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Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682.

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Des Adelichen Land- und Feld-Lebens
[Abbildung]
Cap. XLVI.
Wie sich ein Haus-Vatter gegen der Nachbarschafft zu verhalten.
[Spaltenumbruch]

LEutselig/ freundlich und höflich seyn/ ist zwar
(eigentlich zu reden) keine Tugend für sich selbst;
dann dieses auch bißweilen bey den Lasterhafften
und Gottlosen sich ereignet; kan auch offt im Mund und
Geberden Gold/ im Hertzen aber Bley oder wol Arse-
nicum
und Gifft seyn. Aufs wenigste aber/ ist es eine
Morgenröthe/ die der aufgehenden Sonnen der Tu-
genden meistens fürzulauffen pfleget/ ja auch wie eine
schöne und holdselige Abendröthe derselben (auch nach
ihrem Untergang) folget und nachgläntzet. Sie ist
ein anreitzendes süsses Querder/ daran die Gemüther
der Menschen/ wo sie nicht gar behangen bleiben/ den-
noch begierig darnach schnappen; ein edler und groß-
müthiger Saame/ welchem die Freundschafft so wol ihr
Wachsthum als auch ihre Erhaltung schuldig. Da-
her kan unser Haus-Vatter durch diese/ seiner Nach-
barschafft Gesichte/ Augen/ und Hertzen leichtlich und
ohne grosse Unkosten einnehmen/ wann er ihre Besuchun-
gen so wol zu empfangen/ als zu erwidern/ mit freundli-
chem Gesichte/ annemlichen Geberden/ und verbindlichen
Worten/ zu rechter Zeit wissen wird; denn ein Haus-
Vatter hat die Gelegenheit nicht/ wann er böse Nach-
barschafft hat/ nach Wolgefallen sein Haus und Güter
anderwerts hin mit sich zu tragen/ wie der Schnecken
bey Gabriel Faerno dem gelehrten Cremoneser, der/
als er um die Ursach von Jove gefragt ward/ dieses ge-
antwortet hat:

-- -- -- -- Hoc incommodi
Perferre, dixit, malo, quam arbitrii mei
Non esse, devitare vicinos malos.
Vicinitas mala instar Infortunii est.

[Spaltenumbruch]

Also ist leichter gute Freunde von Anfang machen und
erhalten/ als die mit Ursach verletzte wiederum begüti-
gen. Und wie die Morgenröthe offtmals ein Progno-
sticon
ist des gantzen Tages/ also kan der Eintritt und
Anfang in einer Nachbarschafft/ wenn er wol beschaf-
fen/ Hoffnung machen/ eines glückseligen; oder wann er
ungestümm und unbillich/ die unfehlbare Forcht eines
verdrießlichen Lebens.

Der andere Staffel/ die Gemüther/ als das Eysen
durch den Magnet/ an sich zu ziehen/ ist die Bescheiden-
heit/ damit die höfliche Sitten von der Eitelkeiten
Schein gleichsam verwahret bleiben; wann ein Haus-
Vatter in Geberden sittsam/ in Worten behutsam/ und
in Wercken höflich erscheinet/ hingegen wann er mit
nichts als Großsprecherey/ Prahlen/ und eitlem
Selbst-Ruhm die Benachbarten verunlustiget; nichts
als sein eignes zu loben/ und alles andere zu verachten/ oder
doch ringer zu schätzen weiß/ wird er mehr Verdruß als
Freundschafft/ mehr Unwillen als Gewogenheit dar-
durch erwecken. Darum soll er von sich und den Seini-
gen mässig halten und reden; sich nach des Nächsten
Fähigkeit und Neigung richten/ und daher alle seine Ge-
spräche also anordnen/ daß man ihn gern höre/ ver-
träulich mit ihm umgehe/ eine Zuversicht zu ihm gewinne/
und also einen guten und rühmlichen Nachklang/ auch in
der Abwesenheit/ von sich geben möge.

