Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Teufel, die Krähen pflegen doch nicht aus eigenem
Antriebe zu reden? Aber wahrhaftig, das ist ein leben-
diges graues Klümpchen, dort im Winkel zwischen
Stamm und Ast? Eine Krähe ist das nicht, -- es
ist kleiner; -- vielmehr scheint es sich vor den Krähen
ängstlich zu ducken. O! jetzt erkenn' ich's deutlich:
es ist ein ausländischer Vogel. Die Krähen haben
ihn schon in der Arbeit gehabt, er ist schreckbar zer-
zaus't. Daß ist gewiß ein grauer Papagey. Und wie
ist der auf den Eichberg gerathen?"

-- "Oh Lora! Lora! ha, ha! Koko!" --

Koko hat er gesagt. Wahrscheinlich heißt er
Koko und seine. Herrschaft heißt Lore. Ja, lieber
Koko, ich bin selbst unterweges, dort hinüber zu selbst
fremd; ich kann Dir keinen zweckmäßigen Rath erthei-
len ...... Wie er mir zunickt, als ob er mich ver-
stände! Er klettert herab. Weiß Gott, er sucht mich
auf. Komm', komm', Du armer Kerl!

Die Krähen erhoben im Chor ein wildes Zeter-
geschrei. Anton drohete ihnen mit seinem Reisestab
und hielt diesen nachher dem vor Kälte bebenden
Koko hin. Koko eilte ihm entgegen und kaum hatte
sein Schnabel diese Rettungsbrücke erreicht, als der
kluge Vogel auch schon auf ihr entlang über Anton's

Teufel, die Kraͤhen pflegen doch nicht aus eigenem
Antriebe zu reden? Aber wahrhaftig, das iſt ein leben-
diges graues Kluͤmpchen, dort im Winkel zwiſchen
Stamm und Aſt? Eine Kraͤhe iſt das nicht, — es
iſt kleiner; — vielmehr ſcheint es ſich vor den Kraͤhen
aͤngſtlich zu ducken. O! jetzt erkenn’ ich’s deutlich:
es iſt ein auslaͤndiſcher Vogel. Die Kraͤhen haben
ihn ſchon in der Arbeit gehabt, er iſt ſchreckbar zer-
zauſ’t. Daß iſt gewiß ein grauer Papagey. Und wie
iſt der auf den Eichberg gerathen?“

— „Oh Lora! Lora! ha, ha! Koko!“ —

Koko hat er geſagt. Wahrſcheinlich heißt er
Koko und ſeine. Herrſchaft heißt Lore. Ja, lieber
Koko, ich bin ſelbſt unterweges, dort hinuͤber zu ſelbſt
fremd; ich kann Dir keinen zweckmaͤßigen Rath erthei-
len ...... Wie er mir zunickt, als ob er mich ver-
ſtaͤnde! Er klettert herab. Weiß Gott, er ſucht mich
auf. Komm’, komm’, Du armer Kerl!

Die Kraͤhen erhoben im Chor ein wildes Zeter-
geſchrei. Anton drohete ihnen mit ſeinem Reiſeſtab
und hielt dieſen nachher dem vor Kaͤlte bebenden
Koko hin. Koko eilte ihm entgegen und kaum hatte
ſein Schnabel dieſe Rettungsbruͤcke erreicht, als der
kluge Vogel auch ſchon auf ihr entlang uͤber Anton’s

