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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Leand. aus Schlesien Verm. Get.
Meinst du: Daß GOtt sein schwerd auf die gerechten wetzt,
Und einen heiligen so, wie itzt dich, verfluchet?
Das hab ich wohl gesehn, daß heuchler, die nur müh
Und unglück ausgesä't, auch unglück einbekommen:
Daß die vergnügte ruh verruchte sünder flieh:
Und daß des himmels grimm schon manchen hingenommen.
Denn wenn die löwen gleich aus vollem rachen brülln,
Und mit der scharffen klau in zarten hertzen wühlen:
So müssen sie zuletzt doch eine grube fülln,
Und die erhitzte wuth in eignem blute kühlen.
Doch höre, was dir itzt ein treuer freund entdeckt,
Und was der himmel mir in kurtzem offenbaret:
Jch hab ein wort gehört, in dem viel nachdruck steckt,
Und solches biß daher als einen schatz verwahret.
Gleich, als der matte schlaf die sanfften glieder band,
Und ich in tieffer nacht mit schweren träumen spielte:
So satzte mich die furcht in einen bangen stand,
Jn dem ich lanter angst und kühles schrecken fühlte:
Die haare giengen mir, so viel ich weiß, berg-an,
Jndem ein schneller geist bey mir vorüber reunte.
Gleich stund ein fremdes bild, das ich nicht nennen kan,
Nachdem ich in der angst mich selber kaum erkennte.
Die wüste gegend nahm ein stilles grausen ein;
Bald aber hörte man die starcken wort' erschallen:
"Soll GOtt nicht heiliger, als schlechte menschen, seyn?
"Muß das geschöpffe nicht vor seinem schöpffer fallen?
"Kan man vor dem bestehn, der alles hält und macht?
"Die engel selber sind nichts gegen ihm als thoren;
"Was rühmt sich denn der mensch in seiner irrdnen pracht,
Der sich in Adam schon durch aberwitz verlohren?
Wie plötzlich wird sein leib ein scheußlich schlangen-haus!
Das licht der ewigkeit ist weit von ihm verborgen:
Es braucht geringe müh, so ist er asch und graus:
Des todes abend steckt offt in dem lebens-morgen.
Regi-
Leand. aus Schleſien Verm. Get.
Meinſt du: Daß GOtt ſein ſchwerd auf die gerechten wetzt,
Und einen heiligen ſo, wie itzt dich, verfluchet?
Das hab ich wohl geſehn, daß heuchler, die nur muͤh
Und ungluͤck ausgeſaͤ’t, auch ungluͤck einbekommen:
Daß die vergnuͤgte ruh verruchte ſuͤnder flieh:
Und daß des himmels grimm ſchon manchen hingenommen.
Denn wenn die loͤwen gleich aus vollem rachen bruͤlln,
Und mit der ſcharffen klau in zarten hertzen wuͤhlen:
So muͤſſen ſie zuletzt doch eine grube fuͤlln,
Und die erhitzte wuth in eignem blute kuͤhlen.
Doch hoͤre, was dir itzt ein treuer freund entdeckt,
Und was der himmel mir in kurtzem offenbaret:
Jch hab ein wort gehoͤrt, in dem viel nachdruck ſteckt,
Und ſolches biß daher als einen ſchatz verwahret.
Gleich, als der matte ſchlaf die ſanfften glieder band,
Und ich in tieffer nacht mit ſchweren traͤumen ſpielte:
So ſatzte mich die furcht in einen bangen ſtand,
Jn dem ich lanter angſt und kuͤhles ſchrecken fuͤhlte:
Die haare giengen mir, ſo viel ich weiß, berg-an,
Jndem ein ſchneller geiſt bey mir voruͤber reunte.
Gleich ſtund ein fremdes bild, das ich nicht nennen kan,
Nachdem ich in der angſt mich ſelber kaum erkennte.
Die wuͤſte gegend nahm ein ſtilles grauſen ein;
Bald aber hoͤrte man die ſtarcken wort’ erſchallen:
“Soll GOtt nicht heiliger, als ſchlechte menſchen, ſeyn?
„Muß das geſchoͤpffe nicht vor ſeinem ſchoͤpffer fallen?
„Kan man vor dem beſtehn, der alles haͤlt und macht?
„Die engel ſelber ſind nichts gegen ihm als thoren;
„Was ruͤhmt ſich denn der menſch in ſeiner irꝛdnen pracht,
Der ſich in Adam ſchon durch aberwitz verlohren?
Wie ploͤtzlich wird ſein leib ein ſcheußlich ſchlangen-haus!
Das licht der ewigkeit iſt weit von ihm verborgen:
Es braucht geringe muͤh, ſo iſt er aſch und graus:
Des todes abend ſteckt offt in dem lebens-morgen.
Regi-
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[360/0384] Leand. aus Schleſien Verm. Get. Meinſt du: Daß GOtt ſein ſchwerd auf die gerechten wetzt, Und einen heiligen ſo, wie itzt dich, verfluchet? Das hab ich wohl geſehn, daß heuchler, die nur muͤh Und ungluͤck ausgeſaͤ’t, auch ungluͤck einbekommen: Daß die vergnuͤgte ruh verruchte ſuͤnder flieh: Und daß des himmels grimm ſchon manchen hingenommen. Denn wenn die loͤwen gleich aus vollem rachen bruͤlln, Und mit der ſcharffen klau in zarten hertzen wuͤhlen: So muͤſſen ſie zuletzt doch eine grube fuͤlln, Und die erhitzte wuth in eignem blute kuͤhlen. Doch hoͤre, was dir itzt ein treuer freund entdeckt, Und was der himmel mir in kurtzem offenbaret: Jch hab ein wort gehoͤrt, in dem viel nachdruck ſteckt, Und ſolches biß daher als einen ſchatz verwahret. Gleich, als der matte ſchlaf die ſanfften glieder band, Und ich in tieffer nacht mit ſchweren traͤumen ſpielte: So ſatzte mich die furcht in einen bangen ſtand, Jn dem ich lanter angſt und kuͤhles ſchrecken fuͤhlte: Die haare giengen mir, ſo viel ich weiß, berg-an, Jndem ein ſchneller geiſt bey mir voruͤber reunte. Gleich ſtund ein fremdes bild, das ich nicht nennen kan, Nachdem ich in der angſt mich ſelber kaum erkennte. Die wuͤſte gegend nahm ein ſtilles grauſen ein; Bald aber hoͤrte man die ſtarcken wort’ erſchallen: “Soll GOtt nicht heiliger, als ſchlechte menſchen, ſeyn? „Muß das geſchoͤpffe nicht vor ſeinem ſchoͤpffer fallen? „Kan man vor dem beſtehn, der alles haͤlt und macht? „Die engel ſelber ſind nichts gegen ihm als thoren; „Was ruͤhmt ſich denn der menſch in ſeiner irꝛdnen pracht, Der ſich in Adam ſchon durch aberwitz verlohren? Wie ploͤtzlich wird ſein leib ein ſcheußlich ſchlangen-haus! Das licht der ewigkeit iſt weit von ihm verborgen: Es braucht geringe muͤh, ſo iſt er aſch und graus: Des todes abend ſteckt offt in dem lebens-morgen. Regi-

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/384>, abgerufen am 27.11.2024.