Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682.Des Adelichen Land- und Feld-Lebens [Spaltenumbruch]
an biß in die Wurtzen versengt/ ausgedorrt und zuSchanden gemacht werden: Also kan auch wol ein ge- sunder starcker Mensch/ durch ein unvermuthete gähe Bewegung/ hefftiges Gemüths-Anligen/ so wol Freud als Zorn und Trauren/ alle seine Lebens-Geister mit so gewaltsamen Anstoß ausdünsten/ daß er deß gähen To- des dahin stirbet/ also daß manchmahl ein gesunder Mensch dem Tod gleich so nahend ist/ als ein krancker. Bey den Alten aber heisset es: Ein Liecht je länger es brennet/ je mehr wird das Wachs oder Jnslet daran verzehret/ und wann solches weg ist/ so muß es leschen: also wann das Humidum radicale in dem Menschen von der natürlichen Hitz zerschmeltzet und austrocknet/ folget das Alter und endlich der Tod. Das Alter ist anders nichts/ als ein kaltes und trockenes Temperament, welches aus Abnehmung der Lebens-Feuchtigkeit/ und Ausleschung der natürlichen Wärme entstehet/ die Lebens-Geister verschwinden/ die Haut schnurffet/ und faltet sich; und weil diese ein Dörrung des Humidi radicalis mehr Feuchten verlanget/ als trinckt man auch/ solche zu ersetzen/ etwas mehr/ und isset auch so viel als vorhin/ in Meinung/ den Abgang der Kräfften/ durch Beysetzung der Speisen zu ersetzen/ weil aber der Magen je länger je schwächer wird/ so wird die Nahrung langsamer/ und nicht gantz völlig verdauet/ nähret we- niger/ macht mehr Uberfluß und Excrementa, und schwächet nach und nach die gantze Substanz des mensch- lichen Cörpers. Die Aegyptier haben vorgegeben/ das menschliche Hertz vermehre sich biß auf das 50 Jahr jährlich um 2. Quintel; nach diesen nehme es von Jahr zu Jahr wieder um 2. Quintel ab/ biß er endlich sterben müsse aus Abgang des Hertzens; dieses aber ist so wol wider die Anatomia, als tägliche Erfahrung. Es sind wol andere und warhafftigere Ursachen des Alters/ als neben der natürlichen Abnahm aller Sinnen/ vor- nemlich ein unordentlich unmässiges Leben/ diß befördert und anticipiret das Alter/ das Hertz wird gepresset/ das Hirn schwindelt/ die Lebens-Geister verweben/ der [Spaltenumbruch] Athem wird übelriechend/ die Haut wird runtzlecht/ der Rucken wird krumm und gebeugt/ die Nase wird trie- fend/ das Gesicht dunckel und umnebelt/ die Haar ge- hen aus/ die Zähne werden wacklend und ausfallend; in Summa/ il a tousjours quelque fer, qui loche, wie jener Frantzos sagt: Er hat allzeit ein rogles Eysen; und wie Herr de Montaigne sagt/ das Podagra, Sand/ und Stein/ und Undauung sind Zufälle der langen Jah- re/ wie auf den langen Reisen/ Hitz/ Regen und Winde. Wer aber/ wie nach der Länge schon ausgeführt wor- den/ ein nüchtern mässiges Leben führt/ der ist zwar nicht von dem Alter/ aber von vielen verdrießlichen und be- schwerlichen Zuständen des Alters befreyet; denn er hat zwo Stützen/ darauf er sanfft und wol ruhet; die Ge- dächtnis eines Tugendhafft-geführten zeitlichen/ und die Hoffnung eines bessern und weit-erwünschtern ewi- gen Lebens; und lässet darum nicht ab von seinen guten Wirckungen/ ob schon der Tod nahend ist/ so wenig als die Wettlauffer/ je näher sie das Ziel erreichen/ je schneller sie ihren Lauff verdoppeln: