Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Socrates. durch welchen der Geist nichts anders wird/ als waser ihm allezeit zu werden gewünscht hat/ nemlich vollkömmlich erfahren/ und von aller Gemeinschafft des Leibes abgesondert zu leben; Wie sie denn auch allezeit demselben/ so viel möglich/ sich zu entziehen/ höchst bemühet gewesen sind. Und damit man nicht etwan für ungereimt halten möchte/ daß die Weisen Belieben am Tode tragen/ so last uns er- wegen: So viel aus Liebe die sie tragen Zu Weibern/ Brüdern/ Freund und Kind/ Jhn eifrig wünschen nachzujagen/ Wann sie vor längst gestorben sind/ Und um das Ufer schwer von Leichen Des Flusses ungemeiner Art/ Wo Seuchen/ Gifft und Feuer streichen Zu sehn der Geister leichte Fahrt/ Ja lassen Sinnen und Gedancken/ Von denen niemals Liebe weicht/ Jn der Eliser grünen Schrancken Umhalsen was sich ihnen gleicht. Wie solt ein Weiser/ dessen Wesen Jhm weder Freund noch Frau erlesen/ Und nichts als Kunst und Weißheit liebt/ Sein Leben scheuen zu beschliessen/ Jn dem er kan dadurch geniessen/ Was ihm die meiste Freude giebt. Wann nun also das Auge hat Den alten Schein von sich geleget/ So find es an desselben statt Ein Licht so tausend Lust erreget/ Und unser Geist/ so durch die Macht Die Warheit hier nicht kan erkiesen/ Befindet sie in ihrer Pracht Wann er ist aus der Welt gewiesen. Und
Socrates. durch welchen der Geiſt nichts anders wird/ als waser ihm allezeit zu werden gewuͤnſcht hat/ nemlich vollkoͤmmlich erfahren/ und von aller Gemeinſchafft des Leibes abgeſondert zu leben; Wie ſie denn auch allezeit demſelben/ ſo viel moͤglich/ ſich zu entziehen/ hoͤchſt bemuͤhet geweſen ſind. Und damit man nicht etwan fuͤr ungereimt halten moͤchte/ daß die Weiſen Belieben am Tode tragen/ ſo laſt uns er- wegen: So viel aus Liebe die ſie tragen Zu Weibern/ Bruͤdern/ Freund und Kind/ Jhn eifrig wuͤnſchen nachzujagen/ Wann ſie vor laͤngſt geſtorben ſind/ Und um das Ufer ſchwer von Leichen Des Fluſſes ungemeiner Art/ Wo Seuchen/ Gifft und Feuer ſtreichen Zu ſehn der Geiſter leichte Fahrt/ Ja laſſen Sinnen und Gedancken/ Von denen niemals Liebe weicht/ Jn der Eliſer gruͤnen Schrancken Umhalſen was ſich ihnen gleicht. Wie ſolt ein Weiſer/ deſſen Weſen Jhm weder Freund noch Frau erleſen/ Und nichts als Kunſt und Weißheit liebt/ Sein Leben ſcheuen zu beſchlieſſen/ Jn dem er kan dadurch genieſſen/ Was ihm die meiſte Freude giebt. Wann nun alſo das Auge hat Den alten Schein von ſich geleget/ So find es an deſſelben ſtatt Ein Licht ſo tauſend Luſt erreget/ Und unſer Geiſt/ ſo durch die Macht Die Warheit hier nicht kan erkieſen/ Befindet ſie in ihrer Pracht Wann er iſt aus der Welt gewieſen. Und
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Socrates.
durch welchen der Geiſt nichts anders wird/ als was
er ihm allezeit zu werden gewuͤnſcht hat/ nemlich
vollkoͤmmlich erfahren/ und von aller Gemeinſchafft
des Leibes abgeſondert zu leben; Wie ſie denn auch
allezeit demſelben/ ſo viel moͤglich/ ſich zu entziehen/
hoͤchſt bemuͤhet geweſen ſind. Und damit man
nicht etwan fuͤr ungereimt halten moͤchte/ daß die
Weiſen Belieben am Tode tragen/ ſo laſt uns er-
wegen:
So viel aus Liebe die ſie tragen
Zu Weibern/ Bruͤdern/ Freund und Kind/
Jhn eifrig wuͤnſchen nachzujagen/
Wann ſie vor laͤngſt geſtorben ſind/
Und um das Ufer ſchwer von Leichen
Des Fluſſes ungemeiner Art/
Wo Seuchen/ Gifft und Feuer ſtreichen
Zu ſehn der Geiſter leichte Fahrt/
Ja laſſen Sinnen und Gedancken/
Von denen niemals Liebe weicht/
Jn der Eliſer gruͤnen Schrancken
Umhalſen was ſich ihnen gleicht.
Wie ſolt ein Weiſer/ deſſen Weſen
Jhm weder Freund noch Frau erleſen/
Und nichts als Kunſt und Weißheit liebt/
Sein Leben ſcheuen zu beſchlieſſen/
Jn dem er kan dadurch genieſſen/
Was ihm die meiſte Freude giebt.
Wann nun alſo das Auge hat
Den alten Schein von ſich geleget/
So find es an deſſelben ſtatt
Ein Licht ſo tauſend Luſt erreget/
Und unſer Geiſt/ ſo durch die Macht
Die Warheit hier nicht kan erkieſen/
Befindet ſie in ihrer Pracht
Wann er iſt aus der Welt gewieſen.
Und
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