Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

er ist so reif, so fertig, so weise, so altklug, daß er zu
jeder Stunde vor den Altar marschiren könnte; und,
fügte Onkel Nasus hinzu, er muß, ja er muß sich
erklären. Wenigstens der Brautstand soll sicher sein.
Mag er dann ein Jahr hindurch, der Form wegen,
noch Student heißen, oder Bursche, wie sie's nennen.
Jch bewirthschafte so lange noch Liebenau; lichte den
Wald, wo er zu dick steht, und wo man ihn vor lau-
ter Bäumen nicht sieht; bringe mich in Nummer
Sicher -- und dann übergeb' ich ihm, mit meiner
Jüngsten zugleich die Herrschaft. Er mag neu pflan-
zen; er ist jung; er hat Aussicht, zu erleben, wie
seine Anlagen heranwachsen! Aber ohne Verlobung
kommt er mir nicht aus dem Schlosse, und wenn er
Ochsen vorspannte!

Vergebens wendete der alte Herr sich bittend und
fragend an Tieletunke. Diese wies jede Andeutung
auf ein Verständniß mit ihrem jungen Gaste entschie-
den zurück. Sie versicherte den Vater, daß sie sich
gegenseitig vollkommen gleichgültig wären.

Der Alte gerieth in Wuth: "Es ist mir ebenfalls
vollkommen gleichgültig, ob ihr zwei euch gleichgültig
seid? Aber Verlobung will ich haben; Braut follst
Du werden, ehe der verfluchte Tütendreher mir die

er iſt ſo reif, ſo fertig, ſo weiſe, ſo altklug, daß er zu
jeder Stunde vor den Altar marſchiren koͤnnte; und,
fuͤgte Onkel Naſus hinzu, er muß, ja er muß ſich
erklaͤren. Wenigſtens der Brautſtand ſoll ſicher ſein.
Mag er dann ein Jahr hindurch, der Form wegen,
noch Student heißen, oder Burſche, wie ſie’s nennen.
Jch bewirthſchafte ſo lange noch Liebenau; lichte den
Wald, wo er zu dick ſteht, und wo man ihn vor lau-
ter Baͤumen nicht ſieht; bringe mich in Nummer
Sicher — und dann uͤbergeb’ ich ihm, mit meiner
Juͤngſten zugleich die Herrſchaft. Er mag neu pflan-
zen; er iſt jung; er hat Ausſicht, zu erleben, wie
ſeine Anlagen heranwachſen! Aber ohne Verlobung
kommt er mir nicht aus dem Schloſſe, und wenn er
Ochſen vorſpannte!

Vergebens wendete der alte Herr ſich bittend und
fragend an Tieletunke. Dieſe wies jede Andeutung
auf ein Verſtaͤndniß mit ihrem jungen Gaſte entſchie-
den zuruͤck. Sie verſicherte den Vater, daß ſie ſich
gegenſeitig vollkommen gleichguͤltig waͤren.

Der Alte gerieth in Wuth: „Es iſt mir ebenfalls
vollkommen gleichguͤltig, ob ihr zwei euch gleichguͤltig
ſeid? Aber Verlobung will ich haben; Braut follſt
Du werden, ehe der verfluchte Tuͤtendreher mir die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0184" n="168"/>
er i&#x017F;t &#x017F;o reif, &#x017F;o fertig, &#x017F;o wei&#x017F;e, &#x017F;o altklug, daß er zu<lb/>
jeder Stunde vor den Altar mar&#x017F;chiren ko&#x0364;nnte; und,<lb/>
fu&#x0364;gte Onkel Na&#x017F;us hinzu, er muß, ja er muß &#x017F;ich<lb/>
erkla&#x0364;ren. Wenig&#x017F;tens der Braut&#x017F;tand &#x017F;oll &#x017F;icher &#x017F;ein.<lb/>
Mag er dann ein Jahr hindurch, der Form wegen,<lb/>
noch Student heißen, oder Bur&#x017F;che, wie &#x017F;ie&#x2019;s nennen.<lb/>
Jch bewirth&#x017F;chafte &#x017F;o lange noch Liebenau; lichte den<lb/>
Wald, wo er zu dick &#x017F;teht, und wo man ihn vor lau-<lb/>
ter Ba&#x0364;umen nicht &#x017F;ieht; bringe mich in Nummer<lb/>
Sicher &#x2014; und dann u&#x0364;bergeb&#x2019; ich ihm, mit meiner<lb/>
Ju&#x0364;ng&#x017F;ten zugleich die Herr&#x017F;chaft. Er mag neu pflan-<lb/>
zen; er i&#x017F;t jung; er hat Aus&#x017F;icht, zu erleben, wie<lb/>
&#x017F;eine Anlagen heranwach&#x017F;en! Aber ohne Verlobung<lb/>
kommt er mir nicht aus dem Schlo&#x017F;&#x017F;e, und wenn er<lb/>
Och&#x017F;en vor&#x017F;pannte!</p><lb/>
        <p>Vergebens wendete der alte Herr &#x017F;ich bittend und<lb/>
fragend an Tieletunke. Die&#x017F;e wies jede Andeutung<lb/>
auf ein Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß mit ihrem jungen Ga&#x017F;te ent&#x017F;chie-<lb/>
den zuru&#x0364;ck. Sie ver&#x017F;icherte den Vater, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
gegen&#x017F;eitig vollkommen gleichgu&#x0364;ltig wa&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p>Der Alte gerieth in Wuth: &#x201E;Es i&#x017F;t mir ebenfalls<lb/>
vollkommen gleichgu&#x0364;ltig, ob ihr zwei euch gleichgu&#x0364;ltig<lb/>
&#x017F;eid? Aber Verlobung will ich haben; Braut foll&#x017F;t<lb/>
Du werden, ehe der verfluchte Tu&#x0364;tendreher mir die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0184] er iſt ſo reif, ſo fertig, ſo weiſe, ſo altklug, daß er zu jeder Stunde vor den Altar marſchiren koͤnnte; und, fuͤgte Onkel Naſus hinzu, er muß, ja er muß ſich erklaͤren. Wenigſtens der Brautſtand ſoll ſicher ſein. Mag er dann ein Jahr hindurch, der Form wegen, noch Student heißen, oder Burſche, wie ſie’s nennen. Jch bewirthſchafte ſo lange noch Liebenau; lichte den Wald, wo er zu dick ſteht, und wo man ihn vor lau- ter Baͤumen nicht ſieht; bringe mich in Nummer Sicher — und dann uͤbergeb’ ich ihm, mit meiner Juͤngſten zugleich die Herrſchaft. Er mag neu pflan- zen; er iſt jung; er hat Ausſicht, zu erleben, wie ſeine Anlagen heranwachſen! Aber ohne Verlobung kommt er mir nicht aus dem Schloſſe, und wenn er Ochſen vorſpannte! Vergebens wendete der alte Herr ſich bittend und fragend an Tieletunke. Dieſe wies jede Andeutung auf ein Verſtaͤndniß mit ihrem jungen Gaſte entſchie- den zuruͤck. Sie verſicherte den Vater, daß ſie ſich gegenſeitig vollkommen gleichguͤltig waͤren. Der Alte gerieth in Wuth: „Es iſt mir ebenfalls vollkommen gleichguͤltig, ob ihr zwei euch gleichguͤltig ſeid? Aber Verlobung will ich haben; Braut follſt Du werden, ehe der verfluchte Tuͤtendreher mir die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/184
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/184>, abgerufen am 21.11.2024.