das Alter macht sie nicht verächtlich/ sondern desto Ehrwürdiger; sie ma- chens wie ein guter Schiffmann/ wann er dem Port nahe kommt/ wickelt er die Segel zusammen/ und lauf- fet mit sachtem Trieb/ biß er anlendet: also je näher sie an des Todes Port kommen/ je sorgfältiger werden sie/ die Segel der menschlichen Begirden und Wirckungen einzuwinden und einzubinden/ und wann ein Haus- Vatter sich bemühet/ auf das künfftige Jahr Vorrath zu verschaffen/ soll billich ein ehrlicher Alter gedencken/ auf was Weise er ewiglich wol und selig leben möge; also wird ihm der Tod zu einer sichern Fridens-Fahrt/ ein sanffter ruhiger Schlaff/ und wird ihm wie das äherne Schlänglein Moysis zwar die Gestalt/ aber nicht das Gifft/ die Zähne oder Boßheit einer Schlangen ge- habt/ mehr eine heilsame Cur/ unfehlbare Heilung und Gesundmachung/ als eine Plag oder Straffe werden. Cap. LXXXI. [Spaltenumbruch]
Etliche Regeln/ die Gesundheit zu erhalten. 1. SAnitatis Studium est, non satiari cibis, sagt der alte Hippocrates 6. Epid. Sect. 4. Die beste Weise/ die Gesundheit zu erhalten ist/ mit Spei- sen nicht fatt werden; weil aber oben genug davon ge- meldet ist/ brechen wir hier ab und bleibt dabey: Temperantia & quiete multi magni & mali morbi curantur. 2. Wann die Gemüths-Bewegungen von der Vernunfft gezaumt werden/ kan der Leib seiner Har- moniae desto glückseliger vorstehen. 3. Nach Cornelii Celsi Meinung/ soll ein recht ge- sunder Mensch ihm keine Gesetze von den Medicis vor- schreiben lassen/ Oportet illum varium vitae genus ha- bere, modo ruri esse, modo in urbe, saepius in agro, navigare, venari, quiescere interdum, sed frequen- tius se exercere, siquidem ignavia corpus hebetat, labor firmat; illa maturam senectam, hic longam a- dolescentiam reddit. Er soll ein unterschiedene Le- bens-Art an sich nehmen/ bald auf dem Land/ bald in der Stadt/ öffter aber auf dem Felde seyn/ schiffen/ ja- [Spaltenumbruch] gen/ bißweilen ruhen/ öffters aber sich üben; denn die Faulheit schwächt den Leib/ die Arbeit stärcket ihn/ jene macht ein frühes Alter/ und diese eine langwührige Jugend. Dabey dieses zu beobachten: wer sich von einem langwürig-unordentlichen Leben zu einer mässigen Diaet begeben will/ daß er nicht auf einmal von einem Extremo auf das andere falle/ so ihm sehr schädlich seyn würde/ sondern er soll gemach/ heut ein wenig und morgen wieder ein wenig abbrechen/ biß er die Natur/ ohne son- derliche Empfindlichkeit und gefährliche gähe Aenderung dahin leite/ wie er solches zu seiner allerbesten Erhaltung dienlich befindet. 4. Sich vor vieler Artzney/ Aderlassen/ Purgiren hüten/ und sonderlich die unbekannten Chymischen scharf- fen Sachen fliehen/ und es mit Nicolao Grudio, einem edlen Niederländer/ halten/ der/ als ihn ein Medicus gefragt/ warum er seiner Dienste nicht gebrauche/ ge- antwortet habe: Weil ich noch nicht sterben will. Diß ist aber allein von unnöthigem und fürwitzigem Mißbrauch zu ver-
Des Adelichen Land- und Feld-Lebens [Spaltenumbruch]
