Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Socrates. Socrates. Dannenhero erscheinet es/ wie ein Weiser mehr als iemand anders darob ist/ daß er sein Gemühte der Seuche und Gemeinschafft des Leibes entziehen möge. Simias. Es ist die Warheit. Socrates. Und unterdessen halten die meisten einen solchen Menschen vor todt/ der die fleischliche Wollust ihm nicht angelegen seyn läst. Dem Eitelkeit und Lust nicht hat Gewalt gethan/ Dem Silber/ Geld und Stein hat keinen Zug gegeben/ Den die verliebte Brunst nicht übermeistern kan/ Der nicht geschworen hat zu Bachus nasser Fahn/ Den schätzet man vor todt auch mitten in dem Leben. Simias. Dieses ist in Warheit fast ein allgemeiner Jrr- thum auf der Welt. Socrates. Jm übrigen so darf man nicht gedencken/ daß das Gemüthe sich in einigerley wege/ zu gründlicher Er- käntniß der Sachen zugelangen/ des Leibes bedie- nen könne: Dann die eusserlichen Sinnen sind in gemein betrüglich/ und zu ohnmächtig. Gesichte und B 5
Socrates. Socrates. Dannenhero erſcheinet es/ wie ein Weiſer mehr als iemand anders darob iſt/ daß er ſein Gemuͤhte der Seuche und Gemeinſchafft des Leibes entziehen moͤge. Simias. Es iſt die Warheit. Socrates. Und unterdeſſen halten die meiſten einen ſolchen Menſchen vor todt/ der die fleiſchliche Wolluſt ihm nicht angelegen ſeyn laͤſt. Dem Eitelkeit und Luſt nicht hat Gewalt gethan/ Dem Silber/ Geld und Stein hat keinen Zug gegeben/ Den die verliebte Brunſt nicht uͤbermeiſtern kan/ Der nicht geſchworen hat zu Bachus naſſer Fahn/ Den ſchaͤtzet man vor todt auch mitten in dem Leben. Simias. Dieſes iſt in Warheit faſt ein allgemeiner Jrr- thum auf der Welt. Socrates. Jm uͤbrigen ſo darf man nicht gedencken/ daß das Gemuͤthe ſich in einigerley wege/ zu gruͤndlicher Er- kaͤntniß der Sachen zugelangen/ des Leibes bedie- nen koͤnne: Dann die euſſerlichen Sinnen ſind in gemein betruͤglich/ und zu ohnmaͤchtig. Geſichte und B 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0277" n="19"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Socrates.</hi> </fw><lb/> <sp who="#SOC"> <speaker> <hi rendition="#fr">Socrates.</hi> </speaker><lb/> <p>Dannenhero erſcheinet es/ wie ein Weiſer mehr<lb/> als iemand anders darob iſt/ daß er ſein Gemuͤhte<lb/> der Seuche und Gemeinſchafft des Leibes entziehen<lb/> moͤge.</p> </sp><lb/> <sp who="#SIM"> <speaker> <hi rendition="#fr">Simias.</hi> </speaker><lb/> <p>Es iſt die Warheit.</p> </sp><lb/> <sp who="#SOC"> <speaker> <hi rendition="#fr">Socrates.</hi> </speaker><lb/> <p>Und unterdeſſen halten die meiſten einen ſolchen<lb/> Menſchen vor todt/ der die fleiſchliche Wolluſt ihm<lb/> nicht angelegen ſeyn laͤſt.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Dem Eitelkeit und Luſt nicht hat Gewalt gethan/</l><lb/> <l>Dem Silber/ Geld und Stein hat keinen Zug gegeben/</l><lb/> <l>Den die verliebte Brunſt nicht uͤbermeiſtern kan/</l><lb/> <l>Der nicht geſchworen hat zu Bachus naſſer Fahn/</l><lb/> <l>Den ſchaͤtzet man vor todt auch mitten in dem Leben.</l> </lg> </sp><lb/> <sp who="#SIM"> <speaker> <hi rendition="#fr">Simias.</hi> </speaker><lb/> <p>Dieſes iſt in Warheit faſt ein allgemeiner Jrr-<lb/> thum auf der Welt.</p> </sp><lb/> <sp who="#SOC"> <speaker> <hi rendition="#fr">Socrates.</hi> </speaker><lb/> <p>Jm uͤbrigen ſo darf man nicht gedencken/ daß das<lb/> Gemuͤthe ſich in einigerley wege/ zu gruͤndlicher Er-<lb/> kaͤntniß der Sachen zugelangen/ des Leibes bedie-<lb/> nen koͤnne: Dann die euſſerlichen Sinnen ſind in<lb/> gemein betruͤglich/ und zu ohnmaͤchtig. Geſichte<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 5</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [19/0277]
Socrates.
Socrates.
Dannenhero erſcheinet es/ wie ein Weiſer mehr
als iemand anders darob iſt/ daß er ſein Gemuͤhte
der Seuche und Gemeinſchafft des Leibes entziehen
moͤge.
Simias.
Es iſt die Warheit.
Socrates.
Und unterdeſſen halten die meiſten einen ſolchen
Menſchen vor todt/ der die fleiſchliche Wolluſt ihm
nicht angelegen ſeyn laͤſt.
Dem Eitelkeit und Luſt nicht hat Gewalt gethan/
Dem Silber/ Geld und Stein hat keinen Zug gegeben/
Den die verliebte Brunſt nicht uͤbermeiſtern kan/
Der nicht geſchworen hat zu Bachus naſſer Fahn/
Den ſchaͤtzet man vor todt auch mitten in dem Leben.
Simias.
Dieſes iſt in Warheit faſt ein allgemeiner Jrr-
thum auf der Welt.
Socrates.
Jm uͤbrigen ſo darf man nicht gedencken/ daß das
Gemuͤthe ſich in einigerley wege/ zu gruͤndlicher Er-
kaͤntniß der Sachen zugelangen/ des Leibes bedie-
nen koͤnne: Dann die euſſerlichen Sinnen ſind in
gemein betruͤglich/ und zu ohnmaͤchtig. Geſichte
und
B 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/277 |
Zitationshilfe: | Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/277>, abgerufen am 14.06.2024. |