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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

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Der sterbende
lich zu halten/ ja daß eben dieser Einzug in den
menschlichen Leichnam ihr an statt einer Kranckheit
sey/ dardurch sie sich gleichsam verzehret/ und also
bey Lebenszeiten des Leibes nichts als Elende an-
treffe/ und im Tode gleichesfalls ihr Verderben fin-
de/ ja gesetzt/ daß sie einen oder mehr Leiber beziehe/
so würde doch solches einem Menschen in der Todes-
stunde schlechten Trost geben; Dann es müste gar
ein verrückter Kopff seyn/ der denselben Augenblick
sich nicht entsetzen solte/ wenn man der Unsterblig-
keit noch nicht recht versichert ist. Dieses sind dei-
ne Gedancken Cebes. Jch habe alles mit Fleiß
wieder holet/ damit du nach deinem Belieben weg-
und zuthun könnest. Es ist nichts/ sagte Cebes/ so
ich noch zur Zeit/ weg- oder dazu zuthun begehrete.
Darauf hielt Socrates ein wenig stille/ und sagte/
nach dem er sich gleichsam etwas erholet: Dieses/
was du zu wissen begehrest/ ist nicht von schlechter
Beschaffenheit. Es scheinet nothwendig zu seyn/
zuvor etwas von der Zeugung und der Zerstörung
zu handeln. Jn Betrachtung dessen/ so wil ich/
was mir begegnet/ hiemit erzehlen; so du nun ver-
spürest/ daß aus diesem/ was ich fürzubringen ge-
dencke/ etwan ein Beweiß-Grund für deine Mei-
nung zu erzwingen/ so kanst du dich desselben bedie-
nen/ hör mir nur zu:

Jch brannte vor der Zeit um meine junge Brust/
Zu schauen was die Welt in ihrem Busem träget/
Und mein geschwinder Geist hielt vor die gröste Lust/
Zu wissen wie der Trieb sich der Natur beweget/
Das alles war für mich die allersüste Kost.
Die
Der ſterbende
lich zu halten/ ja daß eben dieſer Einzug in den
menſchlichen Leichnam ihr an ſtatt einer Kranckheit
ſey/ dardurch ſie ſich gleichſam verzehret/ und alſo
bey Lebenszeiten des Leibes nichts als Elende an-
treffe/ und im Tode gleichesfalls ihr Verderben fin-
de/ ja geſetzt/ daß ſie einen oder mehr Leiber beziehe/
ſo wuͤrde doch ſolches einem Menſchen in der Todes-
ſtunde ſchlechten Troſt geben; Dann es muͤſte gar
ein verruͤckter Kopff ſeyn/ der denſelben Augenblick
ſich nicht entſetzen ſolte/ wenn man der Unſterblig-
keit noch nicht recht verſichert iſt. Dieſes ſind dei-
ne Gedancken Cebes. Jch habe alles mit Fleiß
wieder holet/ damit du nach deinem Belieben weg-
und zuthun koͤnneſt. Es iſt nichts/ ſagte Cebes/ ſo
ich noch zur Zeit/ weg- oder dazu zuthun begehrete.
Darauf hielt Socrates ein wenig ſtille/ und ſagte/
nach dem er ſich gleichſam etwas erholet: Dieſes/
was du zu wiſſen begehreſt/ iſt nicht von ſchlechter
Beſchaffenheit. Es ſcheinet nothwendig zu ſeyn/
zuvor etwas von der Zeugung und der Zerſtoͤrung
zu handeln. Jn Betrachtung deſſen/ ſo wil ich/
was mir begegnet/ hiemit erzehlen; ſo du nun ver-
ſpuͤreſt/ daß aus dieſem/ was ich fuͤrzubringen ge-
dencke/ etwan ein Beweiß-Grund fuͤr deine Mei-
nung zu erzwingen/ ſo kanſt du dich deſſelben bedie-
nen/ hoͤr mir nur zu:

Jch brannte vor der Zeit um meine junge Bruſt/
Zu ſchauen was die Welt in ihrem Buſem traͤget/
Und mein geſchwinder Geiſt hielt vor die groͤſte Luſt/
Zu wiſſen wie der Trieb ſich der Natur beweget/
Das alles war fuͤr mich die allerſuͤſte Koſt.
Die
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[90/0348] Der ſterbende lich zu halten/ ja daß eben dieſer Einzug in den menſchlichen Leichnam ihr an ſtatt einer Kranckheit ſey/ dardurch ſie ſich gleichſam verzehret/ und alſo bey Lebenszeiten des Leibes nichts als Elende an- treffe/ und im Tode gleichesfalls ihr Verderben fin- de/ ja geſetzt/ daß ſie einen oder mehr Leiber beziehe/ ſo wuͤrde doch ſolches einem Menſchen in der Todes- ſtunde ſchlechten Troſt geben; Dann es muͤſte gar ein verruͤckter Kopff ſeyn/ der denſelben Augenblick ſich nicht entſetzen ſolte/ wenn man der Unſterblig- keit noch nicht recht verſichert iſt. Dieſes ſind dei- ne Gedancken Cebes. Jch habe alles mit Fleiß wieder holet/ damit du nach deinem Belieben weg- und zuthun koͤnneſt. Es iſt nichts/ ſagte Cebes/ ſo ich noch zur Zeit/ weg- oder dazu zuthun begehrete. Darauf hielt Socrates ein wenig ſtille/ und ſagte/ nach dem er ſich gleichſam etwas erholet: Dieſes/ was du zu wiſſen begehreſt/ iſt nicht von ſchlechter Beſchaffenheit. Es ſcheinet nothwendig zu ſeyn/ zuvor etwas von der Zeugung und der Zerſtoͤrung zu handeln. Jn Betrachtung deſſen/ ſo wil ich/ was mir begegnet/ hiemit erzehlen; ſo du nun ver- ſpuͤreſt/ daß aus dieſem/ was ich fuͤrzubringen ge- dencke/ etwan ein Beweiß-Grund fuͤr deine Mei- nung zu erzwingen/ ſo kanſt du dich deſſelben bedie- nen/ hoͤr mir nur zu: Jch brannte vor der Zeit um meine junge Bruſt/ Zu ſchauen was die Welt in ihrem Buſem traͤget/ Und mein geſchwinder Geiſt hielt vor die groͤſte Luſt/ Zu wiſſen wie der Trieb ſich der Natur beweget/ Das alles war fuͤr mich die allerſuͤſte Koſt. Die

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/348>, abgerufen am 24.11.2024.