an biß in die Wurtzen verſengt/ ausgedorrt und zuSchanden gemacht werden: Alſo kan auch wol ein ge- ſunder ſtarcker Menſch/ durch ein unvermuthete gaͤhe Bewegung/ hefftiges Gemuͤths-Anligen/ ſo wol Freud als Zorn und Trauren/ alle ſeine Lebens-Geiſter mit ſo gewaltſamen Anſtoß ausduͤnſten/ daß er deß gaͤhen To- des dahin ſtirbet/ alſo daß manchmahl ein geſunder Menſch dem Tod gleich ſo nahend iſt/ als ein krancker. Bey den Alten aber heiſſet es: Ein Liecht je laͤnger es brennet/ je mehr wird das Wachs oder Jnslet daran verzehret/ und wann ſolches weg iſt/ ſo muß es leſchen: alſo wann das Humidum radicale in dem Menſchen von der natuͤrlichen Hitz zerſchmeltzet und austrocknet/ folget das Alter und endlich der Tod. Das Alter iſt andeꝛs nichts/ als ein kaltes uñ tꝛockenes Temperament, welches aus Abnehmung der Lebens-Feuchtigkeit/ und Ausleſchung der natuͤrlichen Waͤrme entſtehet/ die Lebens-Geiſter verſchwinden/ die Haut ſchnurffet/ und faltet ſich; und weil dieſe ein Doͤrrung des Humidi radicalis mehr Feuchten verlanget/ als trinckt man auch/ ſolche zu erſetzen/ etwas mehr/ und iſſet auch ſo viel als vorhin/ in Meinung/ den Abgang der Kraͤfften/ durch Beyſetzung der Speiſen zu erſetzen/ weil aber der Magen je laͤnger je ſchwaͤcher wird/ ſo wird die Nahrung langſamer/ und nicht gantz voͤllig verdauet/ naͤhret we- niger/ macht mehr Uberfluß und Excrementa, und ſchwaͤchet nach und nach die gantze Subſtanz des menſch- lichen Coͤrpers. Die Aegyptier haben vorgegeben/ das menſchliche Hertz vermehre ſich biß auf das 50 Jahr jaͤhrlich um 2. Quintel; nach dieſen nehme es von Jahr zu Jahr wieder um 2. Quintel ab/ biß er endlich ſterben muͤſſe aus Abgang des Hertzens; dieſes aber iſt ſo wol wider die Anatomia, als taͤgliche Erfahrung. Es ſind wol andere und warhafftigere Urſachen des Alters/ als neben der natuͤrlichen Abnahm aller Sinnen/ vor- nemlich ein unordentlich unmaͤſſiges Leben/ diß befoͤrdert und anticipiret das Alter/ das Hertz wird gepreſſet/ das Hirn ſchwindelt/ die Lebens-Geiſter verweben/ der [Spaltenumbruch] Athem wird uͤbelriechend/ die Haut wird runtzlecht/ der Rucken wird krumm und gebeugt/ die Naſe wird trie- fend/ das Geſicht dunckel und umnebelt/ die Haar ge- hen aus/ die Zaͤhne werden wacklend und ausfallend; in Summa/ il a tousjours quelque fer, qui loche, wie jener Frantzos ſagt: Er hat allzeit ein rogles Eyſen; und wie Herr de Montaigne ſagt/ das Podagra, Sand/ und Stein/ und Undauung ſind Zufaͤlle der langen Jah- re/ wie auf den langen Reiſen/ Hitz/ Regen und Winde. Wer aber/ wie nach der Laͤnge ſchon ausgefuͤhrt wor- den/ ein nuͤchtern maͤſſiges Leben fuͤhrt/ der iſt zwar nicht von dem Alter/ aber von vielen verdrießlichen und be- ſchwerlichen Zuſtaͤnden des Alters befreyet; denn er hat zwo Stuͤtzen/ darauf er ſanfft und wol ruhet; die Ge- daͤchtnis eines Tugendhafft-gefuͤhrten zeitlichen/ und die Hoffnung eines beſſern und weit-erwuͤnſchtern ewi- gen Lebens; und laͤſſet darum nicht ab von ſeinen guten Wirckungen/ ob ſchon der Tod nahend iſt/ ſo wenig als die Wettlauffer/ je naͤher ſie das Ziel erreichen/ je ſchneller ſie ihren Lauff verdoppeln: das Alter macht ſie nicht veraͤchtlich/ ſondern deſto Ehrwuͤrdiger; ſie ma- chens wie ein guter Schiffmann/ wann er dem Port nahe kommt/ wickelt er die Segel zuſammen/ und lauf- fet mit ſachtem Trieb/ biß er anlendet: alſo je naͤher ſie an des Todes Port kommen/ je ſorgfaͤltiger