Der dritte Staffel/ ist Gast-frey seyn/ so viel seine
Mittel und Vermögen erleiden und tragen mögen. Es
ist kein Ding/ das die Hertzen der Nachbarschafft/ son-
derlich der Armen und Geringern/ sobald gewinnen
kan/ als wann sie wissen und glauben/ daß man sie gerne

sihet/
Des Adelichen Land- und Feld-Lebens
[Abbildung]
Cap. XLVI.
Wie ſich ein Haus-Vatter gegen der Nachbarſchafft zu verhalten.
[Spaltenumbruch]

LEutſelig/ freundlich und hoͤflich ſeyn/ iſt zwar
(eigentlich zu reden) keine Tugend fuͤr ſich ſelbſt;
dann dieſes auch bißweilen bey den Laſterhafften
und Gottloſen ſich ereignet; kan auch offt im Mund und
Geberden Gold/ im Hertzen aber Bley oder wol Arſe-
nicum
und Gifft ſeyn. Aufs wenigſte aber/ iſt es eine
Morgenroͤthe/ die der aufgehenden Sonnen der Tu-
genden meiſtens fuͤrzulauffen pfleget/ ja auch wie eine
ſchoͤne und holdſelige Abendroͤthe derſelben (auch nach
ihrem Untergang) folget und nachglaͤntzet. Sie iſt
ein anreitzendes ſuͤſſes Querder/ daran die Gemuͤther
der Menſchen/ wo ſie nicht gar behangen bleiben/ den-
noch begierig darnach ſchnappen; ein edler und groß-
muͤthiger Saame/ welchem die Freundſchafft ſo wol ihr
Wachsthum als auch ihre Erhaltung ſchuldig. Da-
her kan unſer Haus-Vatter durch dieſe/ ſeiner Nach-
barſchafft Geſichte/ Augen/ und Hertzen leichtlich und
ohne groſſe Unkoſten einnehmen/ wann er ihre Beſuchun-
gen ſo wol zu empfangen/ als zu erwidern/ mit freundli-
chem Geſichte/ annemlichen Geberden/ und verbindlichen
Worten/ zu rechter Zeit wiſſen wird; denn ein Haus-
Vatter hat die Gelegenheit nicht/ wann er boͤſe Nach-
barſchafft hat/ nach Wolgefallen ſein Haus und Guͤter
anderwerts hin mit ſich zu tragen/ wie der Schnecken
bey Gabriel Faërno dem gelehrten Cremoneſer, der/
als er um die Urſach von Jove gefragt ward/ dieſes ge-
antwortet hat:

— — — — Hoc incommodi
Perferre, dixit, malo, quàm arbitrii mei
Non eſſe, devitare vicinos malos.
Vicinitas mala inſtar Infortunii eſt.

[Spaltenumbruch]

Alſo iſt leichter gute Freunde von Anfang machen und
erhalten/ als die mit Urſach verletzte wiederum beguͤti-
gen. Und wie die Morgenroͤthe offtmals ein Progno-
ſticon
iſt des gantzen Tages/ alſo kan der Eintritt und
Anfang in einer Nachbarſchafft/ wenn er wol beſchaf-
fen/ Hoffnung machen/ eines gluͤckſeligen; oder wann er
ungeſtuͤmm und unbillich/ die unfehlbare Forcht eines
verdrießlichen Lebens.

Der andere Staffel/ die Gemuͤther/ als das Eyſen
durch den Magnet/ an ſich zu ziehen/ iſt die Beſcheiden-
heit/ damit die hoͤfliche Sitten von der Eitelkeiten
Schein gleichſam verwahret bleiben; wann ein Haus-
Vatter in Geberden ſittſam/ in Worten behutſam/ und
in Wercken hoͤflich erſcheinet/ hingegen wann er mit
nichts als Großſprecherey/ Prahlen/ und eitlem
Selbſt-Ruhm die Benachbarten verunluſtiget; nichts
als ſein eignes zu loben/ uñ alles andere zu verachten/ oder
doch ringer zu ſchaͤtzen weiß/ wird er mehr Verdruß als
Freundſchafft/ mehr Unwillen als Gewogenheit dar-
durch erwecken. Darum ſoll er von ſich und den Seini-
gen maͤſſig halten und reden; ſich nach des Naͤchſten
Faͤhigkeit und Neigung richten/ und daher alle ſeine Ge-
ſpraͤche alſo anordnen/ daß man ihn gern hoͤre/ ver-
traͤulich mit ihm umgehe/ eine Zuverſicht zu ihm gewinne/
und alſo einen guten und ruͤhmlichen Nachklang/ auch in
der Abweſenheit/ von ſich geben moͤge.

