demüthig hin, wußte sich aber doch in sofern zu recht- fertigen, als er seiner Freude den reinsten Antheil an Tieletunke's Lebensglück unterlegte. Mit diesem Menschen, sprach Anton, so prächtig er aussieht, und so feine Kleider ihn schmücken, wäre sie doch höchst unglücklich geworden. Und wenn die pfiffig-lächelnde Alte ihn fragte: Du dummer Junge, woher willst Du das wissen? antwortete er nur, wo möglich noch pfiffiger lächelnd, wie sie: Jch bin nicht so dumm als ich aussehe! Wobei er ein reizend-schlaues Gesicht machte, daß ihn die Großmutter vor Liebe gleich hätte auffressen mögen.
Das war ein hübscher Abend. Ringsum herbstel- ten freilich Wiesen und Bäume schon, doch blieb es noch warm und sommerlich. Sie saßen mit einander vor ihrem Häuschen, nicht anders, als in ihren hei- tersten Tagen. Es war ein hübscher Abend, wie gesagt; denn sie ahneten nicht, daß er der letzte dieser Art sei.
Nun thu' mir den Gefallen, Großmutterle, und sieh' Dir den Post-Boten an, sagte nach einer Pause zufriedenen Schweigens Anton; sieht der nicht gerade so aus, als ob er uns einen Brief bringen wollte? Unverwandt starrt er nach mir herüber, jetzt biegt er
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demuͤthig hin, wußte ſich aber doch in ſofern zu recht- fertigen, als er ſeiner Freude den reinſten Antheil an Tieletunke’s Lebensgluͤck unterlegte. Mit dieſem Menſchen, ſprach Anton, ſo praͤchtig er ausſieht, und ſo feine Kleider ihn ſchmuͤcken, waͤre ſie doch hoͤchſt ungluͤcklich geworden. Und wenn die pfiffig-laͤchelnde Alte ihn fragte: Du dummer Junge, woher willſt Du das wiſſen? antwortete er nur, wo moͤglich noch pfiffiger laͤchelnd, wie ſie: Jch bin nicht ſo dumm als ich ausſehe! Wobei er ein reizend-ſchlaues Geſicht machte, daß ihn die Großmutter vor Liebe gleich haͤtte auffreſſen moͤgen.
Das war ein huͤbſcher Abend. Ringsum herbſtel- ten freilich Wieſen und Baͤume ſchon, doch blieb es noch warm und ſommerlich. Sie ſaßen mit einander vor ihrem Haͤuschen, nicht anders, als in ihren hei- terſten Tagen. Es war ein huͤbſcher Abend, wie geſagt; denn ſie ahneten nicht, daß er der letzte dieſer Art ſei.
Nun thu’ mir den Gefallen, Großmutterle, und ſieh’ Dir den Poſt-Boten an, ſagte nach einer Pauſe zufriedenen Schweigens Anton; ſieht der nicht gerade ſo aus, als ob er uns einen Brief bringen wollte? Unverwandt ſtarrt er nach mir heruͤber, jetzt biegt er
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demuͤthig hin, wußte ſich aber doch in ſofern zu recht-
fertigen, als er ſeiner Freude den reinſten Antheil an
Tieletunke’s Lebensgluͤck unterlegte. Mit dieſem
Menſchen, ſprach Anton, ſo praͤchtig er ausſieht, und
ſo feine Kleider ihn ſchmuͤcken, waͤre ſie doch hoͤchſt
ungluͤcklich geworden. Und wenn die pfiffig-laͤchelnde
Alte ihn fragte: Du dummer Junge, woher willſt
Du das wiſſen? antwortete er nur, wo moͤglich noch
pfiffiger laͤchelnd, wie ſie: Jch bin nicht ſo dumm als
ich ausſehe! Wobei er ein reizend-ſchlaues Geſicht
machte, daß ihn die Großmutter vor Liebe gleich haͤtte
auffreſſen moͤgen.
Das war ein huͤbſcher Abend. Ringsum herbſtel-
ten freilich Wieſen und Baͤume ſchon, doch blieb es
noch warm und ſommerlich. Sie ſaßen mit einander
vor ihrem Haͤuschen, nicht anders, als in ihren hei-
terſten Tagen. Es war ein huͤbſcher Abend, wie
geſagt; denn ſie ahneten nicht, daß er der letzte dieſer
Art ſei.
Nun thu’ mir den Gefallen, Großmutterle, und
ſieh’ Dir den Poſt-Boten an, ſagte nach einer Pauſe
zufriedenen Schweigens Anton; ſieht der nicht gerade
ſo aus, als ob er uns einen Brief bringen wollte?
Unverwandt ſtarrt er nach mir heruͤber, jetzt biegt er
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/195>, abgerufen am 21.11.2024.
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