Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Was hast Du denn im Sinne, Mensch," fragte
Anton, zum gehen schon gewendet, "daß Du so wild
und grob gegen mich bist? Was hab' ich Dir denn in
den Weg gelegt? Oder bist Du stolz geworden, seit-
dem Du das Komödienhandwerk treibst?"

Verhöhne mich nicht, Korbmacherjunge, schrie
jener. Meinst Du, ich hätte nicht bemerkt, wie sie den
ganzen Abend nach Dir schaute? Du gefällst ihr, das
weiß ich. Sie ist ein leichtsinniges Weibstück. Aber
so lange ich noch da bin, kommt ihr kein Anderer
nahe; sonst gilt's ein Leben. Wenn mich der Teufel
geholt hat, macht was ihr wollt; eher nicht. Und
jetzt drücke Dich! Sie soll Dich nicht mehr sehen!

Damit schob er den verblüfften Anton hinaus.

Dieser wußte selbst nicht, wie ihm geschehen? Er
blieb draußen im Freien, mit offenem Munde, völlig
erstarrt, einige Minuten lang mitten auf dem Fahr-
wege stehen, um sich nur erst wieder zu sammeln.
Die Nacht war undurchdringlich finster, die Sterne
in Wolken verhüllt; die Landleute hatten sich längst
verloren. Tiefes Schweigen rings umher, nur von
Anton's bewegter Stimme unterbrochen: "Also ist
der schwarze Wolf wirklich ein Hexenmeister, daß er
weiß, was mit mir vorgegangen, während ich die

„Was haſt Du denn im Sinne, Menſch,“ fragte
Anton, zum gehen ſchon gewendet, „daß Du ſo wild
und grob gegen mich biſt? Was hab’ ich Dir denn in
den Weg gelegt? Oder biſt Du ſtolz geworden, ſeit-
dem Du das Komoͤdienhandwerk treibſt?“

Verhoͤhne mich nicht, Korbmacherjunge, ſchrie
jener. Meinſt Du, ich haͤtte nicht bemerkt, wie ſie den
ganzen Abend nach Dir ſchaute? Du gefaͤllſt ihr, das
weiß ich. Sie iſt ein leichtſinniges Weibſtuͤck. Aber
ſo lange ich noch da bin, kommt ihr kein Anderer
nahe; ſonſt gilt’s ein Leben. Wenn mich der Teufel
geholt hat, macht was ihr wollt; eher nicht. Und
jetzt druͤcke Dich! Sie ſoll Dich nicht mehr ſehen!

Damit ſchob er den verbluͤfften Anton hinaus.

Dieſer wußte ſelbſt nicht, wie ihm geſchehen? Er
blieb draußen im Freien, mit offenem Munde, voͤllig
erſtarrt, einige Minuten lang mitten auf dem Fahr-
wege ſtehen, um ſich nur erſt wieder zu ſammeln.
Die Nacht war undurchdringlich finſter, die Sterne
in Wolken verhuͤllt; die Landleute hatten ſich laͤngſt
verloren. Tiefes Schweigen rings umher, nur von
Anton’s bewegter Stimme unterbrochen: „Alſo iſt
der ſchwarze Wolf wirklich ein Hexenmeiſter, daß er
weiß, was mit mir vorgegangen, waͤhrend ich die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0127" n="111"/>
        <p>&#x201E;Was ha&#x017F;t Du denn im Sinne, Men&#x017F;ch,&#x201C; fragte<lb/>
Anton, zum gehen &#x017F;chon gewendet, &#x201E;daß Du &#x017F;o wild<lb/>
und grob gegen mich bi&#x017F;t? Was hab&#x2019; ich Dir denn in<lb/>
den Weg gelegt? Oder bi&#x017F;t Du &#x017F;tolz geworden, &#x017F;eit-<lb/>
dem Du das Komo&#x0364;dienhandwerk treib&#x017F;t?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Verho&#x0364;hne mich nicht, Korbmacherjunge, &#x017F;chrie<lb/>
jener. Mein&#x017F;t Du, ich ha&#x0364;tte nicht bemerkt, wie &#x017F;ie den<lb/>
ganzen Abend nach Dir &#x017F;chaute? Du gefa&#x0364;ll&#x017F;t ihr, das<lb/>
weiß ich. Sie i&#x017F;t ein leicht&#x017F;inniges Weib&#x017F;tu&#x0364;ck. Aber<lb/>
&#x017F;o lange ich noch da bin, kommt ihr kein Anderer<lb/>
nahe; &#x017F;on&#x017F;t gilt&#x2019;s ein Leben. Wenn mich der Teufel<lb/>
geholt hat, macht was ihr wollt; eher nicht. Und<lb/>
jetzt dru&#x0364;cke Dich! Sie &#x017F;oll Dich nicht mehr &#x017F;ehen!</p><lb/>
        <p>Damit &#x017F;chob er den verblu&#x0364;fften Anton hinaus.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er wußte &#x017F;elb&#x017F;t nicht, wie ihm ge&#x017F;chehen? Er<lb/>
blieb draußen im Freien, mit offenem Munde, vo&#x0364;llig<lb/>
er&#x017F;tarrt, einige Minuten lang mitten auf dem Fahr-<lb/>
wege &#x017F;tehen, um &#x017F;ich nur er&#x017F;t wieder zu &#x017F;ammeln.<lb/>
Die Nacht war undurchdringlich fin&#x017F;ter, die Sterne<lb/>
in Wolken verhu&#x0364;llt; die Landleute hatten &#x017F;ich la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
verloren. Tiefes Schweigen rings umher, nur von<lb/>
Anton&#x2019;s bewegter Stimme unterbrochen: &#x201E;Al&#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
der &#x017F;chwarze Wolf wirklich ein Hexenmei&#x017F;ter, daß er<lb/>
weiß, was mit mir vorgegangen, wa&#x0364;hrend ich die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0127] „Was haſt Du denn im Sinne, Menſch,“ fragte Anton, zum gehen ſchon gewendet, „daß Du ſo wild und grob gegen mich biſt? Was hab’ ich Dir denn in den Weg gelegt? Oder biſt Du ſtolz geworden, ſeit- dem Du das Komoͤdienhandwerk treibſt?“ Verhoͤhne mich nicht, Korbmacherjunge, ſchrie jener. Meinſt Du, ich haͤtte nicht bemerkt, wie ſie den ganzen Abend nach Dir ſchaute? Du gefaͤllſt ihr, das weiß ich. Sie iſt ein leichtſinniges Weibſtuͤck. Aber ſo lange ich noch da bin, kommt ihr kein Anderer nahe; ſonſt gilt’s ein Leben. Wenn mich der Teufel geholt hat, macht was ihr wollt; eher nicht. Und jetzt druͤcke Dich! Sie ſoll Dich nicht mehr ſehen! Damit ſchob er den verbluͤfften Anton hinaus. Dieſer wußte ſelbſt nicht, wie ihm geſchehen? Er blieb draußen im Freien, mit offenem Munde, voͤllig erſtarrt, einige Minuten lang mitten auf dem Fahr- wege ſtehen, um ſich nur erſt wieder zu ſammeln. Die Nacht war undurchdringlich finſter, die Sterne in Wolken verhuͤllt; die Landleute hatten ſich laͤngſt verloren. Tiefes Schweigen rings umher, nur von Anton’s bewegter Stimme unterbrochen: „Alſo iſt der ſchwarze Wolf wirklich ein Hexenmeiſter, daß er weiß, was mit mir vorgegangen, waͤhrend ich die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/127
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/127>, abgerufen am 24.11.2024.