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0246" n="230"/>
Teufel, die Kra&#x0364;hen pflegen doch nicht aus eigenem<lb/>
Antriebe zu reden? Aber wahrhaftig, das i&#x017F;t ein leben-<lb/>
diges graues Klu&#x0364;mpchen, dort im Winkel zwi&#x017F;chen<lb/>
Stamm und A&#x017F;t? Eine Kra&#x0364;he i&#x017F;t das nicht, &#x2014; es<lb/>
i&#x017F;t kleiner; &#x2014; vielmehr &#x017F;cheint es &#x017F;ich vor den Kra&#x0364;hen<lb/>
a&#x0364;ng&#x017F;tlich zu ducken. O! jetzt erkenn&#x2019; ich&#x2019;s deutlich:<lb/>
es i&#x017F;t ein ausla&#x0364;ndi&#x017F;cher Vogel. Die Kra&#x0364;hen haben<lb/>
ihn &#x017F;chon in der Arbeit gehabt, er i&#x017F;t &#x017F;chreckbar zer-<lb/>
zau&#x017F;&#x2019;t. Daß i&#x017F;t gewiß ein grauer Papagey. Und wie<lb/>
i&#x017F;t der auf den Eichberg gerathen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Oh Lora! Lora! ha, ha! Koko!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Koko hat er ge&#x017F;agt. Wahr&#x017F;cheinlich heißt er<lb/>
Koko und &#x017F;eine. Herr&#x017F;chaft heißt Lore. Ja, lieber<lb/>
Koko, ich bin &#x017F;elb&#x017F;t unterweges, dort hinu&#x0364;ber zu &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
fremd; ich kann Dir keinen zweckma&#x0364;ßigen Rath erthei-<lb/>
len ...... Wie er mir zunickt, als ob er mich ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde! Er klettert herab. Weiß Gott, er &#x017F;ucht mich<lb/>
auf. Komm&#x2019;, komm&#x2019;, Du armer Kerl!</p><lb/>
        <p>Die Kra&#x0364;hen erhoben im Chor ein wildes Zeter-<lb/>
ge&#x017F;chrei. Anton drohete ihnen mit &#x017F;einem Rei&#x017F;e&#x017F;tab<lb/>
und hielt die&#x017F;en nachher dem vor Ka&#x0364;lte bebenden<lb/>
Koko hin. Koko eilte ihm entgegen und kaum hatte<lb/>
&#x017F;ein Schnabel die&#x017F;e Rettungsbru&#x0364;cke erreicht, als der<lb/>
kluge Vogel auch &#x017F;chon auf ihr entlang u&#x0364;ber Anton&#x2019;s<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0246] Teufel, die Kraͤhen pflegen doch nicht aus eigenem Antriebe zu reden? Aber wahrhaftig, das iſt ein leben- diges graues Kluͤmpchen, dort im Winkel zwiſchen Stamm und Aſt? Eine Kraͤhe iſt das nicht, — es iſt kleiner; — vielmehr ſcheint es ſich vor den Kraͤhen aͤngſtlich zu ducken. O! jetzt erkenn’ ich’s deutlich: es iſt ein auslaͤndiſcher Vogel. Die Kraͤhen haben ihn ſchon in der Arbeit gehabt, er iſt ſchreckbar zer- zauſ’t. Daß iſt gewiß ein grauer Papagey. Und wie iſt der auf den Eichberg gerathen?“ — „Oh Lora! Lora! ha, ha! Koko!“ — Koko hat er geſagt. Wahrſcheinlich heißt er Koko und ſeine. Herrſchaft heißt Lore. Ja, lieber Koko, ich bin ſelbſt unterweges, dort hinuͤber zu ſelbſt fremd; ich kann Dir keinen zweckmaͤßigen Rath erthei- len ...... Wie er mir zunickt, als ob er mich ver- ſtaͤnde! Er klettert herab. Weiß Gott, er ſucht mich auf. Komm’, komm’, Du armer Kerl! Die Kraͤhen erhoben im Chor ein wildes Zeter- geſchrei. Anton drohete ihnen mit ſeinem Reiſeſtab und hielt dieſen nachher dem vor Kaͤlte bebenden Koko hin. Koko eilte ihm entgegen und kaum hatte ſein Schnabel dieſe Rettungsbruͤcke erreicht, als der kluge Vogel auch ſchon auf ihr entlang uͤber Anton’s

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/246
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/246>, abgerufen am 09.11.2024.