kleine Graukopf aus und rief ganz heftig: was ich meine, Herr Rektor? Jch meine, daß eine solche tugendhafte Weisheit, solche Sittsamkeit und Würde, solch' untadeliger Fleiß an einem siebzehnjährigen Burschen unnatürlich sind; daß aus solchen jungen, glatten Schulmustern und Zierpuppen niemals etwas wird; daß Jugend ihr Recht verlangt. Wundern thut mich dabei nur der Alte, der seinem Namen nach holländischer Abkunft scheint und folglich auch das holländische Sprichwort kennen sollte, nach welchem der Vater einer Tochter, wenn der Vater eines Soh- nes um deren Hand für letzteren wirbt, zu fragen pflegt: "Hat Jhr Herr Sohn aber auch schon aus- getobt?" Bequemer für die Lehrer ist gewiß, wenn die Jungen den Anfang des nothwendigen und natur- gemäßen Austobens weiter hinausschieben; doch besser für die Jungen bleibt es, wenn sie bei Zeiten anfan- gen. Jch bleibe bei meiner Ansicht. Hätte Herr van der Helfft nur ein paarmal im Karzer gesessen, ich würde weit mehr Respekt vor ihm hegen. Dixi et salvavi.
Rektor und Schulkollegium belächelten des alten Herren komischen Erguß und zuckten mitleidsvoll die
kleine Graukopf aus und rief ganz heftig: was ich meine, Herr Rektor? Jch meine, daß eine ſolche tugendhafte Weisheit, ſolche Sittſamkeit und Wuͤrde, ſolch’ untadeliger Fleiß an einem ſiebzehnjaͤhrigen Burſchen unnatuͤrlich ſind; daß aus ſolchen jungen, glatten Schulmuſtern und Zierpuppen niemals etwas wird; daß Jugend ihr Recht verlangt. Wundern thut mich dabei nur der Alte, der ſeinem Namen nach hollaͤndiſcher Abkunft ſcheint und folglich auch das hollaͤndiſche Sprichwort kennen ſollte, nach welchem der Vater einer Tochter, wenn der Vater eines Soh- nes um deren Hand fuͤr letzteren wirbt, zu fragen pflegt: „Hat Jhr Herr Sohn aber auch ſchon aus- getobt?“ Bequemer fuͤr die Lehrer iſt gewiß, wenn die Jungen den Anfang des nothwendigen und natur- gemaͤßen Austobens weiter hinausſchieben; doch beſſer fuͤr die Jungen bleibt es, wenn ſie bei Zeiten anfan- gen. Jch bleibe bei meiner Anſicht. Haͤtte Herr van der Helfft nur ein paarmal im Karzer geſeſſen, ich wuͤrde weit mehr Reſpekt vor ihm hegen. Dixi et salvavi.
Rektor und Schulkollegium belaͤchelten des alten Herren komiſchen Erguß und zuckten mitleidsvoll die
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kleine Graukopf aus und rief ganz heftig: was ich
meine, Herr Rektor? Jch meine, daß eine ſolche
tugendhafte Weisheit, ſolche Sittſamkeit und Wuͤrde,
ſolch’ untadeliger Fleiß an einem ſiebzehnjaͤhrigen
Burſchen unnatuͤrlich ſind; daß aus ſolchen jungen,
glatten Schulmuſtern und Zierpuppen niemals etwas
wird; daß Jugend ihr Recht verlangt. Wundern
thut mich dabei nur der Alte, der ſeinem Namen nach
hollaͤndiſcher Abkunft ſcheint und folglich auch das
hollaͤndiſche Sprichwort kennen ſollte, nach welchem
der Vater einer Tochter, wenn der Vater eines Soh-
nes um deren Hand fuͤr letzteren wirbt, zu fragen
pflegt: „Hat Jhr Herr Sohn aber auch ſchon aus-
getobt?“ Bequemer fuͤr die Lehrer iſt gewiß, wenn
die Jungen den Anfang des nothwendigen und natur-
gemaͤßen Austobens weiter hinausſchieben; doch beſſer
fuͤr die Jungen bleibt es, wenn ſie bei Zeiten anfan-
gen. Jch bleibe bei meiner Anſicht. Haͤtte Herr van
der Helfft nur ein paarmal im Karzer geſeſſen, ich
wuͤrde weit mehr Reſpekt vor ihm hegen. Dixi et
salvavi.
Rektor und Schulkollegium belaͤchelten des alten
Herren komiſchen Erguß und zuckten mitleidsvoll die
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/139>, abgerufen am 21.11.2024.
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