werden ſie/ die Segel der menſchlichen Begirden und Wirckungen einzuwinden und einzubinden/ und wann ein Haus- Vatter ſich bemuͤhet/ auf das kuͤnfftige Jahr Vorrath zu verſchaffen/ ſoll billich ein ehrlicher Alter gedencken/ auf was Weiſe er ewiglich wol und ſelig leben moͤge; alſo wird ihm der Tod zu einer ſichern Fridens-Fahrt/ ein ſanffter ruhiger Schlaff/ und wird ihm wie das aͤherne Schlaͤnglein Moyſis zwar die Geſtalt/ aber nicht das Gifft/ die Zaͤhne oder Boßheit einer Schlangen ge- habt/ mehr eine heilſame Cur/ unfehlbare Heilung und Geſundmachung/ als eine Plag oder Straffe werden. Cap. LXXXI. [Spaltenumbruch]
Etliche Regeln/ die Geſundheit zu erhalten. 1. SAnitatis Studium eſt, non ſatiari cibis, ſagt der alte Hippocrates 6. Epid. Sect. 4. Die beſte Weiſe/ die Geſundheit zu erhalten iſt/ mit Spei- ſen nicht fatt werden; weil aber oben genug davon ge- meldet iſt/ brechen wir hier ab und bleibt dabey: Temperantiâ & quiete multi magni & mali morbi curantur. 2. Wann die Gemuͤths-Bewegungen von der Vernunfft gezaumt werden/ kan der Leib ſeiner Har- moniæ deſto gluͤckſeliger vorſtehen. 3. Nach Cornelii Celſi Meinung/ ſoll ein recht ge- ſunder Menſch ihm keine Geſetze von den Medicis vor- ſchreiben laſſen/ Oportet illum varium vitæ genus ha- bere, modo ruri eſſe, modò in urbe, ſæpius in agro, navigare, venari, quiescere interdum, ſed frequen- tius ſe exercere, ſiquidem ignavia corpus hebetat, labor firmat; illa maturam ſenectam, hic longam a- dolescentiam reddit. Er ſoll ein unterſchiedene Le- bens-Art an ſich nehmen/ bald auf dem Land/ bald in der Stadt/ oͤffter aber auf dem Felde ſeyn/ ſchiffen/ ja- [Spaltenumbruch] gen/ bißweilen ruhen/ oͤffters aber ſich uͤben; denn die Faulheit ſchwaͤcht den Leib/ die Arbeit ſtaͤrcket ihn/ jene macht ein fruͤhes Alter/ und dieſe eine langwuͤhrige Jugend. Dabey dieſes zu beobachten: wer ſich von einem langwuͤrig-unordentlichen Leben zu einer maͤſſigen Diæt begeben will/ daß er nicht auf einmal von einem Extremo auf das andere falle/ ſo ihm ſehr ſchaͤdlich ſeyn wuͤrde/ ſondern er ſoll gemach/ heut ein wenig und morgen wieder ein wenig abbrechen/ biß er die Natur/ ohne ſon- derliche Empfindlichkeit und gefaͤhrliche gaͤhe Aenderung dahin leite/ wie er ſolches zu ſeiner allerbeſten Erhaltung dienlich befindet. 4. Sich vor vieler Artzney/ Aderlaſſen/ Purgiren huͤten/ und ſonderlich die unbekañten Chymiſchen ſcharf- fen Sachen fliehen/ und es mit Nicolao Grudio, einem edlen Niederlaͤnder/ halten/ der/ als ihn ein Medicus gefragt/ warum er ſeiner Dienſte nicht gebrauche/ ge- antwortet habe: Weil ich noch nicht ſterben will. Diß iſt aber allein von unnoͤthigem uñ fuͤrwitzigem Mißbrauch zu ver-
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Des Adelichen Land- und Feld-Lebens
an biß in die Wurtzen verſengt/ ausgedorrt und zu
Schanden gemacht werden: Alſo kan auch wol ein ge-
ſunder ſtarcker Menſch/ durch ein unvermuthete gaͤhe
Bewegung/ hefftiges Gemuͤths-Anligen/ ſo wol Freud
als Zorn und Trauren/ alle ſeine Lebens-Geiſter mit ſo
gewaltſamen Anſtoß ausduͤnſten/ daß er deß gaͤhen To-
des dahin ſtirbet/ alſo daß manchmahl ein geſunder
Menſch dem Tod gleich ſo nahend iſt/ als ein krancker.
