freundlichem Gesichte ein. Er nahm Platz bei'm Bette, so daß er der Alten gerade in's Auge sah.
Durch allerlei Stubengewächse und Blumenkram drangen Sonnenstrahlen in's Gemach, die Hälfte desselben mit ihrem Glanze festlich zu schmücken. Frau Hahn lächelte blinzelnd hinein. Anton wollte den Laden schließen. Sie aber sprach: laß' nur! Das blendet mich nicht. Jch sagt' es Dir ja gestern, mein grundgütiger Gott werde mich nicht in finsterer Sturmnacht abrufen? Er sendet mir sein Licht bei'm Ausgang aus dieser Erdenwelt. Jetzund, mein Junge, laß' uns herzlichen Abschied nehmen und unterbrich mich nicht durch Jammergeschrei. Du hörst es gern, wenn sie Dich einen jungen Mann heißen; zeige heute, daß Du es bist. Mein Lebensöl ist ausge- brannt; die Lampe will verlöschen. Jch scheide von Dir mit einer Seele voll inniger Liebe. Was ich für meinen seeligen Mann, was ich für Deine Mutter gefühlt, das hab' ich gleichsam auf Dich übertragen. Du warst mir Eh'gemal und Kind zugleich, Du warst mir Alles. Jch hoffe mein Betragen hat Dich dessen stets versichert. Diese Liebe nehm' ich mit mir hinüber und lege sie nieder vor Gottes Thron. Aber auch meinen Dank nehm' ich mit, meine Dankbarkeit
freundlichem Geſichte ein. Er nahm Platz bei’m Bette, ſo daß er der Alten gerade in’s Auge ſah.
Durch allerlei Stubengewaͤchſe und Blumenkram drangen Sonnenſtrahlen in’s Gemach, die Haͤlfte deſſelben mit ihrem Glanze feſtlich zu ſchmuͤcken. Frau Hahn laͤchelte blinzelnd hinein. Anton wollte den Laden ſchließen. Sie aber ſprach: laß’ nur! Das blendet mich nicht. Jch ſagt’ es Dir ja geſtern, mein grundguͤtiger Gott werde mich nicht in finſterer Sturmnacht abrufen? Er ſendet mir ſein Licht bei’m Ausgang aus dieſer Erdenwelt. Jetzund, mein Junge, laß’ uns herzlichen Abſchied nehmen und unterbrich mich nicht durch Jammergeſchrei. Du hoͤrſt es gern, wenn ſie Dich einen jungen Mann heißen; zeige heute, daß Du es biſt. Mein Lebensoͤl iſt ausge- brannt; die Lampe will verloͤſchen. Jch ſcheide von Dir mit einer Seele voll inniger Liebe. Was ich fuͤr meinen ſeeligen Mann, was ich fuͤr Deine Mutter gefuͤhlt, das hab’ ich gleichſam auf Dich uͤbertragen. Du warſt mir Eh’gemal und Kind zugleich, Du warſt mir Alles. Jch hoffe mein Betragen hat Dich deſſen ſtets verſichert. Dieſe Liebe nehm’ ich mit mir hinuͤber und lege ſie nieder vor Gottes Thron. Aber auch meinen Dank nehm’ ich mit, meine Dankbarkeit
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freundlichem Geſichte ein. Er nahm Platz bei’m
Bette, ſo daß er der Alten gerade in’s Auge ſah.
Durch allerlei Stubengewaͤchſe und Blumenkram
drangen Sonnenſtrahlen in’s Gemach, die Haͤlfte
deſſelben mit ihrem Glanze feſtlich zu ſchmuͤcken.
Frau Hahn laͤchelte blinzelnd hinein. Anton wollte
den Laden ſchließen. Sie aber ſprach: laß’ nur!
Das blendet mich nicht. Jch ſagt’ es Dir ja geſtern,
mein grundguͤtiger Gott werde mich nicht in finſterer
Sturmnacht abrufen? Er ſendet mir ſein Licht bei’m
Ausgang aus dieſer Erdenwelt. Jetzund, mein Junge,
laß’ uns herzlichen Abſchied nehmen und unterbrich
mich nicht durch Jammergeſchrei. Du hoͤrſt es gern,
wenn ſie Dich einen jungen Mann heißen; zeige
heute, daß Du es biſt. Mein Lebensoͤl iſt ausge-
brannt; die Lampe will verloͤſchen. Jch ſcheide von
Dir mit einer Seele voll inniger Liebe. Was ich fuͤr
meinen ſeeligen Mann, was ich fuͤr Deine Mutter
gefuͤhlt, das hab’ ich gleichſam auf Dich uͤbertragen.
Du warſt mir Eh’gemal und Kind zugleich, Du
warſt mir Alles. Jch hoffe mein Betragen hat Dich
deſſen ſtets verſichert. Dieſe Liebe nehm’ ich mit mir
hinuͤber und lege ſie nieder vor Gottes Thron. Aber
auch meinen Dank nehm’ ich mit, meine Dankbarkeit
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/219>, abgerufen am 24.11.2024.
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