Anton hatte schon wieder eine lustige Bemerkung auf der Zunge, als ein Seitenblick nach der Groß- mutter gerichtet ihm Stillschweigen gebot. Denn die alte Frau saß todtenbleich neben ihm und ihr Auge, sonst schon matt und trübe, leuchtete wie Feuer unter den Brillengläsern vor. Sie sagte mit lauter, doch bebender Stimme: "Ehe eine Frau Hahn sich meldet, an welche dieser Brief, -- und dabei wendete sie kei- nen Blick von den Schriftzügen der Adresse, -- gerichtet sein könnte, müßte sie erfahren, ob ihr Stand, so wie auch Tauf- und Geburtsname übereinstimmen?"
Wäret Jhr es am Ende gar selbst? fragte der Bote. Wohl, so nennt mir Stand und Namen; wenn das zutrifft, sollt Jhr ihn haben und ich will Gott danken, daß ich ihn los bin.
Mutter Goksch sprach feierlich: "Antonia Hahn, geborene Werner, Wittwe des wohlseligen Schulrek- tors und Kantors Hahn in N."
Das trifft zu. Auf ein Pünktchen trifft es zu. Und nach N. ist der Brief auch überschrieben. Von dort hat er viele Kreuz- und Querzüge machen müssen, so daß er's wohl satt haben mag und Ruhe braucht. Zahlt mir also meinen Thaler und drei Groschen an
Anton hatte ſchon wieder eine luſtige Bemerkung auf der Zunge, als ein Seitenblick nach der Groß- mutter gerichtet ihm Stillſchweigen gebot. Denn die alte Frau ſaß todtenbleich neben ihm und ihr Auge, ſonſt ſchon matt und truͤbe, leuchtete wie Feuer unter den Brillenglaͤſern vor. Sie ſagte mit lauter, doch bebender Stimme: „Ehe eine Frau Hahn ſich meldet, an welche dieſer Brief, — und dabei wendete ſie kei- nen Blick von den Schriftzuͤgen der Adreſſe, — gerichtet ſein koͤnnte, muͤßte ſie erfahren, ob ihr Stand, ſo wie auch Tauf- und Geburtsname uͤbereinſtimmen?“
Waͤret Jhr es am Ende gar ſelbſt? fragte der Bote. Wohl, ſo nennt mir Stand und Namen; wenn das zutrifft, ſollt Jhr ihn haben und ich will Gott danken, daß ich ihn los bin.
Mutter Gokſch ſprach feierlich: „Antonia Hahn, geborene Werner, Wittwe des wohlſeligen Schulrek- tors und Kantors Hahn in N.“
Das trifft zu. Auf ein Puͤnktchen trifft es zu. Und nach N. iſt der Brief auch uͤberſchrieben. Von dort hat er viele Kreuz- und Querzuͤge machen muͤſſen, ſo daß er’s wohl ſatt haben mag und Ruhe braucht. Zahlt mir alſo meinen Thaler und drei Groſchen an
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Anton hatte ſchon wieder eine luſtige Bemerkung
auf der Zunge, als ein Seitenblick nach der Groß-
mutter gerichtet ihm Stillſchweigen gebot. Denn die
alte Frau ſaß todtenbleich neben ihm und ihr Auge,
ſonſt ſchon matt und truͤbe, leuchtete wie Feuer unter
den Brillenglaͤſern vor. Sie ſagte mit lauter, doch
bebender Stimme: „Ehe eine Frau Hahn ſich meldet,
an welche dieſer Brief, — und dabei wendete ſie kei-
nen Blick von den Schriftzuͤgen der Adreſſe, —
gerichtet ſein koͤnnte, muͤßte ſie erfahren, ob ihr Stand,
ſo wie auch Tauf- und Geburtsname uͤbereinſtimmen?“
Waͤret Jhr es am Ende gar ſelbſt? fragte der
Bote. Wohl, ſo nennt mir Stand und Namen;
wenn das zutrifft, ſollt Jhr ihn haben und ich will
Gott danken, daß ich ihn los bin.
Mutter Gokſch ſprach feierlich: „Antonia Hahn,
geborene Werner, Wittwe des wohlſeligen Schulrek-
tors und Kantors Hahn in N.“
Das trifft zu. Auf ein Puͤnktchen trifft es zu.
Und nach N. iſt der Brief auch uͤberſchrieben. Von
dort hat er viele Kreuz- und Querzuͤge machen muͤſſen,
ſo daß er’s wohl ſatt haben mag und Ruhe braucht.
Zahlt mir alſo meinen Thaler und drei Groſchen an
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/197>, abgerufen am 24.11.2024.
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