Bey den Alten aber heiſſet es: Ein Liecht je laͤnger es
brennet/ je mehr wird das Wachs oder Jnslet daran
verzehret/ und wann ſolches weg iſt/ ſo muß es leſchen:
alſo wann das Humidum radicale in dem Menſchen
von der natuͤrlichen Hitz zerſchmeltzet und austrocknet/
folget das Alter und endlich der Tod. Das Alter iſt
andeꝛs nichts/ als ein kaltes uñ tꝛockenes Temperament,
welches aus Abnehmung der Lebens-Feuchtigkeit/ und
Ausleſchung der natuͤrlichen Waͤrme entſtehet/ die
Lebens-Geiſter verſchwinden/ die Haut ſchnurffet/ und
faltet ſich; und weil dieſe ein Doͤrrung des Humidi
radicalis mehr Feuchten verlanget/ als trinckt man
auch/ ſolche zu erſetzen/ etwas mehr/ und iſſet auch ſo
viel als vorhin/ in Meinung/ den Abgang der Kraͤfften/
durch Beyſetzung der Speiſen zu erſetzen/ weil aber der
Magen je laͤnger je ſchwaͤcher wird/ ſo wird die Nahrung
langſamer/ und nicht gantz voͤllig verdauet/ naͤhret we-
niger/ macht mehr Uberfluß und Excrementa, und
ſchwaͤchet nach und nach die gantze Subſtanz des menſch-
lichen Coͤrpers. Die Aegyptier haben vorgegeben/ das
menſchliche Hertz vermehre ſich biß auf das 50 Jahr
jaͤhrlich um 2. Quintel; nach dieſen nehme es von Jahr
zu Jahr wieder um 2. Quintel ab/ biß er endlich ſterben
muͤſſe aus Abgang des Hertzens; dieſes aber iſt ſo wol
wider die Anatomia, als taͤgliche Erfahrung. Es
ſind wol andere und warhafftigere Urſachen des Alters/
als neben der natuͤrlichen Abnahm aller Sinnen/ vor-
nemlich ein unordentlich unmaͤſſiges Leben/ diß befoͤrdert
und anticipiret das Alter/ das Hertz wird gepreſſet/ das
Hirn ſchwindelt/ die Lebens-Geiſter verweben/ der
Athem wird uͤbelriechend/ die Haut wird runtzlecht/ der
Rucken wird krumm und gebeugt/ die Naſe wird trie-
fend/ das Geſicht dunckel und umnebelt/ die Haar ge-
hen aus/ die Zaͤhne werden wacklend und ausfallend;
in Summa/ il a tousjours quelque fer, qui loche,
wie jener Frantzos ſagt: Er hat allzeit ein rogles Eyſen;
und wie Herr de Montaigne ſagt/ das Podagra, Sand/
und Stein/ und Undauung ſind Zufaͤlle der langen Jah-
re/ wie auf den langen Reiſen/ Hitz/ Regen und Winde.
