaubt, ihr habet nichts verlohren:
Denn das, was ihr beweint, umfaßt kein marmel-ſtein;
Es war der edle geiſt nicht vor die welt gebohren,
Die engel fuͤhrten ihn ins reich der himmel ein.
Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0350" n="326"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leanders aus Schle&#x017F;ien</hi> </fw><lb/>
            <l>Wir gru&#x0364;nden uns um&#x017F;on&#x017F;t auf alte &#x017F;a&#x0364;tz und bu&#x0364;cher.</l><lb/>
            <l>Er ho&#x0364;rt nicht, was der men&#x017F;ch hier vor gerichte hegt;</l><lb/>
            <l>Die lorbern bleiben &#x017F;chon vor keinem donner &#x017F;icher,</l><lb/>
            <l>Wenn &#x017F;ie gleich Pho&#x0364;bus &#x017F;elb&#x017F;t auf &#x017F;einer &#x017F;cheitel tra&#x0364;gt.</l><lb/>
            <l>Du bi&#x017F;t, erbla&#x017F;ter Freund! ein allzuklar exempel,</l><lb/>
            <l>Das uns nicht ohne &#x017F;chmertz der wahrheit u&#x0364;berfu&#x0364;hrt;</l><lb/>
            <l>Dich &#x017F;chu&#x0364;tzt kein lorber-krantz, kein hoher ehren-tempel,</l><lb/>
            <l>Kein buch, kein go&#x0364;ldner ring, mit dem dich Themis ziert.</l><lb/>
            <l>Wir &#x017F;chauen deinen leib nur in die grufft ver&#x017F;encken:</l><lb/>
            <l>Dein allzufru&#x0364;her tod preßt tau&#x017F;end thra&#x0364;nen aus;</l><lb/>
            <l>Doch &#x017F;tirbt die tugend nicht: Dein ru&#x0364;hmlich angedencken</l><lb/>
            <l>Schwingt, als ein adler, &#x017F;ich biß an das &#x017F;onnen-haus.</l><lb/>
            <l>Wer &#x017F;o, wie du, gelebt, kan ohnedem nicht &#x017F;terben:</l><lb/>
            <l>Wer dich gekennet hat, kennt auch dein chri&#x017F;tenthum;</l><lb/>
            <l>Und wenn die lorbern gleich verdorren und verderben,</l><lb/>
            <l>So blu&#x0364;ht und tauret doch dein wahrer ehren-ruhm.</l><lb/>
            <l>Die Themis will dir &#x017F;elb&#x017F;t ein &#x017F;cho&#x0364;nes denckmahl &#x017F;tifften,</l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;tellt uns deinen fleiß zu einem mu&#x017F;ter vor:</l><lb/>
            <l>Du &#x017F;cha&#x0364;rffte&#x017F;t deinen witz in le&#x017F;ung kluger &#x017F;chrifften,</l><lb/>
            <l>Wenn mancher &#x017F;eine zeit durch mu&#x0364;ßiggang verlohr.</l><lb/>
            <l>Und darum konte&#x017F;t du mit ehren lorbern tragen:</l><lb/>
            <l>Fridriciana cro&#x0364;nt die idioten nicht;</l><lb/>
            <l>Man muß die barbarey er&#x017F;t aus dem felde &#x017F;chlagen,</l><lb/>
            <l>Eh&#x2019; man die cron erlangt, &#x017F;o die gelahrheit flicht.</l><lb/>
            <l>Wer dich geho&#x0364;ret hat, der weiß, wie du ge&#x017F;ieget,</l><lb/>
            <l>Und was der gro&#x017F;&#x017F;e Stryck dir fu&#x0364;r ein lob ertheilt.</l><lb/>
            <l>Wer weiß, ob nicht der tro&#x017F;t, der hier verborgen lieget,</l><lb/>
            <l>Des vaters tieffen &#x017F;chmertz in etwas da&#x0364;mpfft und heilt.</l><lb/>
            <l>Es geht wohl bitter ein, wenn &#x017F;olche &#x017F;o&#x0364;hn&#x2019; erbla&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Doch wer mit ehren &#x017F;tirbt, der &#x017F;tirbt nicht allzufru&#x0364;h.</l><lb/>
            <l>Dergleichen &#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind zwar freylich &#x017F;chwer zu fa&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
            <l>Und wer &#x017F;o viel verliehrt, lernt &#x017F;ie nicht ohne mu&#x0364;h.</l><lb/>
            <l>Je doch, Betru&#x0364;bte! glaubt, ihr habet nichts verlohren:</l><lb/>
            <l>Denn das, was ihr beweint, umfaßt kein marmel-&#x017F;tein;</l><lb/>
            <l>Es war der edle gei&#x017F;t nicht vor die welt gebohren,</l><lb/>
            <l>Die engel fu&#x0364;hrten ihn ins reich der himmel ein.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0350] Leanders aus Schleſien Wir gruͤnden uns umſonſt auf alte ſaͤtz und buͤcher. Er hoͤrt nicht, was der menſch hier vor gerichte hegt; Die lorbern bleiben ſchon vor keinem donner ſicher, Wenn ſie gleich Phoͤbus ſelbſt auf ſeiner ſcheitel traͤgt. Du biſt, erblaſter Freund! ein allzuklar exempel, Das uns nicht ohne ſchmertz der wahrheit uͤberfuͤhrt; Dich ſchuͤtzt kein lorber-krantz, kein hoher ehren-tempel, Kein buch, kein goͤldner ring, mit dem dich Themis ziert. Wir ſchauen deinen leib nur in die grufft verſencken: Dein allzufruͤher tod preßt tauſend thraͤnen aus; Doch ſtirbt die tugend nicht: Dein ruͤhmlich angedencken Schwingt, als ein adler, ſich biß an das ſonnen-haus. Wer ſo, wie du, gelebt, kan ohnedem nicht ſterben: Wer dich gekennet hat, kennt auch dein chriſtenthum; Und wenn die lorbern gleich verdorren und verderben, So bluͤht und tauret doch dein wahrer ehren-ruhm. Die Themis will dir ſelbſt ein ſchoͤnes denckmahl ſtifften, Sie ſtellt uns deinen fleiß zu einem muſter vor: Du ſchaͤrffteſt deinen witz in leſung kluger ſchrifften, Wenn mancher ſeine zeit durch muͤßiggang verlohr. Und darum konteſt du mit ehren lorbern tragen: Fridriciana croͤnt die idioten nicht; Man muß die barbarey erſt aus dem felde ſchlagen, Eh’ man die cron erlangt, ſo die gelahrheit flicht. Wer dich gehoͤret hat, der weiß, wie du geſieget, Und was der groſſe Stryck dir fuͤr ein lob ertheilt. Wer weiß, ob nicht der troſt, der hier verborgen lieget, Des vaters tieffen ſchmertz in etwas daͤmpfft und heilt. Es geht wohl bitter ein, wenn ſolche ſoͤhn’ erblaſſen; Doch wer mit ehren ſtirbt, der ſtirbt nicht allzufruͤh. Dergleichen ſchluͤſſe ſind zwar freylich ſchwer zu faſſen: Und wer ſo viel verliehrt, lernt ſie nicht ohne muͤh. Je doch, Betruͤbte! glaubt, ihr habet nichts verlohren: Denn das, was ihr beweint, umfaßt kein marmel-ſtein; Es war der edle geiſt nicht vor die welt gebohren, Die engel fuͤhrten ihn ins reich der himmel ein. Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/350
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/350>, abgerufen am 23.11.2024.