Der dritte Staffel/ iſt Gaſt-frey ſeyn/ ſo viel ſeine
Mittel und Vermoͤgen erleiden und tragen moͤgen. Es
iſt kein Ding/ das die Hertzen der Nachbarſchafft/ ſon-
derlich der Armen und Geringern/ ſobald gewinnen
kan/ als wann ſie wiſſen und glauben/ daß man ſie gerne

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[142/0160] Des Adelichen Land- und Feld-Lebens [Abbildung] Cap. XLVI. Wie ſich ein Haus-Vatter gegen der Nachbarſchafft zu verhalten. LEutſelig/ freundlich und hoͤflich ſeyn/ iſt zwar (eigentlich zu reden) keine Tugend fuͤr ſich ſelbſt; dann dieſes auch bißweilen bey den Laſterhafften und Gottloſen ſich ereignet; kan auch offt im Mund und Geberden Gold/ im Hertzen aber Bley oder wol Arſe- nicum und Gifft ſeyn. Aufs wenigſte aber/ iſt es eine Morgenroͤthe/ die der aufgehenden Sonnen der Tu- genden meiſtens fuͤrzulauffen pfleget/ ja auch wie eine ſchoͤne und holdſelige Abendroͤthe derſelben (auch nach ihrem Untergang) folget und nachglaͤntzet. Sie iſt ein anreitzendes ſuͤſſes Querder/ daran die Gemuͤther der Menſchen/ wo ſie nicht gar behangen bleiben/ den- noch begierig darnach ſchnappen; ein edler und groß- muͤthiger Saame/ welchem die Freundſchafft ſo wol ihr Wachsthum als auch ihre Erhaltung ſchuldig. Da- her kan unſer Haus-Vatter durch dieſe/ ſeiner Nach- barſchafft Geſichte/ Augen/ und Hertzen leichtlich und ohne groſſe Unkoſten einnehmen/ wann er ihre Beſuchun- gen ſo wol zu empfangen/ als zu erwidern/ mit freundli- chem Geſichte/ annemlichen Geberden/ und verbindlichen Worten/ zu rechter Zeit wiſſen wird; denn ein Haus- Vatter hat die Gelegenheit nicht/ wann er boͤſe Nach- barſchafft hat/ nach Wolgefallen ſein Haus und Guͤter anderwerts hin mit ſich zu tragen/ wie der Schnecken bey Gabriel Faërno dem gelehrten Cremoneſer, der/ als er um die Urſach von Jove gefragt ward/ dieſes ge- antwortet hat: — — — — Hoc incommodi Perferre, dixit, malo, quàm arbitrii mei Non eſſe, devitare vicinos malos. Vicinitas mala inſtar Infortunii eſt. Alſo iſt leichter gute Freunde von Anfang machen und erhalten/ als die mit Urſach verletzte wiederum beguͤti- gen. Und wie die Morgenroͤthe offtmals ein Progno- ſticon iſt des gantzen Tages/ alſo kan der Eintritt und Anfang in einer Nachbarſchafft/ wenn er wol beſchaf- fen/ Hoffnung machen/ eines gluͤckſeligen; oder wann er ungeſtuͤmm und unbillich/ die unfehlbare Forcht eines verdrießlichen Lebens. Der andere Staffel/ die Gemuͤther/ als das Eyſen durch den Magnet/ an ſich zu ziehen/ iſt die Beſcheiden- heit/ damit die hoͤfliche Sitten von der Eitelkeiten Schein gleichſam verwahret bleiben; wann ein Haus- Vatter in Geberden ſittſam/ in Worten behutſam/ und in Wercken hoͤflich erſcheinet/ hingegen wann er mit nichts als Großſprecherey/ Prahlen/ und eitlem Selbſt-Ruhm die Benachbarten verunluſtiget; nichts als ſein eignes zu loben/ uñ alles andere zu verachten/ oder doch ringer zu ſchaͤtzen weiß/ wird er mehr Verdruß als Freundſchafft/ mehr Unwillen als Gewogenheit dar- durch erwecken. Darum ſoll er von ſich und den Seini- gen maͤſſig halten und reden; ſich nach des Naͤchſten Faͤhigkeit und Neigung richten/ und daher alle ſeine Ge- ſpraͤche alſo anordnen/ daß man ihn gern hoͤre/ ver- traͤulich mit ihm umgehe/ eine Zuverſicht zu ihm gewinne/ und alſo einen guten und ruͤhmlichen Nachklang/ auch in der Abweſenheit/ von ſich geben moͤge. Der dritte Staffel/ iſt Gaſt-frey ſeyn/ ſo viel ſeine Mittel und Vermoͤgen erleiden und tragen moͤgen. Es iſt kein Ding/ das die Hertzen der Nachbarſchafft/ ſon- derlich der Armen und Geringern/ ſobald gewinnen kan/ als wann ſie wiſſen und glauben/ daß man ſie gerne ſihet/

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Zitationshilfe: Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica01_1682/160>, abgerufen am 21.11.2024.