Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Galante Getichte. Wenn esel götter sind, so räum ich solches ein;Wiewohl auch dieses nicht, weil sie noch klüger seyn. Doch itzo merck ich erst, wohin das absehn geht, Daß mein Xenocrates so hefftig widersteht. Er flieht vor einer lust, die er doch haben kan, Und schreibet sich davor den ruhm der tugend an. Doch aber weit gefehlt; wer nicht im kriege steht, Wer seinen feinden nicht frisch unter augen geht, Wer nicht die waffen braucht, wer sich nicht was erkühnt, Der hat gar schlechtes lob der tapferkeit verdient. Jm sterben steckt der ruhm, nicht aber in der flucht, Man muß zu felde gehn, wofern man ehre sucht. Versuche nur einmahl, ich bin ja nicht vergifft; Hier ist der süsse mund, der ambra übertrifft, Hier ist die weiche hand, die wilde thiere zähmt, Hier ist die weisse brust, so marmorstein beschämt. Du nimmst dir schon den ruhm, und hast noch nicht gesiegt; Ach liessre erst die schlacht, wer weiß, wer unten liegt? Verachte keinen feind, probier erst pfeil und spieß, Wenn er zu boden liegt, so ist der sieg gewiß. Hast du mich nicht erkannt, so laß mich unveracht, Die probe geht voran, drauf wird der schluß gemacht. Xenocrates! du klotz, du fels, du stahl, du stein, Soll alle meine kunst an dir verlohren seyn? Das eiß zerschmeltzet ja, der kalte schnee zerfliest, Wofern der sonnen-glantz so nah zugegen ist; Verachtest du den mund, der milch und honig geust, Xenocrates! den mund, daraus man wollust speist? Verachtest du den kuß, der aus der seel entsteht, Xenocrates! den kuß, der aus der seele geht? Sieh doch das angesicht, das alabaster gleicht, Sieh doch das feuer an, das aus den augen leucht, Brich doch die rosen ab, die auf den wangen stehn, Laß doch den schnee der brust in deiner hand zergehn, Gebrauche dich der lust in meinem schos zu ruhn, Und gieb mir wiederum etwas bey dir zu thun. Doch, B 2
Galante Getichte. Wenn eſel goͤtter ſind, ſo raͤum ich ſolches ein;Wiewohl auch dieſes nicht, weil ſie noch kluͤger ſeyn. Doch itzo merck ich erſt, wohin das abſehn geht, Daß mein Xenocrates ſo hefftig widerſteht. Er flieht vor einer luſt, die er doch haben kan, Und ſchreibet ſich davor den ruhm der tugend an. Doch aber weit gefehlt; wer nicht im kriege ſteht, Wer ſeinen feinden nicht friſch unter augen geht, Wer nicht die waffen braucht, wer ſich nicht was erkuͤhnt, Der hat gar ſchlechtes lob der tapferkeit verdient. Jm ſterben ſteckt der ruhm, nicht aber in der flucht, Man muß zu felde gehn, wofern man ehre ſucht. Verſuche nur einmahl, ich bin ja nicht vergifft; Hier iſt der ſuͤſſe mund, der ambra uͤbertrifft, Hier iſt die weiche hand, die wilde thiere zaͤhmt, Hier iſt die weiſſe bruſt, ſo marmorſtein beſchaͤmt. Du nimmſt dir ſchon den ruhm, und haſt noch nicht geſiegt; Ach lieſſre erſt die ſchlacht, wer weiß, wer unten liegt? Verachte keinen feind, probier erſt pfeil und ſpieß, Wenn er zu boden liegt, ſo iſt der ſieg gewiß. Haſt du mich nicht erkannt, ſo laß mich unveracht, Die probe geht voran, drauf wird der ſchluß gemacht. Xenocrates! du klotz, du fels, du ſtahl, du ſtein, Soll alle meine kunſt an dir verlohren ſeyn? Das eiß zerſchmeltzet ja, der kalte ſchnee zerflieſt, Wofern der ſonnen-glantz ſo nah zugegen iſt; Verachteſt du den mund, der milch und honig geuſt, Xenocrates! den mund, daraus man wolluſt ſpeiſt? Verachteſt du den kuß, der aus der ſeel entſteht, Xenocrates! den kuß, der aus der ſeele geht? Sieh doch das angeſicht, das alabaſter gleicht, Sieh doch das feuer an, das aus den augen leucht, Brich doch die roſen ab, die auf den wangen ſtehn, Laß doch den ſchnee der bruſt in deiner hand zergehn, Gebrauche dich der luſt in meinem ſchos zu ruhn, Und gieb mir wiederum etwas bey dir zu thun. Doch, B 2
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Galante Getichte.
Wenn eſel goͤtter ſind, ſo raͤum ich ſolches ein;
Wiewohl auch dieſes nicht, weil ſie noch kluͤger ſeyn.
Doch itzo merck ich erſt, wohin das abſehn geht,
Daß mein Xenocrates ſo hefftig widerſteht.
Er flieht vor einer luſt, die er doch haben kan,
Und ſchreibet ſich davor den ruhm der tugend an.
Doch aber weit gefehlt; wer nicht im kriege ſteht,
Wer ſeinen feinden nicht friſch unter augen geht,
Wer nicht die waffen braucht, wer ſich nicht was erkuͤhnt,
Der hat gar ſchlechtes lob der tapferkeit verdient.
Jm ſterben ſteckt der ruhm, nicht aber in der flucht,
Man muß zu felde gehn, wofern man ehre ſucht.
Verſuche nur einmahl, ich bin ja nicht vergifft;
Hier iſt der ſuͤſſe mund, der ambra uͤbertrifft,
Hier iſt die weiche hand, die wilde thiere zaͤhmt,
Hier iſt die weiſſe bruſt, ſo marmorſtein beſchaͤmt.
Du nimmſt dir ſchon den ruhm, und haſt noch nicht geſiegt;
Ach lieſſre erſt die ſchlacht, wer weiß, wer unten liegt?
Verachte keinen feind, probier erſt pfeil und ſpieß,
Wenn er zu boden liegt, ſo iſt der ſieg gewiß.
Haſt du mich nicht erkannt, ſo laß mich unveracht,
Die probe geht voran, drauf wird der ſchluß gemacht.
Xenocrates! du klotz, du fels, du ſtahl, du ſtein,
Soll alle meine kunſt an dir verlohren ſeyn?
Das eiß zerſchmeltzet ja, der kalte ſchnee zerflieſt,
Wofern der ſonnen-glantz ſo nah zugegen iſt;
Verachteſt du den mund, der milch und honig geuſt,
Xenocrates! den mund, daraus man wolluſt ſpeiſt?
Verachteſt du den kuß, der aus der ſeel entſteht,
Xenocrates! den kuß, der aus der ſeele geht?
Sieh doch das angeſicht, das alabaſter gleicht,
Sieh doch das feuer an, das aus den augen leucht,
Brich doch die roſen ab, die auf den wangen ſtehn,
Laß doch den ſchnee der bruſt in deiner hand zergehn,
Gebrauche dich der luſt in meinem ſchos zu ruhn,
Und gieb mir wiederum etwas bey dir zu thun.
Doch,
B 2
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