ein. Weiß Gott, er kommt hierher. Na, das ist unerhört. Außer dem Herrn Pastor ist das noch kei- Seele wiederfahren, in ganz Liebenau nicht.
Wem, um Alles in der Welt, hätte der müde Mann auch in Liebenau Briefe zutragen sollen? Die Schloßbewohner korrespondirten nicht durch die Kö- nigliche Post und jene großen, unwillkommenen Zu- schriften, welche Onkel Nasus von Zeit zu Zeit empfing, insinuirte leider für gewöhnlich ein Diener des Ge- richtes.
Doch hatte Anton recht gesehen: die Biegung des bestaubten Wanderers galt ihnen und er fragte sie mürrisch: könnt ihr mir denn vielleicht eröffnen, ob hier im Dorfe eine Frau Hahn lebt?
"Hahn?" sagte Anton, "Frau Hahn? Jst mir nicht bekannt. Hennen giebt's wohl, und Hähne auch, genug. Aber Frau Hahn? daß ich nicht wüßte!"
Nun so wollt' ich, erwiederte noch mürrischer der verdrüßliche Mann, sie säße im Monde oder sonst wo dergleichen, damit es keinem Narren auf der Erde einfiele, an sie zu schreiben; lauf' ich mir des dummen Briefes wegen nicht meine neuen Schuhsohlen durch und werd' ihn nicht los. Und macht bereits schon über einen Thaler an Porto.
ein. Weiß Gott, er kommt hierher. Na, das iſt unerhoͤrt. Außer dem Herrn Paſtor iſt das noch kei- Seele wiederfahren, in ganz Liebenau nicht.
Wem, um Alles in der Welt, haͤtte der muͤde Mann auch in Liebenau Briefe zutragen ſollen? Die Schloßbewohner korrespondirten nicht durch die Koͤ- nigliche Poſt und jene großen, unwillkommenen Zu- ſchriften, welche Onkel Naſus von Zeit zu Zeit empfing, inſinuirte leider fuͤr gewoͤhnlich ein Diener des Ge- richtes.
Doch hatte Anton recht geſehen: die Biegung des beſtaubten Wanderers galt ihnen und er fragte ſie muͤrriſch: koͤnnt ihr mir denn vielleicht eroͤffnen, ob hier im Dorfe eine Frau Hahn lebt?
„Hahn?“ ſagte Anton, „Frau Hahn? Jſt mir nicht bekannt. Hennen giebt’s wohl, und Haͤhne auch, genug. Aber Frau Hahn? daß ich nicht wuͤßte!“
Nun ſo wollt’ ich, erwiederte noch muͤrriſcher der verdruͤßliche Mann, ſie ſaͤße im Monde oder ſonſt wo dergleichen, damit es keinem Narren auf der Erde einfiele, an ſie zu ſchreiben; lauf’ ich mir des dummen Briefes wegen nicht meine neuen Schuhſohlen durch und werd’ ihn nicht los. Und macht bereits ſchon uͤber einen Thaler an Porto.
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ein. Weiß Gott, er kommt hierher. Na, das iſt
unerhoͤrt. Außer dem Herrn Paſtor iſt das noch kei-
Seele wiederfahren, in ganz Liebenau nicht.
Wem, um Alles in der Welt, haͤtte der muͤde
Mann auch in Liebenau Briefe zutragen ſollen? Die
Schloßbewohner korrespondirten nicht durch die Koͤ-
nigliche Poſt und jene großen, unwillkommenen Zu-
ſchriften, welche Onkel Naſus von Zeit zu Zeit empfing,
inſinuirte leider fuͤr gewoͤhnlich ein Diener des Ge-
richtes.
Doch hatte Anton recht geſehen: die Biegung des
beſtaubten Wanderers galt ihnen und er fragte ſie
muͤrriſch: koͤnnt ihr mir denn vielleicht eroͤffnen, ob
hier im Dorfe eine Frau Hahn lebt?
„Hahn?“ ſagte Anton, „Frau Hahn? Jſt mir
nicht bekannt. Hennen giebt’s wohl, und Haͤhne auch,
genug. Aber Frau Hahn? daß ich nicht wuͤßte!“
Nun ſo wollt’ ich, erwiederte noch muͤrriſcher der
verdruͤßliche Mann, ſie ſaͤße im Monde oder ſonſt wo
dergleichen, damit es keinem Narren auf der Erde
einfiele, an ſie zu ſchreiben; lauf’ ich mir des dummen
Briefes wegen nicht meine neuen Schuhſohlen durch
und werd’ ihn nicht los. Und macht bereits ſchon
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/196>, abgerufen am 21.11.2024.
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