Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Socrates. genden Worten: Jch halte nicht dafür/ daß ichbey dir die Bestürtzung finden werde/ so sonst bey andern sich ingemein zu ereignen pfleget/ dann die meisten lehnen sich gegen mich auf/ und geben mir lose Worte/ wann ich/ aus Befehl des Rahts ihnen den Gifft-Trunck überreiche; Ja bey dir ha- be ich allbereit im Anfange ein groß und gesetztes Gemühte verspüret/ und leicht aus deinen Augen schliessen können/ daß du einer von den Tugend haft- sten Leuten seyn müstest/ so iemals die Schwelle in diesem Gefängniß überschritten/ und hoffe nun/ daß du nicht mir/ sondern denen/ so die rechte Ursä- cher deines Unglücks sind/ deinen Unfall zuschreiben werdest. Du wirst nun leicht errahten können/ was ich dir neues bringe. Sey hiemit den Göt- tern empfohlen/ und dencke nun das jenige zu erdul- den/ was nicht kan hintertrieben werden. Als er nun dieses also fürgebracht/ so gieng er mit weinen- den Augen auf die Seite. Socrates wandte da- rauf die Augen mit diesen Worten auf den Scharf- richter: Gehabe dich wol/ ich wil mich fertig ma- chen; Sehet/ fuhr er weiter fort/ welch ein tapffe- rer und höfflicher Mann ist dieses; Jch lerne ihn nicht erst heute kennen/ er hat mich allezeit freund- lich gegrüst/ und ist offt auf ein Gespräche zu mir kommen; ich halte ihn für ein aufrichtiges Gemü- the/ schauet wie er mich beklaget. Lustig Cri- ton/ last uns thun wie er gesaget hat/ und wo das Gifft zugerichtet ist/ daß man mir es bringe/ wo aber nicht/ daß man es verfertige. Was? sagte Cri- K 5
Socrates. genden Worten: Jch halte nicht dafuͤr/ daß ichbey dir die Beſtuͤrtzung finden werde/ ſo ſonſt bey andern ſich ingemein zu ereignen pfleget/ dann die meiſten lehnen ſich gegen mich auf/ und geben mir loſe Worte/ wann ich/ aus Befehl des Rahts ihnen den Gifft-Trunck uͤberreiche; Ja bey dir ha- be ich allbereit im Anfange ein groß und geſetztes Gemuͤhte verſpuͤret/ und leicht aus deinen Augen ſchlieſſen koͤnnen/ daß du einer von den Tugend haft- ſten Leuten ſeyn muͤſteſt/ ſo iemals die Schwelle in dieſem Gefaͤngniß uͤberſchritten/ und hoffe nun/ daß du nicht mir/ ſondern denen/ ſo die rechte Urſaͤ- cher deines Ungluͤcks ſind/ deinen Unfall zuſchreiben werdeſt. Du wirſt nun leicht errahten koͤnnen/ was ich dir neues bringe. Sey hiemit den Goͤt- tern empfohlen/ und dencke nun das jenige zu erdul- den/ was nicht kan hintertrieben werden. Als er nun dieſes alſo fuͤrgebracht/ ſo gieng er mit weinen- den Augen auf die Seite. Socrates wandte da- rauf die Augen mit dieſen Worten auf den Scharf- richter: Gehabe dich wol/ ich wil mich fertig ma- chen; Sehet/ fuhr er weiter fort/ welch ein tapffe- rer und hoͤfflicher Mann iſt dieſes; Jch lerne ihn nicht erſt heute kennen/ er hat mich allezeit freund- lich gegruͤſt/ und iſt offt auf ein Geſpraͤche zu mir kommen; ich halte ihn fuͤr ein aufrichtiges Gemuͤ- the/ ſchauet wie er mich beklaget. Luſtig Cri- ton/ laſt uns thun wie er geſaget hat/ und wo das Gifft zugerichtet iſt/ daß man mir es bringe/ wo aber nicht/ daß man es verfertige. Was? ſagte Cri- K 5
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Socrates.
genden Worten: Jch halte nicht dafuͤr/ daß ich
bey dir die Beſtuͤrtzung finden werde/ ſo ſonſt
bey andern ſich ingemein zu ereignen pfleget/ dann
die meiſten lehnen ſich gegen mich auf/ und geben
mir loſe Worte/ wann ich/ aus Befehl des Rahts
ihnen den Gifft-Trunck uͤberreiche; Ja bey dir ha-
be ich allbereit im Anfange ein groß und geſetztes
Gemuͤhte verſpuͤret/ und leicht aus deinen Augen
ſchlieſſen koͤnnen/ daß du einer von den Tugend haft-
ſten Leuten ſeyn muͤſteſt/ ſo iemals die Schwelle in
dieſem Gefaͤngniß uͤberſchritten/ und hoffe nun/
daß du nicht mir/ ſondern denen/ ſo die rechte Urſaͤ-
cher deines Ungluͤcks ſind/ deinen Unfall zuſchreiben
werdeſt. Du wirſt nun leicht errahten koͤnnen/
was ich dir neues bringe. Sey hiemit den Goͤt-
tern empfohlen/ und dencke nun das jenige zu erdul-
den/ was nicht kan hintertrieben werden. Als er
nun dieſes alſo fuͤrgebracht/ ſo gieng er mit weinen-
den Augen auf die Seite. Socrates wandte da-
rauf die Augen mit dieſen Worten auf den Scharf-
richter: Gehabe dich wol/ ich wil mich fertig ma-
chen; Sehet/ fuhr er weiter fort/ welch ein tapffe-
rer und hoͤfflicher Mann iſt dieſes; Jch lerne ihn
nicht erſt heute kennen/ er hat mich allezeit freund-
lich gegruͤſt/ und iſt offt auf ein Geſpraͤche zu mir
kommen; ich halte ihn fuͤr ein aufrichtiges Gemuͤ-
the/ ſchauet wie er mich beklaget. Luſtig Cri-
ton/ laſt uns thun wie er geſaget hat/ und wo das
Gifft zugerichtet iſt/ daß man mir es bringe/ wo
aber nicht/ daß man es verfertige. Was? ſagte
Cri-
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