Wer aber/ wie nach der Laͤnge ſchon ausgefuͤhrt wor-
den/ ein nuͤchtern maͤſſiges Leben fuͤhrt/ der iſt zwar nicht
von dem Alter/ aber von vielen verdrießlichen und be-
ſchwerlichen Zuſtaͤnden des Alters befreyet; denn er hat
zwo Stuͤtzen/ darauf er ſanfft und wol ruhet; die Ge-
daͤchtnis eines Tugendhafft-gefuͤhrten zeitlichen/ und
die Hoffnung eines beſſern und weit-erwuͤnſchtern ewi-
gen Lebens; und laͤſſet darum nicht ab von ſeinen guten
Wirckungen/ ob ſchon der Tod nahend iſt/ ſo wenig als
die Wettlauffer/ je naͤher ſie das Ziel erreichen/ je
ſchneller ſie ihren Lauff verdoppeln: das Alter macht ſie
nicht veraͤchtlich/ ſondern deſto Ehrwuͤrdiger; ſie ma-
chens wie ein guter Schiffmann/ wann er dem Port
nahe kommt/ wickelt er die Segel zuſammen/ und lauf-
fet mit ſachtem Trieb/ biß er anlendet: alſo je naͤher ſie
an des Todes Port kommen/ je ſorgfaͤltiger werden ſie/
die Segel der menſchlichen Begirden und Wirckungen
einzuwinden und einzubinden/ und wann ein Haus-
Vatter ſich bemuͤhet/ auf das kuͤnfftige Jahr Vorrath
zu verſchaffen/ ſoll billich ein ehrlicher Alter gedencken/
auf was Weiſe er ewiglich wol und ſelig leben moͤge; alſo
wird ihm der Tod zu einer ſichern Fridens-Fahrt/ ein
ſanffter ruhiger Schlaff/ und wird ihm wie das aͤherne
Schlaͤnglein Moyſis zwar die Geſtalt/ aber nicht das
Gifft/ die Zaͤhne oder Boßheit einer Schlangen ge-
habt/ mehr eine heilſame Cur/ unfehlbare Heilung
und Geſundmachung/ als eine Plag oder Straffe
werden.
Cap. LXXXI.
Etliche Regeln/ die Geſundheit zu erhalten.
1. SAnitatis Studium eſt, non ſatiari cibis, ſagt der
alte Hippocrates 6. Epid. Sect. 4. Die beſte
Weiſe/ die Geſundheit zu erhalten iſt/ mit Spei-
ſen nicht fatt werden; weil aber oben genug davon ge-
meldet iſt/ brechen wir hier ab und bleibt dabey:
Temperantiâ & quiete multi magni & mali
morbi curantur.
2. Wann die Gemuͤths-Bewegungen von der
Vernunfft gezaumt werden/ kan der Leib ſeiner Har-
moniæ deſto gluͤckſeliger vorſtehen.
3. Nach Cornelii Celſi Meinung/ ſoll ein recht ge-
ſunder Menſch ihm keine Geſetze von den Medicis vor-
ſchreiben laſſen/ Oportet illum varium vitæ genus ha-
bere, modo ruri eſſe, modò in urbe, ſæpius in agro,
navigare, venari, quiescere interdum, ſed frequen-
tius ſe exercere, ſiquidem ignavia corpus hebetat,
labor firmat; illa maturam ſenectam, hic longam a-
dolescentiam reddit. Er ſoll ein unterſchiedene Le-
bens-Art an ſich nehmen/ bald auf dem Land/ bald in der
Stadt/ oͤffter aber auf dem Felde ſeyn/ ſchiffen/ ja-
gen/ bißweilen ruhen/ oͤffters aber ſich uͤben; denn die
Faulheit ſchwaͤcht den Leib/ die Arbeit ſtaͤrcket ihn/ jene
macht ein fruͤhes Alter/ und dieſe eine langwuͤhrige
Jugend. Dabey dieſes zu beobachten: wer ſich von
einem langwuͤrig-unordentlichen Leben zu einer maͤſſigen
Diæt begeben will/ daß er nicht auf einmal von einem
Extremo auf das andere falle/ ſo ihm ſehr ſchaͤdlich ſeyn
wuͤrde/ ſondern er ſoll gemach/ heut ein wenig und morgen
wieder ein wenig abbrechen/ biß er die Natur/ ohne ſon-
derliche Empfindlichkeit und gefaͤhrliche gaͤhe Aenderung
dahin leite/ wie er ſolches zu ſeiner allerbeſten Erhaltung
dienlich befindet.
4. Sich vor vieler Artzney/ Aderlaſſen/ Purgiren
huͤten/ und ſonderlich die unbekañten Chymiſchen ſcharf-
fen Sachen fliehen/ und es mit Nicolao Grudio, einem
edlen Niederlaͤnder/ halten/ der/ als ihn ein Medicus
gefragt/ warum er ſeiner Dienſte nicht gebrauche/ ge-
antwortet habe: Weil ich noch nicht ſterben will. Diß
iſt aber allein von unnoͤthigem uñ fuͤrwitzigem Mißbrauch
zu ver-
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Zitationshilfe: | Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica01_1682/192>, abgerufen am 20.07.2024. |